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Wasserstoffbusse

Treibstoffkosten runter, Förderung hoch!

Text: Claus Bünnagel

Wie ein Busbetrieb der Zukunft aussehen könnte, lässt sich auf dem Betriebshof der Regionalverkehr Köln GmbH (RVK) in Wermelskirchen erleben – einer von derzeit zwei Standorten des Verkehrsunternehmen, an denen Busse mit Wasserstoff betankt werden: Trailer liefern den umweltfreundlichen Treibstoff an, der zunächst in Niederdruckspeichern bei 5 bis 50 bar gelagert wird. Deren Volumen von 230 m³ stellt 1 t Wasserstoff bereit, womit die RVK-Busflotte zwei Tage unterwegs sein kann. Zwei Hochdruckverdichter in zwei 20-Fuß-Isocontainern – einer für die tägliche Versorgung, der zweite mit derselben Kapazität als Redundanz – verdichten den Wasserstoff auf 420 bar. Anschließend wird er in neun zylinderförmigen Tanks gelagert.

Die Zapfsäule auf dem Gelände ist auf –5 °C gekühlt, um Tankzeiten unter zehn Minuten zu erreichen. Gegenüber vollelektrischen Bussen ist die kurze Betankungsdauer einer der Pluspunkte der H2-Technologie. Ein weiterer ergibt sich aus der Mindestreichweite, die bei den RVK-Bussen ganzjährig bei 350 km liegt. Damit werden Einsatzparameter wie bei den bislang noch dominierenden Dieselbussen im deutschen Busgewerbe erreicht. Die RVK-Flotte von derzeit 359 Einheiten soll binnen Jahresfrist schließlich 160 Brennstoffzellenbusse der Hersteller Solaris, Van Hool und Wrightbus einschließen. Sie bedienen stadtnahe Überlandlinien im Großraum Köln, auf denen derzeit verfügbare vollelektrische Busse nur mit zeitaufwendigen Zwischenladungen unterwegs sein könnten.

Deutschland europäischer Primus bei Wasserstoffbussen Alles gut also, der H2-Technologie gehört die Zukunft im deutschen und europäischen Busgewerbe? Könnte man meinen. Die Realität sieht jedoch differenzierter aus. Denn in den meisten Ländern des Kontinents stagniert der Einsatz von Wasserstoffbussen. In den Niederlanden, einem der Vorreiter für die Elektrifizierung von Busverkehren, machten im Jahr 2021 Brennstoffzellenmodelle 20 % der neuen Stadtbusse aus. In den beiden Folgejahren sank der Anteil auf 13 beziehungsweise 5 % und Ende 2024 schließlich auf 0 %. Nach dem Annual Report 2024 von European Bus Data wurden im vergangenen Jahr immerhin 378 Wasserstoffbusse in Europa verkauft (2023: 207, 2022: 99). Gegenüber 7.843 batterielektrischen, 3.379 Hybrid- und 2.805 CNG-Bussen macht diese Zahl aber nur einen verschwindend geringen Anteil aus. Deutschland kam 2024 bei den Neuzulassungen immerhin auf eine Quote von 13,34 %, gemessen an allen Stadtbussen mit alternativem Antrieb zum Diesel. Ansonsten werden Wasserstoffbusse in nennenswerter Zahl derzeit nur in Spanien, Italien, Polen und Großbritannien abgesetzt – bei sehr niedrigem einstelligem Marktanteil.

Der Grund dafür ist weniger in der Brennstoffzellentechnologie zu suchen, die in der Regel recht zuverlässig funktioniert. Stattdessen sind es finanzielle Überlegungen, die die Verkehrsunternehmen bei der Anschaffung zurückschrecken lassen. Dabei sind die H2-Busmodelle selber nur unwesentlich teurer als ihre vollelektrischen Pendants. Denn sie kommen im Gegensatz zu diesen in der Regel mit einer relativ kleinen Pufferbatterie aus, was die erheblichen Mehrkosten der Brennstoffzelle weitestgehend kompensiert. Eine Ausnahme bildet der Mercedes-Benz ­eCitaro G fuel cell mit neuem „H2-Mode“, wobei der ­große 392-kWh-Akku durch einen 60-kW-Range-­Extender auf Wasserstoffbasis ergänzt wird, der immer im effizienten Betriebsbereich zwischen 20 und maximal 40 kW läuft. So wird Wasserstoff nur dann verbrannt, wenn es die Reichweitenanforderung nötig macht.

Sparsame H2-Busse Der Hintergrund ist klar: Der Einsatz von grünem Wasserstoff – und nur der ergibt aus ökologischen Aspekten Sinn – ist aktuell sehr kostenintensiv. An Tankstellen beträgt sein Preis derzeit zwischen 13,85 und rund 14,50 Euro/kg – und das, obwohl dieser aktuell hoch defizitär für die Anbieter und zudem steuerfrei ist. Rechnet man Steueranteile wie beim Diesel (40 %) oder beim Strom (29 %) hinzu, müssten deutlich höhere Preise angelegt werden.

Zum Vergleich: Die 50 H2-Trucks von Hyundai in der Schweiz fahren für 22 CHF/kg, was momentan rund 72 Ct/kWh bedeutet. Gleichzeitig ist Gewerbestrom in Deutschland zu Nettopreisen von im Schnitt 21 Ct/kWh erhältlich. Erste Verkehrsunternehmen – vor allem lohnt sich dies für einen Jahresverbrauch jenseits von 100.000 kWh – steigen mit Hilfe ihres Stromanbieters oder spezialisierter Broker selbst in den Stromeinkauf ein. An der Leipziger Strombörse oder im OTC-Terminhandel (OTC = Over-the-Counter, außerbörslicher Handel) können sie den Strom für mehrere Jahre im Voraus einkaufen, was Planungssicherheit gibt. Im Terminmarkt kostet Kilowattstunde für die Lieferjahre 2025 bis 2028 derzeit lediglich 7,5 bis 9 Ct. Hinzu kommen Steuern, Netzentgelte, Abgaben und Umlagen. Dennoch lassen sich so Energiekosten von rund 15 bis 17 Ct/kWh erzielen.

Zwar sind viele H2-Busmodelle mittlerweile recht sparsam im Verbrauch. So haben wir den Arthur H2 Bus 12 M in einem Test je nach Topografie zwischen 4,8 und 7,2 kg/100 km bewegt, wobei im Schnitt rund 6 kg/100 km für diesen 12-m-Standardbus angelegt werden können. Aber trotzdem können die wasserstoffbasierten Fahrzeuge hinsichtlich der Kostenstruktur nicht mit vollelektrischen Pendants mithalten.

Eine Beispielrechnung: 6 kg Wasserstoff kosten im besten Fall 83 Euro. Der vollelektrische 12-Meter-Solobus verbraucht im Jahresschnitt rund 120 kWh/100 km. Das macht Energiekosten von 25 Euro/100 km. Damit ist er auch günstiger als ein Dieselstadtbus mit einem Verbrauch von im Schnitt 42 l/100 km. Diesel kostet netto (Stand: März 2025) im Großhandel 1,24 Euro/l, macht zusammen 52 Euro/100 km.

Wird der Strom für E-Busse von der Leipziger Strombörse bezogen, sinken bei rund 15 bis 17 Ct/kWh die Aufwendungen für die Energieversorgung der Fahrzeuge auf circa 18 bis 20,50 Euro/100 km. Der Brennstoffzellenbus erzeugt also mindestens dreimal so hohe Energiekosten wie sein vollelektrisches Pendant, im schlechtesten Fall sogar mehr als viermal so hohe.

Die RVK beispielsweise überlegt daher gerade, in die eigene Wasserstoffproduktion mittels Großelektrolyseur auf Megawattbasis einzusteigen. Das ließe die Aufwendungen für den grünen Treibstoff sinken. Das Modell könnte für viele kommunale Verkehrsunternehmen taugen, die unter dem Dach eines Stadtwerks subsummiert sind. Schließlich sind Stadtwerke fast immer selbst Energieproduzenten ist, was die Stromkosten im Elektrolyseprozess reduziert.

Die Wiesbadener ESWE, einer der Vorreiter beim Thema Wasserstoff im ÖPNV, hat dagegen im Frühjahr 2023 das Thema Brennstoffzellenbusse für sich beendet. Die bereits seit 2020 vorhandene, mit 1,9 Mio. Euro geförderte Betriebstankstelle im Rahmen des Verkehrsverbunds Mainz Wiesbaden (VMW) hat das Unternehmen an den Partner Mainzer Verkehrsgesellschaft (MVG) abgegeben. Die hat gleichzeitig fünf der zehn H2.City Gold von CaetanoBus übernommen, die vom Wiesbadener Partner ausgemustert wurden. Grund waren drastische Kürzungen im Stadthaushalt mit Einsparauflagen an ESWE Verkehr von 17 Mio. Euro, worauf sich gemäß Beschluss der Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung das Verkehrsunternehmen aus „nicht zwingend notwendigen Projekten“ zurückziehen musste – eben einer Wasserstoffbusflotte samt Tankstelle.

Die Reichweiten bei Brennstoffzellenbussen sind in der Regel höher als bei ihren vollelektrischen Pendants. Im Zentraldisplay des Arthur H2 Bus 12 M lässt sich beispielsweise ablesen, dass das Fahrzeug trotz nicht vollständig gefüllter H2-Tanks immer noch einen üppigen Fahrradius von mehr als 500 km aufweist.

Claus Bünnagel

Die Reichweiten bei Brennstoffzellenbussen sind in der Regel höher als bei ihren vollelektrischen Pendants. Im Zentraldisplay des Arthur H2 Bus 12 M lässt sich beispielsweise ablesen, dass das Fahrzeug trotz nicht vollständig gefüllter H2-Tanks immer noch einen üppigen Fahrradius von mehr als 500 km aufweist.

H2-Tankstellennetz muss wachsen Ein weiteres Handicap für die Wasserstofftechnologie im Busgewerbe bildet die Tankstelleninfrastruktur. Sie ist bislang nur dünn ausgeprägt, und wächst gegenwärtig kaum weiter – im Gegenteil. In Österreich hat der Mineralölkonzern OMV gerade mangels Wirtschaftlichkeit sein komplettes öffentliches H2-Tankstellennetz abgewickelt. Der deutsche Marktprimus H2 Mobility schließt derzeit eine ganze Reihe kleinerer, unrentabler Standorte mit vorwiegend 700-bar-Technologie. Elf waren es zum Ende des 1. Quartals 2025, weitere elf sollen bis Ende des 2. Quartals folgen.

Das Unternehmen konzentriert sich stattdessen auf regionale Wasserstoff-Hubs in Gebieten mit hoher Nachfrage wie in Ballungszentren oder entlang von Haupt­verkehrsachsen. In den kommenden sechs Monaten eröffnen zwei neue Standorte mit 350-, 500- und 700-bar-Betankungsmöglich­keiten in Düsseldorf und Ludwigshafen. Im Jahr 2024 er­öffneten bereits große Tankstellen in der Fokus­region Rhein-Neckar in ­Heidelberg, Mannheim und Frankenthal.

Technisch gibt es Änderungen: Die neue Tankstellengeneration steht für mehr Zapfsäulen, größere Wasserstoffmengen, die über ein Trailersystem bereitgestellt werden, und eine deutlich leistungsstärkere Technik. Begründet wird diese Transformation mit dem gedämpften Markthochlauf für Pkw und kleine Nutzfahrzeuge. Dagegen steigt der Anteil der 350-bar-
Betankungen von Bussen und Lkw – zwar leicht, aber kontinuierlich. Im März 2025 verzeichnete H2 Mobility erstmals einen höheren Absatzanteil für 350 bar als 700 bar. Mit einem Anteil von deutlich über 50 % könnte dieser Wert einen Wendepunkt markieren. Gleichzeitig stieg der gesamte Wasserstoffabsatz im Vergleich zum Vorjahresmonat um moderate 10 %. Bis Jahresende soll der Großteil des Umsatzes durch 350-bar-Nachfrage generiert werden.

Allerdings setzen Lkw- und Bushersteller wie Daimler Truck auch auf die 700-bar-Technologie bei Nutzfahrzeugen oder sogar Flüssigwasserstoff, entsprechende Fahrzeugmodelle sollen in den nächsten drei Jahren auf den Markt kommen. Welche Betankungsmöglichkeiten gerade für letztere Variante mit Temperaturlevels unterhalb –253 °C dann zur Verfügung stehen, ist bislang noch völlig offen.

Förderung tut not Wenig Hilfe gibt es in dieser schwierigen Situation für Fahrzeughersteller, Verkehrsunternehmen und Tankstellenbetreiber derzeit von der Politik. Nach dem Ende 2023 beschlossenen Förderstopp für elektrifizierte Fahrzeuge in Deutschland – der natürlich auch vollelektrische Modelle betrifft – ist trotz einiger Länderförderungen die wirtschaftliche Lücke zwischen Brennstoffzellen- und Dieselbussen weiter gewachsen. Die Verkehrsunternehmen halten sich daher bei der Beschaffung zurück, ordern wenn überhaupt nur im Rahmen geförderter Landes-, Bundes- oder EU-Projekte.

Am Punkt Finanzierung wird viel von den Maßnahmen der künftigen Bundesregierung abhängen, um die stockende Verkehrswende wieder ans Laufen zu bringen. Neben der Fahrzeugförderung muss diese auch die Produktion grünen Wasserstoffs ankurbeln. Dafür benötigt es Großelektrolyseure, im Idealfall gekoppelt mit Photovoltaik- und Windparks, um überschüssigen Strom kostengünstig und möglichst rund um die Uhr in Wasserstoff umzuwandeln. Denn nur so können die Kosten für den umweltfreundlichen Treibstoff sinken. Die Experten sind sich einig, dass erst bei Kilopreisen von – möglichst deutlich – unter 6 Euro Wasserstoff wirtschaftlich im Straßenverkehr eingesetzt werden kann.

Lösungen sollten also schnell umgesetzt werden, zumal interessante Einsatzgebiete schon in Reichweite sind. Im Fernverkehr mit Lkw und Reisebussen ließe sich die Wasserstofftechnologie effizient einsetzen. Erste H2-Reisebusmodelle etwa vom baskischen Produzenten Irizar oder dem chinesischen Hersteller Wisdom Motor wurden bereits vorgestellt. Und auch für das Überlandsegment mit hohen täglichen Umlaufszenarien wären Brennstoffzellenbusse geradezu prädestiniert.

Claus Bünnagel

Der 2023 auf der Busworld in Brüssel vorgestellte Irizar i6 Efficient Hydrogen ist eines der ersten H2-Reisebusmodelle.

Claus Bünnagel

Claus Bünnagel ist Freier Journalist und Chefredakteur der Zeitschrift busplaner.
Er berichtet regelmäßig aus der Praxis von Omnibus­unternehmen und Reise­veranstaltern.

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