© Lhyfe
Bis zu vier Tonnen Wasserstoff pro Tag kann die Anlage in Schwäbisch Gmünd produzieren, die Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am 14. Oktober einweihte. Noch aber ist die 30 Millionen Euro teure Anlage, gefördert mit 4,3 Millionen Euro von der EU und mit 2,1 Millionen Euro vom Land, noch am Hochfahren. Das liegt nicht nur an der technischen Abstimmung in der Anfangsphase, sondern auch an der Nachfrage, die nur allmählich steigt. Herzstück der 10-MW-Anlage ist der Elektrolyseur, der seinen Strom aus dem öffentlichen Versorgungsnetz bezieht. Über Zertifikate ist gewährleistet, dass der Strom regenerativ erzeugt wird und somit der Wasserstoff „grün“ ist. Vier Tonnen davon reichen, damit 100 Lkw je 400 Kilometer weit fahren können.
Betreiber ist die 2017 in Frankreich gegründete und börsennotierte Lhyfe, die in ihrem Heimatland bereits drei Anlagen realisiert hat und auf einem Hektar in der Ostalb nun ihren ersten deutschen Standort betreibt, aufgebaut aus Containern mit je fünf Stacks.
Bis voraussichtlich 2032 die Anlage an das überörtliche Erdgasnetz angeschlossen wird, werden die Kunden aus dem Mobilitäts- und Industriesektor sowie Zulieferer dieser Brennstoffzellentechnologie mit Trailern beliefert. H2 Mobility, Betreiber von Wasserstofftankstellen bundesweit, will seine in Süddeutschland geplanten Tankstellen mit der Energie aus Gmünd beliefern, erklärt Lhyfe-Deutschland-Vertriebschef Pascal Louvet bei einem Presserundgang vor der Einweihung. Perspektivisch soll der Standort in Ostwürttemberg auch ins Wasserstoff-Kernnetz einspeisen, das ab 2032 geknüpft sein soll.
Genehmigung im Rekordtempo
Potenzielle Abnehmer in der Region wären dann energieintensive Betriebe wie Schwenk Zement in Herbrechtingen, die Papierfabrik Palm in Aalen und ein Nahwärmeversorgungsnetz in Ellwangen. Unter Volllast will Lhyfe das Kilo Wasserstoff so günstig herstellen, dass es sich „deutlich unter zehn Euro“ verkaufen lässt. Da Einnahmen aus dem CO₂-Zertifikatehandel angerechnet werden könnten, reduziert allein dies den Preis schon um drei bis sechs Euro, so Louvet. Basis dafür ist die RFNBO-Zertifizierung (Renewable Fuel of Non-Biological Origin) der Gmünder Anlage.
Der Vertriebsmann: „Unser grüner Wasserstoff ist insbesondere in der Chemie-, Stahl- und Glasindustrie eine CO2-freie Alternative zu grauem Wasserstoff und fossilem Erdgas.“ Schwäbisch Gmünds Oberbürgermeister Richard Arnold (CDU) spekuliert mit der Anlage auf die Ansiedlung solcher Firmen im hier geplanten Industriegebiet „H2-Aspen“, das auch eine H2-Tankstelle bekommen soll. Ausdrücklich lobte Arnold die Zuständigen im Regierungspräsidium Stuttgart, die binnen vier Monaten die Anlage gemäß des Bundes-Immissionsschutzgesetzes genehmigt hätten, „für die es ja gar kein Vorbild gab.“ Das mache Mut für den Wandel, den das Land dringend brauche.
Auch Ministerpräsident Kretschmann pries die Anlage als „Leuchtturmprojekt“, das der Ulmer Verein H2-Wandel und das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW), ebenfalls in Ulm, maßgeblich begleitet hätten. Kretschmann: „Es braucht Mut und Pioniere wie die hier beteiligten Partner, um die H2-Wirtschaft ins Laufen zu bringen.“ Die Politik liefere dazu den Rechtsrahmen und Fördermittel, „aber Bedenkenträger brauchen wir keine.“
Bundesweit liege die Elektrolyse-Kapazität aktuell bei 170 MW. Allein in Schwäbisch Gmünd kämen nun nochmals 10 MW dazu. Das Land werde weitere 125 Millionen Euro in Elektrolyseure investieren.
Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) ergänzte: „H2-Produktion ist Industriepolitik, denn wir brauchen eine resiliente Energieversorgung und die Technologieführerschaft in diesem Bereich.“ China lege bei dem Thema ein hohes Tempo vor, aber mit Lhyfe habe der Südwesten einen starken französischen Partner. Nicolas Gibert-Morin aus Brüssel erinnerte an Beschlüsse von 2020, dass die EU bis 2030 jährlich zehn Millionen Tonnen Wasserstoff selbst produzieren will. Von den Fördergeldern würden, wie in Gmünd, die Kommunen unmittelbar profitieren.
Erst der Anfang
„Gmünd ist erst der Anfang von Lhyfe in Deutschland“, rief Firmengründer und -vorstand Matthieu Guesné ins Publikum. Von rund 200 Lhyfe-Mitarbeitern sind 30 in Deutschland tätig, nicht nur am Sitz in Köln, sondern verteilt auf das Bundesgebiet. Was ihn motiviere, seien seine Kinder, sagt Guesné – sie hätten ein Recht auf eine lebenswerte Zukunft.
In Frankreich betreibt das Unternehmen bereits drei Anlagen an Windparks an Land und auf See. Aktuell hat Lhyfe 70 Trailer im Einsatz, um seine 50 Kunden zu beliefern. Jeder Trailer fasst je nach Druckstufe 380 bis 1.000 Kilogramm Wasserstoff. Das Unternehmen baut noch weitere Onshore- und Offshore-Standorte in Europa auf und will sich als wichtiger Wasserstofferzeuger etablieren.
In Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern planen die Franzosen an einem alten AKW-Standort ein 800-MW-Projekt, das an das künftige europäische Wasserstoffnetz angeschlossen werden soll. Weitere Standorte sind im Saarland für ein Stahlwerk und in Niedersachsen in einem Hafen zum Betanken von Schiffen geplant.
Bis es im Südwesten soweit war, dass der Elektrolyseur in Betrieb gehen konnte, hat die Wasserstoffregion H2Ostwürttemberg einige Vorarbeit geleistet, auch mit Hilfe der HyLand-Förderungen der zum Bundesverkehrsministerium gehörenden Nationalen Organisation Wasserstoff und Brennstoffzellentechnologie (NOW).
Im Jahr 2022 hatten in Ostwürttemberg bei einer Umfrage 40 Firmen einen Bedarf von insgesamt 200.000 Tonnen Wasserstoff jährlich angemeldet. Das entspricht einer Energiemenge von 7 TWh. Hauptabnehmer wären demnach die Papierfabrik Palm in Aalen und Schwenk Zement in Heidenheim.
Die Süddeutsche Erdgasleitung (SDL) quert den Landkreis Heidenheim; sie soll ab 2032 H₂-kompatibel sein. Parallel entsteht ein regionales Verteilnetz, 84 Kilometer lang und bis zu 185 Millionen Euro teuer. Damit das alles aufgeht, müssen über die H2Ostwürttemberg die Abnahmemengen organisiert werden. Land, Bund und EU müssen den Netzausbau kofinanzieren. Mit der Entscheidung, dass die 60 Milliarden Euro aus der Corona-Hilfe nicht auf den Klimaschutz übertragbar sind, ist das nicht leichter geworden.
Doch es geht trotzdem weiter. Im HyLand-Programm hat die Region H2Ostwürttemberg die Visionsentwicklung als „HyStarter“ und die Planung als „HyExpert“ durchlaufen. Nun ist sie in der dritten und letzten Phase. Als „HyPerformer“ erhält sie weiterhin Zuschüsse der NOW, die nun nicht mehr in Pläne fließen, sondern in die reale Umsetzung der Projekte.
© Lhyfe