Am gestrigen Montag hat das Bundeministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) seinen „Monitoringbericht“ zur Energiewende veröffentlicht. Er ist kein eigenes Monitoring, sondern fasst als eine Art Metaanalyse bestehende Erkenntnisse aus anderen Veröffentlichungen zusammen. Bundesministerin Katherina Reiche leitet daraus zehn Maßnahmen für die Energiewende ab, die sie ebenfalls gestern vorstellte.
VDMA und IG Metall: Klarheit fehlt – eigene Kurzstudie vorgelegt
„Das Monitoring zeigt, was alle wussten. Die Energiewende kann und muss effizienter werden. Weder die Studie noch die zehn Schlüsselmaßnahmen des Ministeriums ergeben aber ein klares Konzept für die Zukunft.“, fasst Hartmut Rauen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Maschinen- und Anlagenbauverbandes VDMA Power Systems zusammen. Er fürchtet einen Sparkurs, der zu dauernden Nacharbeiten in den 2030er Jahren führen werde. Nötig sei ein modernisierter Rahmen für notwendige Investitionen in global umkämpfte Transformationstechnologien. „Sonst helfen auch die Bekenntnisse zu mehr Pragmatismus beim Wasserstoff-Hochlauf und zum Carbon-Management wenig.“
Jürgen Kerner, zweiter Vorsitzender der IG Metall, äußert vor allem Zweifel daran, ob man tatsächlich mit einem sinkenden Stromverbrauch rechnen könne. „Wir dürfen nicht jetzt die Potentiale für die zukünftige Entwicklung der Industrie - wie zum Beispiel Wasserstoff und Künstliche Intelligenz (KI) - beschneiden. Wir brauchen dringend Planungssicherheit für die Unternehmen und Beschäftigten im Bereich des Energieanlagenbaus.“
Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer VDMA Power Systems, will die eigene Prognos-Studie „ausdrücklich als Ergänzung zum Monitoringbericht“ verstanden wissen. Der Blick auf die Kosten sei zwar volkswirtschaftlich geboten, greife aber zu kurz. „Um Versorgungssicherheit, technologische Souveränität und industrielle Wertschöpfung zu sichern, braucht es vor allem Kontinuität und politische Verlässlichkeit. Eine Streckung und Verstetigung des Ausbaus über die Zeit bei gleichzeitigem Festhalten der Gesamtausbauziele hätte entsprechend gesamtvolkswirtschaftlich deutlich höhere positive Effekte als eine dauerhafte Reduktion des Ausbaus. Einmal verlagerte oder verlorene Fabriken lassen sich eben nur sehr teuer wieder zurückholen."
Er betont auch die Bedeutung der Resilienz und des Energiesystems als kritische Infrastruktur. „Dies gilt sowohl für die Brennstoffe als auch im Besonderen für die Energieanlagen. Der Erhalt von technologischem Know-how in Deutschland und Europa ist dabei ein zentraler Faktor."
Manuel Bloemers, Sekretär aus dem IG Metall Vorstand, Fachbereich Industrie- und Branchenpolitik, sagt: „Energiepolitik ist Vertrauenspolitik, wir dürfen nicht alle vier Jahre die Regeln und Ausbaupfade verändern.“
BDEW: Einbeziehung bei den Schlussfolgerungen erwartet
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft formuliert einen ähnlichen Inhalt wie der VDMA diplomatischer. Der Monitoringbericht sei ein „überzeugender Angang, der vieles wiedergibt, was wir bereits vorbereitet haben.“ Als wichtige Punkte in Bezug auf Wasserstoff betont der Verband den Zubau von Gaskraftwerken, die auf H2 umgestellt werden können sowie den Hochlauf unterstützender Regulierung für Wasserstoff.
„Vor diesem Hintergrund erwarten wir in den nächsten Wochen und Monaten eine enge Einbeziehung der Branche bei der Ausgestaltung der Schlussfolgerungen des Monitoring“, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Skeptisch ist sie beim Strombedarf. Die Prognose von 600 bis 700 TWh sieht sie als „gute Standortbestimmung, am Ende aber auch nur eine Momentaufnahme“. Zwar gehe die Elektrifizierung nicht so schnell voran, wie erwartet, doch mal solle besser vorbereitet sein –sowohl auf neue Nachfrage durch Elektrolyseure, Rechenzentren, und E-Mobilität als auch auf eine konjunkturelle Erholung.
DVGW: Wasserstoff auch zum Fahren und Heizen nutzen
Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches sieht die Rolle des Wasserstoffs in dem Gutachten nicht genügend gewürdigt. Er begrüßt mehrere Punkte, zum Beispiel zur Rolle von Speichern, dem Heben von Flexibilitäten im Stromsystem oder Wasserstoffkraftwerken. Allerdings kritisiert der Verband, die Einschätzung, dass Wasserstoff vor allem in der Industrie, im Energiesektor und für Prozesswärme bei hohen Temperaturen notwendig wäre. Der Verband sieht große Potenziale auch im Gebäude- und Verkehrssektor und findet, der Transport über das Gasverteilnetz werde unterschätzt.
VDI: richtige Schlüsse, konkrete Forderungen
Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) sagt hingegen, die Bundesregierung habe die richtigen Schlüsse gezogen. Der Schwerpunkt der VDI-Stellungnahme liegt dabei auf dem Thema Kosten sowie der Synchronisierung von Netzausbau, Speichern und Erzeugung. Unter anderem in Bezug auf Wasserstoff formuliert der VDI aber auch Forderungen, die über das von Ministerin Reiche Gesagte hinaus gehen. In Bezug auf Wasserstoff begrüßt der VDI den Abbau regulatorischer Vorgaben. Zugleich solle aber das systemische Zusammenspiel zwischen Elektrolyseuren, EE-Erzeugung und Netzauslastung berücksichtigt werden. Der VDI verweist auf seine Vorschläge zum Wasserstoffhochlauf, die er im Frühjahr formuliert hat. Neue Kraftwerke sollten zudem möglichst wasserstofffähig sein, wobei dies „kein bloßes Etikett“ bleiben dürfe. Nötig seien klare technische Standards und praktikable Umrüstpfade. Ohne Tempo, Mut und ingenieurtechnische Verlässlichkeit werde die Energiewende auch gelingen, aber langsamer, teurer und mit höheren Risiken für die Wettbewerbsfähigkeit, heißt es.
Konkrete Änderungen für die Branche soll das Wasserstoffbeschleunigungsgesetz bringen. Vor der Sommerpause legte das Wirtschaftsministerium einen Entwurf dafür vor.