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Mobile Speichertechnologien

Wasserstoff im Nano-Netz

Text: Neel Sirosh

Retikuläre Materialien sind kristalline Strukturen aus Metallionen, die durch organische Moleküle miteinander verbunden sind. Sie bilden ein poröses Netzwerk mit einer extrem großen Oberfläche. Darin lässt sich Wasserstoffgas durch Adsorption in hoher Dichte speichern. Wenn solche Materialien bei moderatem Druck mit Wasserstoff in Berührung kommen, fangen sie Wasserstoffmoleküle in ihren mikroskopisch kleinen Poren ein.

Dieser Adsorptionsprozess findet in der Regel bei etwa 30 bar statt und bei Temperaturen nahe Raumtemperatur. Um den auf diese Weise gespeicherten Wasserstoff wieder freizusetzen, reicht es, den Druck zu senken oder die Temperatur leicht zu erhöhen. Das ermöglicht eine präzise Steuerung der Wasserstoff-Zufuhr, etwa in einer Brennstoffzelle, mit minimalem Energieaufwand.

Innovativer Wasserstoffspeicher

Auf Basis retikulärer Materialien hat unser Start-up H2MOF eine neuartige Fest­körper-­Wasserstoffspeicherarchitektur entwickelt. Das Unternehmen mit Sitz im kalifornischen Irvine wurde im Jahr 2021 gegründet, von Sir Fraser Stoddart, dem im Jahr 2024 verstorbenen Nobelpreisträger, und Omar Yaghi, Professor für Chemie an der Universität Berkeley und Begründer der Retikulären Chemie. Die Innovation von H2MOF beruht auf einer neuen Klasse retikulärer Materialien. Diese überwinden die Einschränkungen herkömmlicher Methoden zur Wasserstoffspeicherung und ermöglichen somit den Übergang von Pilotversuchen zu realen und skalierbaren Einsätzen.

Drohnen und E-Bikes für den Praxistest

In naher Zukunft konzentrieren wir uns auf Drohnen und Leichtmobilität. Dies ist jedoch erst der Anfang. Bei Erfolg eröffnet sich ein breites Spektrum von möglichen Anwendungen: Kompakte Niederdruck- und Hochleistungsspeicher am Boden, Gastransporte in großer Menge sowie der Einsatz im Mobilitätssektor, etwa im Schwerlastverkehr auf der Straße, auf der Schiene oder im Bereich des Luft- und Schiffsverkehrs.

Mit einer gravimetrischen Kapazität von über 5,5 Massenprozent und einer volumetrischen Dichte von über 40 g/l übertreffen diese Materialien viele herkömmliche Hochdrucksysteme. Sie bieten eine um bis zu 30 Prozent verbesserte Gewichtseffizienz und eine fast doppelt so hohe Leistungsdichte. Dadurch können Drohnen, E-Bikes oder E-Scooter mehr Wasserstoff in kleineren, leichteren Tanks transportieren, wodurch sich ihre Reichweite und Nutzlastkapazität erhöhen lässt, ohne die Leistung zu beeinträchtigen.

Neben der Speichereffizienz bieten Systeme, die Wasserstoff in fester Form speichern, entscheidende Vorteile in Bezug auf Sicherheit, thermische Integration und Betriebszuverlässigkeit. Zudem treten keine Boil-Off-Verluste auf, was sie ideal für Fahrzeuge macht, die für längere Zeit im Leerlauf bleiben.

Die retikulären Materialien werden in Nano-Größenordnung entwickelt. Die Auswahl der chemischen Bausteine – typischerweise Metallionen, die durch organische Moleküle miteinander verbunden sind – erfolgt so, dass sie eine hochporöse Gerüstverbindung mit exakt definierter Geometrie ergeben. Grundsätzlich gilt: Je mehr Hohlräume, desto mehr Möglichkeiten, darin Wasserstoffmoleküle zu „parken”.

© H2MOF

Wasserstofftank mit retikulären Materialien

Künstliche Intelligenz beschleunigt Prozesse

Die Poren müssen jedoch nicht nur ausreichend groß, sondern auch zugänglich und gleichmäßig verteilt sein – selbst kleinste Veränderungen auf der Nanoskala können die Speicherkapazität drastisch beeinflussen. Außerdem muss das Material so gestaltet sein, dass es gezielt Wasserstoff anzieht, ohne ihn zu stark zu binden, damit er reversibel aufgenommen und wieder freigesetzt werden kann.

Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML) spielen in diesem Entwicklungsprozess eine zentrale Rolle. Nicht jede Anordnung der einzelnen Bestandteile des retikulären Materials muss wie früher einzeln synthetisiert und auf ihre Eigenschaften getestet werden. Vielmehr analysiert die für diesen Verwendungszweck speziell programmierte KI große Datensätze und trifft eine Vorauswahl an Strukturen mit großem Potenzial. Was früher Jahre des Ausprobierens erforderte, reduziert sich heute deshalb auf wenige Wochen.

Die bislang in Drohnen, E-Bikes oder E-Scootern üblicherweise verwendeten Batterien sind in der Regel schwer, laden nur langsam und haben eine begrenzte Reichweite. Wasserstoff, sofern effizient gespeichert, kann hier Abhilfe schaffen. Bei Drohnen ermöglicht der Wasserstoffspeicher von H2MOF eine fast zehnfache Steigerung der Reichweite sowie – abhängig vom Anwendungsfall – der Flugdauer. Auch die Nutzlastkapazität verbessert sich deutlich.

Wasserstoffbetriebene E-Bikes oder Scooter mit Festkörperspeicher lassen sich in wenigen Minuten auftanken und ermöglichen eine neue Klasse ultraleichter Fahrräder mit großer Reichweite. Diese eignen sich beispielsweise für den städtischen Lieferverkehr, für Pendler oder den Einsatz in Unternehmens-Flotten.

Die Entwicklung unserer retikulären Materialien ist bereits sehr weit fortgeschritten. Wir sind dabei, erste Prototypen zu konzipieren und zu validieren. Nach entsprechenden In-House-Tests sind wir bereit, unsere Technologie im Feld zu erproben. Hierzu arbeiten wir mit Industriepartnern in den Bereichen Drohnen und E-Bikes zusammen. Wir planen, erste Feldversuche noch in diesem Jahr mit Drohnen durchzuführen.

Die Speicherung von Wasserstoff in retikulären Materialien bedeutet meines Erachtens eine bahnbrechende Verbesserung auch für die Brennstoffzellen-Technologie, weil sie eine kompakte, sichere und effiziente Speicherung von Wasserstoff bei niedrigem Druck und Umgebungstemperaturen ermöglicht.

© H2MOF

Die Gründer von H2MOF: Sir Fraser Stoddart, Omar Yaghi, Samer Taha

Wasserstoff-Speicher bislang noch schwierig

In der Vergangenheit wurde das Versprechen von Wasserstoff als emissionsfreier Energieträger durch die Komplexität und Ineffizienz seiner Speicherung eingeschränkt. Hochdrucktanks, kryogene Systeme und Metall-Hydride bringen unterschiedliche Herausforderungen in Bezug auf Gewicht, Sicherheit, Kosten, rechtliche und infrastrukturelle Anforderungen mit sich. Sie gehören mit zu den Gründen, welche die breite Nutzung von Wasserstoff bisher ausgebremst haben, insbesondere bei Anwendungen, die Mobilität, Modularität und eine schnelle Bereitstellung erfordern.

Durch die Überwindung dieser grundlegenden Hindernisse öffnet die Technologie von H2MOF meines Erachtens die Tür für eine weitreichende Integration von Wasserstoff in Bereichen, die bisher als unpraktisch galten. Sie macht die mobile, dezentrale Nutzung von Wasserstoff wirtschaftlich attraktiv.

Während erste Anwendungen von wasserstoffbetriebenen Drohnen und Leichtmobilität unmittelbare und greifbare Vorteile bieten, liegt die wahre Bedeutung dieses Durchbruchs in seinem Potenzial, die Art und Weise der Speicherung, des Transports und der Nutzung von Wasserstoff in der gesamten Energielandschaft neu zu­ gestalten.

Dr. Neel Sirosh
CTO bei H2MOF

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