Das Projekt TransHyDE hat eine umfassende Systemanalyse zur künftigen Wasserstoffinfrastruktur in Europa veröffentlicht. Die 85-seitige Studie mit dem Titel „European Hydrogen Infrastructure Planning: Latest Insights from TransHyDE System Analysis“ untersucht, wie politische Entscheidungen und wirtschaftliche Rahmenbedingungen den Markthochlauf von Wasserstoff bis 2050 beeinflussen können.
Zentrale Erkenntnis: Eine kosteneffiziente und robuste Wasserstoffversorgung in Europa ist möglich – vorausgesetzt, politische und wirtschaftliche Akteure handeln frühzeitig und koordiniert. „Die Zukunft des Wasserstoffs in Europa liegt weiter in unseren Händen, wenn wir bis zum Ende des Jahrzehnts die Hebel umlegen“, sagt Mario Ragwitz, TransHyDE-Koordinator und Leiter des Fraunhofer-Instituts für Energieinfrastrukturen und Geothermie (IEG).
Industrie als Haupttreiber – aber mit Unsicherheiten
Langfristig wird der größte Wasserstoffbedarf in der Industrie erwartet, insbesondere in der Stahl- und Chemiebranche. Die tatsächliche Entwicklung hängt jedoch stark von globalen Wettbewerbsbedingungen, CO₂-Preisen und den Kosten für grünen Wasserstoff ab. Die Studie betont, dass die Spannbreite möglicher Szenarien groß ist.
Erneuerbare Energien als Voraussetzung für Eigenproduktion
Ein zügiger Ausbau von Wind- und Solarenergie ist laut Studie entscheidend, um Europas Wasserstoffbedarf aus eigener Produktion zu decken. Bleibt dieser Ausbau hinter den Zielen zurück, steigen sowohl die Kosten als auch die Importabhängigkeit deutlich.
Auch Förderinstrumente sind weiterhin wichtig: Die Transformation energieintensiver Industrien erfordert laut Analyse CO₂-Preise von über 200 Euro pro Tonne. Um den Hochlauf wirtschaftlich zu gestalten, empfiehlt die Studie unter anderem:
– ein spezifisches Wasserstoff-Segment in künftigen Klimaschutzverträgen,
– eine Neuregelung der THG-Minderungsquote im Verkehr mit Unterquote für RFNBOs (erneuerbare Kraftstoffe nicht-biologischen Ursprungs),
– Differenzkostenverträge (CfDs) auf der Brennstoffseite, um Preisrisiken abzusichern,
– sowie die Etablierung von Leitmärkten für klimafreundliche Grundstoffe.
Pipelineimporte wirtschaftlicher als Derivate
Für den Wasserstoffimport identifiziert die Studie Pipelines aus Nordafrika oder Südosteuropa als langfristig wirtschaftlichste Lösung. Derivate wie Ammoniak oder Methanol seien nur dort sinnvoll, wo eine direkte Nutzung von Wasserstoff nicht möglich ist.
Die Umnutzung vorhandener Erdgasleitungen für Wasserstoff könne Zeit und Kosten sparen. Voraussetzung sei jedoch eine frühzeitige Koordination auf europäischer Ebene, um Fehlanreize und ineffiziente Investitionen zu vermeiden.
Vier Schlüsselfaktoren für ein effizientes System
Die Studie nennt vier zentrale Einflussgrößen für ein funktionierendes europäisches Wasserstoffsystem:
1. Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energien,
2. Internationaler Wettbewerb und Entwicklung globaler Wertschöpfungsketten,
3. Infrastrukturentscheidungen in den nächsten fünf Jahren (Pipelines, Speicher, CO₂-Netz) sowie
4. regulatorische Absicherung von Investitionen (CO₂-Preise, Förderinstrumente, Importstrategien).
Regionale Unterschiede und Risiken
Die Analyse weist auf erhebliche regionale Unterschiede hin. Industriestarke Regionen mit geringer eigener Erzeugung erneuerbarer Energien werden stärker auf Importe angewiesen sein. Windreiche Regionen könnten hingegen zu H2-Exporteuren werden. Ohne differenzierte Planung drohen sogenannte Stranded Assets – also Investitionen in Infrastrukturen, die sich später als unrentabel erweisen. Wasserstoffpolitik muss differenziert gedacht und eng mit der (regionalen) Raumplanung verknüpft werden.
„Die technologischen Grundlagen für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft haben wir in Deutschland mit TransHyDE erarbeitet“, sagt Christoph Nolden, Mitautor der Studie und Leiter des Competence Centers „Erdgas-, Wasserstoff- und stoffliche Infrastrukturen“ am Fraunhofer IEG. Mit der Initiative TransHyDE 2.0 sollen nun wirtschaftliche Anwendungen und nationale Wertschöpfung gesichert werden.
Die vollständige Studie ist auf der Webseite des Projekts abrufbar: www.wasserstoff-leitprojekte.de/leitprojekte/transhyde