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Wasserstoff-Hafen Sohar

„Wir brauchen neue Handelskorridore“

HZwei: Herr Al-Abri, wagen Sie bitte einen Blick in die Glaskugel: Kann Deutschland über den Hafen von Sohar künftig mit grünem Wasserstoff und grünem Stahl versorgt werden?

Al-Abri: Ja, absolut. Der Hafen von Sohar spielt bereits eine Schlüsselrolle in der Region. Wir haben die Infrastruktur, um grünen Wasserstoff zu produzieren, zu lagern und zu transportieren. Der Export von Ammoniak, Methanol und Stahlprodukten läuft bereits – nicht nur in Richtung Europa, sondern auch nach Nord- und Südamerika, Australien, Pakistan und in Teile Afrikas. Den wesentlichen Zugang zu europäischen Staaten wie Deutschland erhalten wir dank der Partnerschaft mit dem Hafen Rotterdam.

Erneuerbare Energien wie Sonnen- und Windenergie werden schon genutzt, und die Ausfuhr kohlendioxidarmer Produkte wie grüner Stahl werden künftig eine immer größere Rolle spielen. Dafür richten wir sogenannte „Integrated Energy Valleys“ ein – das bedeutet, die Solar- und Windenergieparks in Sohar werden mit den Speicheranlagen verbunden, so dass sie große Industrieanlagen rund um die Uhr mit erneuerbarer Energie für Herstellungsprozesse versorgen. Das sind gute Voraussetzungen, um Deutschland auf dem Weg dahin zu unterstützen, 2050 kohlendioxidfrei zu produzieren, also mit Netto-Null-Emissionen – ein Ziel, das uns eint.

Was ist geplant und wie sollte der Transport nach Deutschland vonstattengehen?

Die Basis der Zusammenarbeit bildet das Memorandum of Understanding zur gegenseitigen Unterstützung im Energiesektor, das 2022 von der deutschen und der omanischen Regierung unterschrieben wurde. Derzeit laufen Dialoge mit den Niederlanden und der Schweiz, um einen Korridor für die Einfuhr von grünem Wasserstoff einzurichten. Wir befinden uns in einer Situation, in der es nicht mehr darum geht, sich gegenseitig im Hinblick auf erneuerbare Energie Konkurrenz zu machen. Der Markt muss partnerschaftlich entwickelt werden. Das heißt: In Zusammenarbeit mit uns werden die Niederländer von Rotterdam aus in den nächsten Jahren die Türen für Wasserstoff-Exporte in Richtung Norddeutschland öffnen. Das gleiche gilt für die Schweizer in Richtung Süddeutschland. Je mehr Länder sich beteiligen, umso besser – es gilt, gemeinsam Lieferketten zu entwickeln, von denen alle profitieren. Die Welt benötigt große Mengen an Wasserstoff, dafür muss man an einem Strang ziehen.

„Je mehr Länder sich beteiligen, umso besser – es gilt, gemeinsam ­Lieferketten zu entwickeln, von denen alle profitieren“

Wie sehen die nächsten Schritte aus?

In den kommenden anderthalb Jahren, also 2025 bis Ende 2026, soll die ­komplette Lieferkette für erneuerbare Energie, Wasserstoff und kohlenstoffarme Produkte entwickelt werden – vom Industriehafen Sohar aus bis nach Europa. Dafür sprechen wir mit zukünftigen Abnehmern in Deutschland wie Siemens oder Thyssen Krupp sowie weiteren in den genannten Nachbarländern, um den Bedarf an Ammoniak, Methanol, Stahl, Aluminium oder Wasserstoff in verschiedenen Ausformungen – auch in flüssiger Form – zu ermitteln. Wir rollen das Feld von hinten auf: bei denjenigen, die wir beliefern wollen. Mit ihnen diskutieren wir über Preisspannen oder über den Zeitpunkt, an dem der Import beginnen kann. Dann starten wir in der ersten Phase mit einem kleinen bis mittleren kommerziellen Pilotprojekt – das heißt, wir produzieren 100.000 bis 200.000 Tonnen grünen Wasserstoff. Mithilfe dieser Menge wird die Lieferkette aufgebaut, die ab 2027 weiter ausgebaut wird. Die Infrastruktur für dieses ­Upscaling – zum Beispiel in Form von Schiffslinien, die für Export und Import eingerichtet werden müssen – soll als Investition europäischer Partner wie Deutschland gemeinsam mit Oman geschaffen werden. Das geschieht dann in der zweiten Phase, sobald die Liefer­kette auf ihre Beständigkeit überprüft ist und erste Projekte laufen.

Also hat der Hafen von Sohar eine Vorreiterposition in der Wasserstoffstrategie Omans im Vergleich zu den anderen Häfen und Salalah, wo ja auch Wasserstoffprojekte entstehen?

Ja, denn hier gibt es die erwähnten Grundvoraussetzungen, die, etwa in Duqm, gerade erst entstehen. Das verschafft uns einen Vorsprung innerhalb der Region. Nehmen Sie das Beispiel Jindal Shadeed: Das indische Stahlwerk in Sohar bewegt sich in Richtung grüne Stahlproduktion und startet in Sohar mit einem Projekt, bei dem anfallendes Kohlendioxid aufgefangen wird, um es danach dauerhaft zu lagern (Carbon Capture and Storage, CCS). Das Jindal-Stahlwerk in Duqm, wo große Mengen an Wasserstoff für die Stahlproduktion verwendet werden sollen, wird gerade erst in Zusammenarbeit mit Sohar unter dem Namen „Vulcan Green Steel“ aufgebaut.

Ein weiterer Vorteil des Hafens von Sohar: Wir werden Schiffe künftig dank LNG-Bunkering mit verflüssigtem Erdgas betanken – dadurch sind sie sauberer unterwegs als mit Diesel. Ein entsprechendes Joint Venture zwischen ­Total Energies und OQ, ehemals Oman Oil Company, der omanischen Energieinvestitionsgesellschaft, ist unterzeichnet. 2028 soll der Auftrag folgen. Das ist das erste Projekt dieser Art im Mittleren Osten – und wir wollen in der Folge mit H2-Bunkering beginnen, sobald Schiffe damit fahren können.

Schlussendlich werden die Grundlagen im Land dafür geschaffen, saubere Produkte wie grünen Stahl günstig herzustellen – das heißt also, wir werden zum Beispiel Polysilicon für Photovoltaikanlagen im Oman selbst produzieren und nicht aus China importieren. Auch dafür brauchen wir Partner in Deutschland.

„Wir schaffen die Grundlagen, saubere Produkte wie grünen Stahl günstig herzu­stellen – das heißt also, wir werden zum Beispiel Polysilicon für Photovoltaik­anlagen im Oman selbst produzieren.“

Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Oman und Deutschland weitergehen?

Ich sehe eine Reihe von Verbindungen zwischen Oman und Deutschland. Beide Staaten verfolgen ernsthaft das Ziel der kohlendioxidfreien Produktion. Ein Industriestaat wie Deutschland kann ein Land wie Oman, das so sehr auf die Energieproduktion angewiesen ist, mit Expertise unterstützen. Und Oman kann Deutschland dabei unterstützen, kohlen­dioxidfrei zu produzieren, um die Wettbewerbsfähigkeit mit ­Hilfe erneuerbarer Energie und entsprechend hergestellter Produkte zu erhalten. Die dafür notwendigen Kapazitäten können nicht innerhalb Deutschlands aufgebaut werden.

Oman und Deutschland teilen meiner Meinung nach Einiges: Die Gesellschaft führt in beiden Staaten einen transparenten und offenen Dialog. Hinzu kommt, dass Oman in der aktuellen Situation am Golf seine Neutralität wahrt. Darüber hinaus liegt das Land näher an Deutschland als Südafrika oder Namibia – und hier gibt es die industrielle Infrastruktur, die dort noch aufgebaut werden muss.

Ich sehe Oman als „Early Mover“. Das wird die Zeit verkürzen, innerhalb derer die erneuerbaren Energien verfügbar werden, und sich auch auf den Preis auswirken. Denn wir müssen schnell agieren, um das 1,5-Grad-Ziel für die Erderwärmung nicht zu verfehlen. Dafür sind starke Partnerschaften unabdingbar, denn weder Oman noch Deutschland kann es allein schaffen. Wir brauchen Innovatoren, Produzenten, gemeinsame Investitionen und neue Handelskorridore.

Wie kommt es, dass Sie sich mit dem Thema nachhaltig produzierte Energie beschäftigen – in Zeiten, in denen die OPEC weiterhin auf eine Expansion des Ölmarkts setzt?

Nachhaltige Entwicklungen im Hinblick auf Energiegewinnung sind schon seit vielen Jahren mein Thema. Erst im Öl- und Gassektor in enger Abstimmung mit der omanischen Regierung, dann setzte ich diese Arbeit drei Jahre lang als Repräsentant des Sultanats bei der Internationalen Energieagentur (IEA) fort – in Kooperation mit IRENA, der International Renewable Energy Agency. Hier ging es um Investitionen in nachhaltige Entwicklungen, sowohl auf der Seite der Energieproduzenten wie Oman als auch auf der Seite der Abnehmer, also von Ländern Europas, namentlich Deutschland. Energie stellt für beide Seiten einen wesentlichen Wirtschaftsfaktor dar, sie muss nachhaltig verfügbar sein, um Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.

Aus meiner Sicht ist es notwendig, sich vorausschauend, zukunfts- und partnerschaftsorientiert mit erneuerbaren Energien zu befassen – auch in Zeiten, in denen wir immer noch günstig Gas und Energie aus fossilen Stoffen produzieren. Es reicht nicht, Kohlendioxid aufzufangen. Das ist nur ein erster Schritt. Wir brauchen neue Energien, um zum Beispiel Industrieanlagen rund um die Uhr damit zu versorgen. Alle reden darüber, ich möchte mich um die konkrete Umsetzung kümmern. Das geht aus meiner Sicht nur im kontinuierlichen Dialog mit Partnern. Deshalb ist der Hafen von Sohar jetzt auch Partner der Alliance for Industry Decarbonization (AFID) geworden, um neue Technologien zu diskutieren. 

Port of Sohar

Über Abdullah Al-Abri

Dr. Abdullah Sulaiman Al-Abri ist seit Mai 2024 Vizepräsident für Nachhaltigkeit bei Sohar Port and Freezone. Der promovierte Ingenieur aus der Erdöl-Branche vertrat Oman bei internationalen Organisationen wie der Internationalen Energieagentur (IEA) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Zuvor war er unter anderem Direktor für Energieerneuerung bei Petroleum Development Oman (PDO) und Berater bei der IEA.

Al-Abri hat mit seiner Expertise
die Förderung der Wasserstoffwirtschaft in Oman und die Entwicklung von Strategien
zur Energiewende in erdölproduzierenden Ländern geprägt.

Über den Hafen von Sohar

Der Industriehafen Sohar liegt im Nordosten von Oman. Am Industriestandort Sohar ist insbesondere die Petrochemie stark aufgestellt. In Zukunft soll von dort Wasserstoff nach Europa und damit auch nach Deutschland exportiert werden. Seit 20 Jahren gehören sowohl der Hafen von Sohar als auch die Fläche des Industrieclusters zu jeweils 50 Prozent der omanischen Regierung und dem Hafen Rotterdam. Laut OECD-Angaben schlagen Hafen und Cluster 60 Mio. Tonnen Güter jährlich um. Seine Ursprünge reichen unter dem Namen „Majan“ ins dritte Jahrhundert nach Christus zurück. Damals segelten die Omaner von dort aus nach China.

Die Lage und der Industriestandort könnten Sohar einen Vorteil bei für künftigen Wasserstoffexporten bringen. Omans größter Hafen Salaleh im Süden ist vor allem auf Stückgut- und Containertransport ausgerichtet. Auch der relativ neue Hafen in Duqm liegt weiter im Süden des Landes.

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