HZwei: Herr Crema, wie wichtig ist das FP10 für die Wasserstoffforschung und die Wasserstoffwirtschaft in Europa?
Luigi Crema: Wir befinden uns in einer sehr kritischen Phase. Wasserstoff entwickelt sich weltweit zu einem der Energieträger der Zukunft, und es wird viel Wettbewerb geben. Bisher hat Europa mehr investiert als andere Länder, und wir haben eine starke Position mit viel Know-how in diesem Sektor. Die europäischen Universitäten sind gut aufgestellt. Der „Draghi-Bericht“ von 2024 hebt die Bedeutung von Wasserstoff für den Erhalt der technologischen Führungsrolle Europas hervor. Aber derzeit ist unklar, welche Art von Unterstützung Wasserstofftechnologien erwarten können. Im Idealfall können wir kooperieren und ein neues Gemeinsames Unternehmen mit gemeinsam vereinbarten Prioritäten aufbauen. Darum geht es bei dieser Veranstaltung. Wenn das nicht gelingt, könnte Europa im globalen Wettbewerb zurückfallen. Das hätte ernsthafte Folgen sowohl für die Universitäten als auch für die Industrie. Wir haben das bereits bei der Photovoltaik und der Batterietechnologie erlebt. Europa war in der Anfangsphase gut positioniert, aber als der Markt zu wachsen begann, fehlte uns eine Strategie, um mitzuhalten.
Was muss die Europäische Kommission jetzt tun?
Wir brauchen einen integrierten Ansatz, um den europäischen Markt und seine Kompetenzen zu sichern. Ein Weg dahin ist ein gemeinsames Programm, das Forschung und Innovation, Industrialisierung und die frühe Marktentwicklung umfasst. Demonstrationsprojekte im kleinen und großen Maßstab sowie industrielle Marktinitiativen müssen mit den politischen Maßnahmen der EU und ihrer Mitgliedstaaten abgestimmt werden. Wenn europäische Unternehmen stark investieren, um ihre Produktion hochzufahren, brauchen sie einen Markt, in dem ihre Produkte verkauft und in den sie integriert werden können.
Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass öffentliche Investitionen in den Aufbau eines Wasserstoffmarkts in Europa auch tatsächlich europäischen Unternehmen zugutekommen. Die Europäische Wasserstoffbank (European Hydrogen Bank) hat beispielsweise zunächst gefordert, dass mindestens 75 Prozent der Elektrolysestapel aus Europa stammen müssen. Wir würden es sehr begrüßen, diese Schwelle sogar noch zu erhöhen. Die Europäische Kommission sollte verbindlichere strukturelle Anforderungen für einen Mindestanteil europäischer Technologien einführen. Das würde Investitionen nach Europa lenken. Heute bieten chinesische Elektrolyseure bereits die niedrigsten Kosten. Wenn wir öffentliche Gelder immer in die günstigsten Komponenten investieren, verschaffen wir China einen weiteren Vorteil. Sie haben ihre Produktionskosten bereits durch umfangreiche staatliche Unterstützung gesenkt – das sollten wir auch für europäische Unternehmen tun.
Darüber hinaus dürfen wir Forschung nicht als linearen Prozess betrachten, der endet, sobald ein Markt etabliert ist. Wir müssen kontinuierlich die Kosten senken und Technologien der nächsten Generation entwickeln, um auch in fünf bis zehn Jahren wettbewerbsfähig zu bleiben.
Was ist das Ziel Ihrer Veranstaltung im Hinblick auf das FP10?
Zunächst hoffen wir, dass die Europäische Kommission nach dem Austausch mit dem Wasserstoff- und Forschungssektor die Bedeutung der Wasserstoffforschung und der Wasserstoffwirtschaft erkennt. Dies muss bei der Aufstellung des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) und des FP10 berücksichtigt werden.
Möglicherweise fällt dies sogar unter einen Europäischen Wettbewerbsfonds (European Competitiveness Fund, ECF), mit dem die Kommission verschiedene strategische Programme – darunter auch das FP10 – bündeln möchte.
Noch ist nichts sicher, aber wir befürchten, dass weniger Mittel zur Verfügung stehen könnten, was die Forschungsförderung noch wettbewerbsintensiver machen würde. Wir wollen deutlich machen, dass die EU die Mittel für Forschung und Innovation nicht kürzen sollte. Wir möchten auch die strategische Bedeutung bestimmter Sektoren für Europa hervorheben – mit einem Mehrwert gegenüber anderen Bereichen, die im Hinblick auf globale Wettbewerbsfähigkeit und Wirkung weniger relevant sind.
Wir sind überzeugt, dass der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft durch starke Unterstützung von Forschung und Innovation Europa großen Nutzen bringen wird – und dass dies zu den besten Entscheidungen für Europa führen wird.
Über Luigi Crema
Der Physiker Luigi Crema ist Direktor des Sustainable Energy Center der Fondazione Bruno Kessler in Trient, Italien. Zudem ist er Präsident von Hydrogen Europe Research, einem führenden Forschungsverband im europäischen Wasserstoffsektor, der mehr als 150 Forschungseinrichtungen vertritt. In dieser Funktion ist er auch aktiv an der Gestaltung der Clean Hydrogen Partnership beteiligt.
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