Die Erzeugung und der Einsatz von Wasserstoff in der Energiewende sind eng mit der flexiblen PEM-Technologie (Protone Exchange Membrane) verbunden. Sowohl Brennstoffzellen als auch Elektrolyseure arbeiten bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen und Drücken und können daher gut auf Lastwechsel reagieren.
Die Stacks von PEM-Elektrolyseuren und Brennstoffzellen benötigen allerdings knappe und teure Rohstoffe. Ihr wirtschaftlicher Wert wird erst bei genauer Analyse der Rohstoffkomponenten offensichtlich. Die Catalyst Coated Membrane (CCM) steht dabei doppelt im Fokus, denn sie besteht aus einem mit Edelmetall beschichteten sogenannten Ionomer. Dabei ist einerseits das Edelmetall selbst teuer, sondern auch die Herstellung des Ionomers.
Iridium: Hoher Bedarf, geringe Verfügbarkeit
Ein besonders kritisches Material für die PEM-Technologie ist Iridium. Es ist nicht nur wertvoll, sondern in der Erdkruste tatsächlich auch seltener als Gold oder Platin. Dennoch lohnt sich die Förderung von Iridium alleine nicht, sodass es praktisch nur als Nebenprodukt des Platinabbaus aus dem Boden geholt wird. Die Mengen liegen laut dem Nationalen Wasserstoffrat jährlich bei etwa 8 bis 9 Tonnen. Mit einer Steigerung der Förderung rechnen Fachleute nicht. Etwa 25 Prozent des in der Industrie verwendeten Iridiums werden bisher recycelt, schätzt der Nationale Wasserstoffrat. Die Iridium-Situation unterscheidet sich damit grundsätzlich von der vermeintlichen Lithium-Knappheit, die sich Anfang der 2020er im aufkommenden Batteriemarkt zeigte und sich mittlerweile in eine Lithiumschwemme verwandelt hat.
Der Hydrogen Council erfasste 2022 eine weltweit angekündigte Elektrolyseurkapazität von 175 Gigawatt bis 2030. Fachleute schätzen, dass rund 40 % davon mit PEM-Technologie umgesetzt werden sollen. Dies würde mit heutigen Technologien einen jährlichen Bedarf von etwa 28 Tonnen Iridium bedeuten.
Helfen sollen vor allem technologische Innovationen. Der Edelmetallspezialist Heraeus setzt auf Katalysatoren, die mit deutlich weniger Iridium auskommen. Von bis zu 85 Prozent Einsparung ist die Rede. Sie würden die jährlich benötigte Menge Iridium bis 2030 auf sieben Tonnen senken. Sparsame Verwendung und Recycling müssen also Hand in Hand gehen.
Recycling wertvoller Materialien senkt Kosten
Neben der Verfügbarkeit der Rohstoffe spielt der Wert der Edelmetalle eine große Rolle. , Sie machen einen erheblichen Anteil an den Investitionskosten (CapEx) aus. Ihre Rückgewinnung senkt daher die Total Cost of Ownership, da sie die Ressourcen für die Versorgung zukünftiger Anlagen erneut nutzbar machen. Außerdem ist der CO2-Fußabdruck von recyceltem Edelmetall bis zu 98 Prozent niedriger im Vergleich zu Primärmaterialien. [2].
Auch das Recycling von Nicht-Edelmetall-Komponenten wie zum Beispiel Titan, Stahl oder Aluminium trägt zur Reduktion des Total Cost of Ownership bei, wenngleich der Materialwert dabei geringer ist. Ein höherer Wert entstünde, wenn es gelänge, sie direkt wiederzuverwenden. Dabei sind aber noch viele Fragen offen.
Wie schafft man eine Struktur für das Recycling in der Wasserstoff-Branche?
Um eine nachhaltige und effiziente Wasserstoffwirtschaft zu etablieren, braucht es effiziente und wirtschaftlich tragfähige Strukturen und Prozesse. Grundsätzlich lässt sich die Recycling-Wertschöpfungskette in vier große Bereiche aufteilen: Rückführungsstruktur, Aufarbeitung & Vorbehandlung, Recycling und Refining sowie Wiederverwertung. Erst wenn alle vier Teile der Wertschöpfungskette konzipiert, organisiert und implementiert sind, greifen die Vorteile der Kreislaufwirtschaft.
1. Schritt: Rückführungsstruktur

Die Rückführungsstruktur umfasst die Prozesse und Infrastrukturen, die erforderlich sind, um Elektrolyseure und Brennstoffzellen am Ende ihrer Lebensdauer zurückzuführen. Also Sammlung, Logistik und auch das Tracking der Materialien. Wesentlich ist es, ein klares Konzept zu entwickeln, bevor die Materialien in Umlauf geraten. Hat man sie erst einmal aus den Augen verloren, wird es schwer, für eine flächendeckende Rückführung zu sorgen.
Anstehende Herausforderungen: Ein zentrales Problem hierbei ist die Unsicherheit darüber, wie sich die Recycling-Infrastruktur in Zukunft entwickeln wird. Wer soll für die Rückführung zuständig und verantwortlich sein? Der Hersteller? Der Betreiber? Der Recycler? Will man den Zeitpunkt für eine rechtzeitige Regelung nicht verpassen, braucht es eine enge Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette und unterstützende regulatorische Vorgaben.
2. Schritt: Aufarbeitung und Vorbehandlung

Sind die Stacks erfolgreich eingesammelt, geht es darum, sie aufzuarbeiten und die Materialströme vorzubehandeln. Das ist unverzichtbar, weil sich eine gute Ausbeute für die Materialien nur erreichen lässt, wenn sie vor dem Recycling möglichst homogen vorliegen.
Wissenschaft und Industrie suchen noch nach der besten Methode für die effiziente und skalierbare Auftrennung der Materialien. Eine Möglichkeit ist die Demontage. Dabei wird der Stack auseinandergebaut und in Komponenten zerlegt. Für wesentliche Komponenten gibt es bereits etablierte Verfahren. Die MEA (Membrane Electrode Assembly) beispielsweise wird in bestehenden Recycling- und Refining-Prozessen bei Heraeus Precious Metals schon seit mehr als zehn Jahren verarbeitet.
Diese Vorgehensweise ist aber mit hohem Verfahrensaufwand verbunden und hinsichtlich der Skaleneffekte begrenzt. Verfahren zur automatisierten oder teilautomatisierten Demontage könnten das ändern. Sie finden bereits in größerem Umfang bei Traktionsbatterien aus Elektrofahrzeugen Anwendung.

Gerade in Bezug auf Brennstoffzellen besteht auch die Option, sie mit industriellen Schredderanlagen im Ganzen zu zerkleinern. Der Nachteil: Dieses Materialgemisch muss dann im Anschluss in Separations- und Sortierungsprozessen getrennt werden, wobei es vieles zu beachten gilt. Die mit Abstand wertvollsten Anteile sind die für das Edelmetallrecycling bestimmten Fragmente. Bei diesen sollten beim Trennen und Sortieren bestimmte Störstoffe entfernt werden, die eine aufwändigere Behandlung oder schlechte Ausbeuten nach sich ziehen würden. Aus Sicht von Heraeus kommen die Vorbehandlung und die späteren Recyclingschritte daher idealerweise aus einer Hand.
Anstehende Herausforderungen: Eine große Herausforderung stellen die verschiedenen Bauweisen der Stacks dar, besonders im Hinblick auf die Automatisierung. Eine Einigung auf Standards und eine Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus inklusive Recycling beim Design würden maßgeblich zur Lösung beitragen. Eine Verschraubung ist zum Beispiel leichter zu lösen als eine Klebefläche oder eine Schweißnaht. Hersteller, Politik und Verbände sollten sich mit diesem Thema auseinandersetzen.
Zudem gehen die verschiedenen Komponenten in ganz verschiedene Weiterverarbeitungsströme mit ganz verschiedenen Anforderungen. Bei Edelmetallen und Membranen werden (Roh-)Stoffe wiedergewonnen, bei anderen Komponenten wie Bipolarplatten steht eine mögliche Wiederverwendung der Komponente selbst im Raum. Ein solches funktionelles Recycling geht über den Materialwert weit hinaus. Dabei ist derzeit noch nicht klar, was möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist. Damit fehlen auch Anforderungen für die Wiederverwendung, die dazu dienen könnten, die Demontageprozesse so anzupassen, dass die Bauteile nicht beschädigt werden und die Wiederverwendung realistisch bleibt.
3. Schritt: Recycling und Refining

Für Edelmetalle gibt es seit Dekaden gut etablierte Verfahren, um das wertvolle Material wiederzugewinnen. Dabei wird das Material zunächst thermisch behandelt, um nicht-metallische Rückstände und den Wasseranteil zu entfernen. Danach wird das Material sorgfältig homogenisiert und vor der Weiterverarbeitung eine repräsentative Probe zur Analyse des Materials gezogen. Dieses so genannte Sample dient dazu, den Edelmetallgehalt des Materials analytisch zu bestimmen, und ist die Grundlage für die Berechnung der Edelmetallmenge, die vergütet wird. In der Hydrometallurgie und im Refining wird dann das Edelmetall wiedergewonnen und hochrein aufbereitet.

Anstehende Herausforderungen: Materialien aus der Wasserstoffwirtschaft gehören zu den anspruchsvolleren Materialien im Edelmetallrecycling. Zum einen ist Iridium selbst chemisch herausfordernd. Zum anderen enthält die Membran Flour, das im Prozess in die Abgase gelangt und aus diesen wieder sicher entfernt werden muss. Edelmetallspezialist Heraeus Precious Metals ist nach eigenen Angaben eines der wenigen Unternehmen, die diese Materialströme effizient für ihre Kunden prozessieren können. Es verarbeitet seit Jahren Iridium im Tonnenmaßstab und hat in die notwendigen Anlagen für die Wasserstoffwirtschaft investiert.
Besondere Verfahren für besondere Materialien: Für die Ionomer-Membran besteht noch eine andere Möglichkeit. Ionomere sind spezielle Fluorpolymere, die aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften maßgeblich zur Funktionalität von Brennstoffzellen und PEM-Elektrolyseuren beitragen. Sie sind aufwändig in der Herstellung und darum teuer. Zudem gehören sie zu den Per- und polyflourierten Chemikalien (PFAS), deren Regulierung in den Fokus von EU-Vorschriften gerückt ist. Verstärkt wird deshalb nach Lösungen gesucht, sie wiederzuverwenden. Dazu wird daran gearbeitet, die Ionomere chemisch von den Edelmetallen zu trennen und separat zu verarbeiten.
Um Kreisläufe für so anspruchsvolle Materialien wie Fluorpolymere zu entwickeln, ist die Zusammenarbeit von Herstellern, Anwendern und Verwertern notwendig, wie zum Beispiel im Förderprojekt H2Circ des US-Energieministeriums: In einem Konsortium arbeiten hierbei Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette an der Rückgewinnung von Materialien, insbesondere von Ionomeren. [3]
4. Schritt: Wiederverwertung

Nach abgeschlossener Wiedergewinnung ist das Material für den erneuten Einsatz bereit. Bei Edelmetallen ist das kein Problem, da das Recycling nach international zertifizierten Standards hochreine Materialen liefert, die sich in ihren Eigenschaften nicht vom primären Material unterscheiden. Für das Ionomer gibt es im Gegensatz dazu bisher weder etablierte Recyclingverfahren noch definierte Anforderungen an das Recyclat. Anders als bei Edelmetallen unterscheidet sich das recycelte Material hier von dem aus der primären Herstellung. Es braucht also nicht nur die Entwicklung der Verfahren zur Wiedergewinnung, sondern auch Anwendungen und Märkte zur Abnahme.
Ähnlich wie bei der funktionellen Wiederverwendung von Komponenten steht das Ökosystem hier vor einem Henne-Ei-Problem: Bevor die Anforderungen für eine Verwendung des recycelten Stoffes nicht geklärt sind, können die Verfahren zum Recycling nicht sinnvoll entwickelt werden, auch in Hinblick auf ein mögliches Business-Modell. Denn nur wenn klar ist, welchen Wert der Output hat, kann berechnet werden, ob sich die Kosten des Verfahrens lohnen werden.
Weichen für Recycling von PEM-Brennstoffzellen und Elektrolyseuren jetzt stellen
Das Hanauer Edelmetallunternehmen Heraeus Precious Metals setzt in diesem Henne-Ei-Dilemma auf Kooperation. Beispielsweise arbeitet das Unternehmen mit Herstellern von Fluoropolymeren zusammen, um geschlossene Kreisläufe für Ionomere zu etablieren. Mit seinen Kunden beginnt Heraeus bereits in einer frühen Entwicklungsphase mit der Betrachtung der Wertschöpfungskette inklusive Recycling. Auch in öffentlichen Projekten wie dem genannten Forschungsprojekt des Department of Energy wird daran gearbeitet, ganzheitliche Lösungen zu entwickeln.
Auch wenn das Recycling von Brennstoffzellen und Elektrolyseuren derzeit noch in einem überschaubaren Rahmen stattfindet, ist seine Bedeutung für den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft und die Förderung einer Kreislaufwirtschaft nicht zu unterschätzen. Experten erwarten bis zum Ende dieser Dekade signifikante Edelmetallmengen aus der Wasserstoffwirtschaft. Dieses Zeitfenster gilt es jetzt zu nutzen, um in allen Teilen der Wertschöpfungskette übergreifend effiziente Prozesse zu entwickeln und entsprechende Recyclingkapazitäten aufzubauen.
Dieser Text erschien zuerst als Gastbeitrag in der HZwei 1/2025. Er wurde für die Online-Veröffentlichung angepasst.