Die Europäische Union hat im ersten Quartal 2022 eine Strategie zur Senkung der Wasserstoffkosten auf den Weg gebracht. Fokus sind die Ausweitung der Produktion von erneuerbarem Wasserstoff, der Aufbau von Partnerschaften und die Unterstützung von Pilotprojekten. Ein Teil der Strategie zielt darauf ab, die Wasserstoffgestehungskosten (WGK) zu senken, insbesondere für die Produktion durch Wasserelektrolyse mit erneuerbarer Energie. Auf Englisch spricht man von Levelised Costs of Hydrogen (LCOH) – eine Abkürzung, die sich bei schnellem Lesen leicht mit Liquid Organic Hydrogen Carrier (LOHC) verwechseln lässt.
Wasserstoffgestehungskosten – was ist drin? Die Wasserstoffgestehungskosten sind eine wichtige Kennzahl für die Bewertung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit von Wasserstoffproduktionswegen. Dieser Wert umfasst die mit der Wasserstofferzeugung verbundenen Gesamtkosten, das heißt die Investitionsausgaben, die Betriebskosten und die Stromkosten, die alle auf die Gesamtmenge des während der Projektlaufzeit erzeugten Wasserstoffs bezogen werden. Nicht enthalten sind in den WGK also Handelsmargen und Transport.
Nur wenn Investoren, politische Entscheidungsträger und Branchenvertreter Wissen über die Wasserstoffgestehungskosten haben, können sie fundierte Entscheidungen über den Einsatz grüner Wasserstofftechnologien und -infrastrukturen treffen. Sie ermöglichen direkte Kostenvergleiche zwischen verschiedenen Methoden der Wasserstofferzeugung, wie zum Beispiel der Elektrolyse mit Solar- oder Windkraftanlagen, und erleichtern die Ermittlung von Möglichkeiten der Kostensenkung. Darüber hinaus bieten die Wasserstoffgestehungskosten einen Maßstab für die Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit von grünem Wasserstoff im Vergleich zu anderen Energieträgern und Kraftstoffen, einschließlich fossiler Wasserstoffproduktionsverfahren.
Insbesondere die Bereiche, in denen Wasserstoff ein hohes Potenzial zur Dekarbonisierung hat, sind sehr kostensensibel. Das sind zum Beispiel die Schwerindustrie (inklusive Stahlerzeugung), das Transportwesen (insbesondere Langstreckenfracht, Schifffahrt und Luftfahrt), Herstellung von Ammoniak und Düngemitteln, die Energiespeicherung sowie Raffinerien und die Chemieindustrie (Ersatz von fossilem Wasserstoff).
Sechs Schlüsselfaktoren Die wichtigsten Einflussfaktoren auf die WGK sind: 1) der Strompreis, da sie den größten Anteil an den Betriebskosten ausmachen, 2) die Kapitalkosten (CAPEX) inklusive BOP (Balance of Plant), 3) die laufenden Betriebskosten (OPEX) wie Wartung und Wasser beeinflussen die Wirtschaftlichkeit, 4) eine höhere Elektrolyseur-Effizienz reduziert den Strombedarf pro Kilogramm Wasserstoff, 5) mehr Betriebsstunden senken die spezifischen Produktionskosten und 6) eine kostengünstige Finanzierung (zum Beispiel durch Fördermittel) reduziert die jährlichen Kapitalkosten und damit die LCOH deutlich.
Stromkosten: Strom ist in der Regel die größte Kostenkomponente bei der Wasserelektrolyse. Die WGK sinken beträchtlich, wenn der Strom aus kostengünstigen erneuerbaren Energien (zum Beispiel Sonne, Wind und so weiter) stammt.
CAPEX (Kapitalkosten): Auch die Investitionskosten im Zusammenhang mit der Anschaffung von Anlagen sind erheblich. Dabei müssen neben den Kernkomponenten wie Elektrolyseuren, Kompressoren, Speichern und der Infrastruktur für die Wasserstofferzeugung auch Wasseraufbereitungsanlagen sowie die Anlagen für die Gesamtbilanzierung berücksichtigt werden (BOP: Wasserstoffreinigungs-, Trockner-, Kühlungs-, Desoxidations- und Wasserentionisierungsanlagen). In den Kapitalkosten sind die gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten (WACC) enthalten, die typischerweise den Zinssatz, Inflationserwartungen und das Investitionsrisiko umfassen; ein höherer Satz dieser Kapitalkosten erhöht die jährlich umgelegten Investitionskosten und führt somit zu einem Anstieg der WGK.
OPEX (Betriebskosten): Hierzu zählen Kosten im Zusammenhang mit dem Betrieb und der Wartung der Anlage, ebenso wie Wasserverbrauch und der Kauf oder die Miete von Grundstücken. Eigentlich fallen auch die Stromkosten unter Betriebskosten, aber aufgrund ihrer großen Bedeutung werden sie gesondert betrachtet.
Elektrolyseur-Effizienz und -Typ: Technologien wie PEM, AEM und SOEC unterscheiden sich in Leistung und Kosten. Ein höherer Wirkungsgrad reduziert die spezifischen Stromkosten.
Auslastungsrate: Anlagen, die mehr Betriebsstunden pro Jahr leisten, erzielen eine bessere Kapitalkostenamortisation.
Politische Anreize: Steuervergünstigungen und andere Förderungen können die Wirtschaftlichkeit von erneuerbarem Wasserstoff erheblich verbessern.
WGK selbst abschätzen Die untenstehende Gleichung eignet sich zur Schätzung der WGK in €/kg:

Die Gleichung berücksichtigt annualisierte Investitionskosten (CAPEX). Die Anfangsinvestitionen werden dafür über die kalkulierte Anlagenlaufzeit verteilt. In der Regel werden diese nicht vollständig vom Investor am Anfang aufgebracht, sondern es ist ein Kredit mit Tilgung und Zinsen zu bedienen. Für diese erst im Projektverlauf anfallenden Kostenkomponenten werden die gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten berücksichtigt, um den Zeitwert des Geldes angemessen darzustellen.
In die WGK-Berechnung fließen Förderungen und Anreize ein, indem sie entweder die CAPEX (zum Beispiel durch Investitionszuschüsse) oder die OPEX (zum Beispiel durch reduzierte Strompreise oder Netzentgelte) senken. So sinken die jährlich umgelegten Kosten und somit die WGK, was die Wirtschaftlichkeit von Wasserstoffprojekten erheblich verbessern kann. Der WGK liefert wertvolle Informationen über den durchschnittlichen Preis, zu dem Wasserstoff verkauft werden muss, um die finanzielle Tragfähigkeit zu gewährleisten.
Kostenfaktor Nr. 1: Strom Die geschätzten Produktionskosten für erneuerbaren Wasserstoff im Jahr 2024 lagen in europäischen Ländern wie Deutschland, Griechenland und Polen in einer Spanne von 6,0 bis 14,2 €/kg, was den erheblichen Einfluss der Kosten für erneuerbare Energien, die Kapitalkosten und die Lebensdauer der eingesetzten Elektrolyseurtechnologie widerspiegelt. Die Analysten von Ernst & Young erwarten laut ihrem „European Hydrogen Index 2025“ dass die WGK im Jahr 2030 unter 3 €/kg liegen werden, wenn die Strompreise unter 50 €/MWh fallen. Für viele europäische Länder, in denen die Stromkosten derzeit eine steigende Tendenz aufweisen, bleibt dies jedoch eine Herausforderung.
Kostenfaktor Nr. 2: Elektrolyseur Nach den Stromkosten sind in der Regel der zweite Hauptkostentreiber für die Erzeugung von grünem Wasserstoff die Anschaffungskosten des Elektrolyseurs. Obwohl AEM- und PEM-Elektrolyseure eine hohe technologische Reife erreicht haben, spielen sie eine Schlüsselrolle bei den Investitions- und Betriebskosten. Die International Renewable Energy Agency (Irena) hat jedoch vorausgesagt, dass ihre Kosten bis 2050 um 80 % sinken werden.
Wie senkt man die Kosten? Um das Ziel von 3 €/kg zu erreichen, muss eine Kombination von Strategien angewandt werden. Besonders wichtig sind:
• Skalierung der Herstellung: eine größere Produktion von Elektrolyseuren kann die Investitionskosten senken
• innovative Technologien: verbesserte Katalysatoren, Membranen und Systemdesigns können die Effizienz steigern und die Kosten senken
• Förderung: fortgesetzte staatliche Unterstützung durch Steuervergünstigungen, Zuschüsse und öffentlich-private Partnerschaften sind entscheidend
• Geeignete Standorte: die Zusammenlegung von Elektrolyseuren mit erneuerbaren Energiequellen minimiert die Übertragungs- und Netzkosten.
Die Nutzung direkt angeschlossener PV- und Windparks könnte einen Pooling-Effekt bei der Stromversorgung und damit niedrigere WGK bewirken. Eine gepoolte Anlage könnte für die Balance of Plant mit weniger elektrischen Komponenten auskommen, wodurch die Gesamtkosten des Systems gesenkt werden, wie ein Vergleich von On- und Offgrid-Anlagen in Schweden zeigt. Es sind jedoch weitere Forschungsarbeiten erforderlich, um die Auswirkungen schwankender Stromlastprofile auf die Leistung und den Lebenszyklus von Elektrolyseuren zu bewerten und zu analysieren, wenn sie ausschließlich mit direkt angeschlossenen PV-Anlagen und Windturbinen betrieben werden.
Tool von MR Plan berücksichtigt „weiche“ Kosten Obwohl Forschungs- und Entwicklungs-Initiativen darauf abzielen, die CAPEX und OPEX der Hauptanlagen zu senken, um die kommerzielle Umsetzung zu erleichtern, ist es wichtig, die so genannten „indirekten Kosten“ zu berücksichtigen. Indirekte Kosten inkludieren unter anderem die Vorbereitung des Standorts (bauliche Infrastruktur, Medien und elektrische Anschlüsse), Genehmigungen, Inbetriebnahme und Transport. Diese Ausgaben könnten im Vergleich zu den Kapitalkosten gleichwertig sein.
Indirekte Kosten gewinnen bei Finanzanalysen für die nachhaltige Wasserstoffproduktion zunehmend an Bedeutung, zeigt eine Studie des Department of Energy der USA. Analysetools, wie das von MR Plan entwickelte WGK-Excel-Tool, ermöglichen eine umfassende wirtschaftliche Bewertung verschiedener Elektrolyseurtechnologien auf Basis zuverlässiger und aktueller Referenzen. Eine integrierte Datenbank erlaubt Nutzerinnen und Nutzern die gezielte Auswahl von Elektrolyseurtypen und Hauptkomponenten entsprechend ihren Anforderungen. Systemgrößen, Hilfsausrüstungen (wie Kompressoren, Mittel- und Hochdruckspeicher, Transformatoren) sowie Infrastrukturkosten (zum Beispiel Genehmigungen, Integration und EPC) und potenzielle Einnahmen aus dem Verkauf von Wärme und Sauerstoff werden ebenfalls in die Berechnung einbezogen.
Darüber hinaus können mit dem Tool unterschiedliche Projektszenarien – mit oder ohne Förderung – simuliert werden. Auch die Einbindung zusätzlicher Komponenten wie Batteriespeicher ist möglich. Die Ergebnisse werden übersichtlich in einem Wasserfalldiagramm dargestellt, das den Einfluss der einzelnen Kostenfaktoren auf den Wasserstoffpreis visualisiert und eine bedarfsgerechte Anpassung durch die Nutzerinnen oder Nutzer unterstützt.
Daher wird die Einbeziehung der weichen Kosten aus vergangenen und laufenden Installationen das allgemeine Verständnis der Wirtschaftlichkeit der Elektrolyse verbessern und potenzielle Hindernisse für die Einführung identifizieren.
Wertbeitrag von Planungs- und Ingenieurbüros zur Reduzierung der WGK Ein spezialisiertes Planungs- oder Ingenieurbüro kann wertvolle Unterstützung leisten, indem es geeignete Standorte mit optimalen erneuerbaren Ressourcen und ausreichender Wasserverfügbarkeit identifiziert, detaillierte Finanzmodelle, Szenarioanalysen und Risikobewertungen erstellt, die passende Elektrolyseurtechnologie auswählt und bei der Einhaltung lokaler Vorschriften sowie der Beantragung von Genehmigungen unterstützt. Außerdem kann es die Integration von Wasserstoff in bestehende Netz-, Wasser- und Verkehrsinfrastrukturen planen und Berichte oder Pitch Decks für potenzielle Finanzierungspartner erstellen – all das trägt zur Senkung der WGK bei. Diese Dienstleistungen stellen sicher, dass die Projekte nicht nur technisch machbar, sondern auch wirtschaftlich robust und investitionsbereit sind.