Im Dezember 2023 war die Welt noch in Ordnung. Symbio, das Brennstoffzellenjointventure von Forvia, Michelin und Stellantis, weihte in Saint-Fons bei Lyon seine Gigafabrik SomphonHy ein. Bis zu 50.000 Brennstoffzellensysteme sollen dort gefertigt werden, als Teil des IPCEI-Milliardenprojektes HyMotive.
Im Juli 2025 überlegte es sich Stellantis anders, seine leichten Nutzfahrzeuge sollen lieber mit Batterien fahren. Der neu angetretene Symbio-CEO Jean-Baptiste Lucas muss retten, was zu retten ist: die noch 640 Arbeitsplätze, vertragliche Zusagen, Investitionen. Was das Produkt angeht, will Symbio sich nicht mehr mit 40-kW-Systemen aufhalten, sondern gleich auf 75 kW setzen. Die Module sind für Busse gedacht und für stationäre Anwendungen wie Datenzentren. Ab 2028 soll die nächste Generation fogen, mit 150 und 300 kW Leistung für schwere Nutzfahrzeuge.
Der Schwenk zu größeren Lasten und stationären Systemen begrenzt sich nicht auf Symbio. Die Batterie hat das Rennen bei den Pkw gemacht und arbeitet sich in höhere Leistungsklassen vor. Kombiniert mit klammer öffentlicher Haushaltslage und gekrönt von der Rückkehr der Klimawandelleugner in Politik und Wirtschaft resultiert das in einer brenzligen Situation für die Brennstoffzellenfirmen. Es ist ein harter Schlag für alle, die Geld und Mühe investiert haben, um die Technologie zu skalieren.
Kompakt, stark, effizient
Die Branche setzt ihre Hoffnung auf die Nischen, die noch nicht von der Batterietechnologie eingenommen sind: schwere Lasten, hohe Leistungen, lange Strecken, autarke Systeme mit hoher Verlässlichkeit. In diesem Bereich liegen auch die durchaus noch vorhandenen Neuheiten. Fortschritte gibt es bei der Leistungsdichte, Integrierbarkeit in die Fahrzeuge, den Kosten und der Langlebigkeit.
Beispiel Symbio. Das neue Stackpack 75 gab es bereits im Februar auf der H2&FC Expo in Tokyo zu sehen. Mit 268 L Volumen und 200 kg ist es recht leicht und kompakt (0,38 kW/kg, 0,28 kW/L), für höhere Leistungen sollen mehrere Stacks modular kombiniert werden. Der Stack sei bereit für die Serienproduktion in Frankreich, heißt es.
Ähnliche Trends beim Branchenprimus Ballard aus den USA: Sein System FCmov-XD besteht aus ein bis drei Stacks mit je 120 kW, die einen gemeinsamen DC-Ausgang haben. Laut Ballard ist die neue Brennstoffzelle die kleinste und leichteste ihrer Leistungsklasse (0,36 kW/L, 0,48 kW/kg). Die 240-kW-Variante mit ihren zwei Modulen soll gut in den Motorraum eines „Class 8“ Trucks passen – die Elefantenklasse der Lkw in den USA, die mit Anhänger etwa einem europäischen 40-Tonner entsprechen. Die Zahl der Teile sei um ein Drittel reduziert worden, die Produktionszeit um die Hälfte. Die Spitzeneffizienz liegt über 60 Prozent, dank des neuen „hot stand-by“ soll eine schnellere Beschleunigung möglich sein. Der integrierte Power Controller soll alle Vorgänge rund um das System gemeinsam steuern. Überhaupt sei die Systemarchitektur um Brennstoffzelle und Batterie kritisch für den Erfolg von Brennstoffzellenfahrzeugen, da diese 70 bis 80 Prozent der Kosten des Antriebsstrangs und 30 bis 40 Prozent der Kosten des gesamten Fahrzeugs ausmachten.
Neuigkeiten im Schwerlastbereich gibt es auch bei EKPO Fuel Cell Technologies, dem Joint Venture von Elring Klinger und OPmobility, in Form der Stackplattform NM20 auf Basis metallischer Bipolarplatten. Kaufen kann man es noch nicht, bisher sind die A-Muster ausgeliefert und im Test. Bis zu 400 kW Leistung und ein Strom bis 900 A sollen damit möglich sein und die Integration in 800-Volt-Fahrzeugplattformen ermöglichen, wie sie bei leistungsstarken Elektrofahrzeugen vorkommen. Auch Back-up-Systeme für Rechenzentren könnten Einsatzgebiete sein. Für die Entwicklung und Kommerzialisierung des NM20 gibt es bis 2027 bis zu 177 Millionen Euro Zuschüsse vom Verkehrsministerium und vom Land Baden-Württemberg, die EU gab mit der Aufnahme in das IPCEI-Programm Hy2Tech grünes Licht dafür. Die Betriebstemperatur liegt bei 95 °C (max. 105 °C), den Wirkungsgrad beziffert EKPO mit 57 Prozent bei Nennleistung. Die Schnittstelle zum Fahrzeug ist das „Medienmodul“, das weitgehend auch die Mess- und Regeltechnik zusammenfasst. Die Leistungsdichte sei um mehr als die Hälfte gestiegen.

© Symbio
Autoindustrie hält sich Optionen offen
Unter den Autokonzernen trommelt Hyundai noch lautstark für den Wasserstoff. Die Südkoreaner zeigten in Anaheim die neuste Version des XCient Fuel Cell, der laut Hersteller 2020 der erste Brennstoffzellen-Lkw in „Massenfertigung“ war. Das 180-kW-Brennstoffzellensystem hat zwei Stacks und treibt zusammen mit einem 72-kWh-Batteriepack den 350 kW starken Elektromotor an. Technische Neuigkeiten verkündet Hyundai kaum, nutzt aber PR-Chancen: Mit dem Brennstoffzellenbus „Universe“ als VIP-Shuttle für das Mammutprojekt Neom in der saudischen Wüste, bei der internationalen Ministerkonferenz Clean Energy Ministerial und dem Weltkongress der Ökonomen in Korea, wo Hyundai das erste komplette Redesign seines Brennstoffzellen-Pkw Nexo in sieben Jahren vorstellte.
Das Daimler-Volvo-Jointventure Cellentric wappnet sich hingegen für alle Szenarien. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe, Anfang September, feierte Daimler gerade den erfolgreichen Praxistest der ersten fünf Kunden mit dem Prototypen des Mercedes-Benz GenH2 Truck. Ende 2026 sollen 100 Brennstoffzellen-Lkw der nächsten Entwicklungsstufe an die Kunden gehen. Cellentric setzt wie EKPO auf einen einzelnen Stack. Das System soll bis zu 350 kW (gut 500 PS) konstante Nettoleistung liefern.
Doch kommt die Großserie wirklich? Im Dezember 2024 sicherte sich Cellentric in Weilheim-Esslingen die Option auf ein Grundstück, um dort die Produktion hochziehen zu können – wenn die EU wirklich ihre Klimavorschriften anzieht, was 2030 sein könnte, „nach heutiger Schätzung“, wie es heißt. Bis dahin wolle man „mit Augenmaß“ agieren. Managing Director Lars Johansson wechselte April zur Volvo-Gruppe.
Deutschlands bisher größter Brennstoffzellenhersteller Bosch hat die Produktion der stationären SOFC-Brennstoffzellen eingestellt, forschen will man erstmal weiter.
Ausbauen will der Konzern die PEM-Stack-Technologie – allerdings vor allem für Elektrolyseure. Auf der Hannover Messe im April zeigte Bosch einen von Fest gefertigten 2,5-MW-Elektrolyseur im Containerformat mit seinem Hybrion-Stack. Die Leistung pro Stack liegt bei 1,25 MW, die Produktion bei bis zu 23 kg H2 pro Stunde. Schon vor dem Verkaufsstart habe man Aufträge für über 100 MW für Stacks gehabt, die ersten Kundenanlagen sollen noch dieses Jahr in Betrieb gehen. Gefertigt werden die Stacks in Bamberg. Das Wissen aus der Fertigung der Brennstoffzellenstacks kann Bosch dabei nutzen. Zum Beispiel hat Bosch ein Verspannwerkzeug entwickelt, um die Fertigung einfacher und schneller zu machen.
Die PEM-Brennstoffzelle findet man noch im Fuel Cell Power Module für mobile Anwendungen sowie im BMG Power Generator. Für den mobilen Einsatz gibt es zwei Module mit einer festen Leistung von 300 beziehungsweise 190 kW sowie die skalierbare „Twinbox“. Der BMG Power Generator ist eine Containerlösung zur Stromerzeugung. Für die Hydrogen Technology World Expo in Hamburg stellt Bosch Manufacturing nicht seine Stacks in den Fokus, sondern seine Wasseraufbereitung, und bei der Suche nach PEM-Brennstoffzellen von Bosch stößt man vor allem auf Montagelösungen, Beschichtungen und Prüftechnik.
Leise Abschiede, unklare Perspektiven
Manche Firmen schleichen sich hinaus. Toyota kommuniziert über Wasserstoff nur noch im Zusammenhang mit Verbrennertechnik im Motorsport. Vom Brennstoffzellen-Pkw Mirai hörte man zuletzt, als Toyota 500 Fahrzeuge für die Paralympics 2024 in Paris zur Verfügung stellte. Branchenanalysten zufolge lag der Verkauf des Mirai in jenem Jahr bei gut 1.700 Stück weltweit.
Fuel Cell System Manufacturing (FCSM), Joint Venture von Honda und General Motors, eröffnete 2024 eine Produktion in Michigan und schweigt seither. Honda selbst wollte in Japan eine Brennstoffzellenfabrik eröffnen, stellte die Pläne im Juni aber zurück, trotz bereits genehmigter Fördermittel. Klar verabschiedet hat sich Hyzon Motor aus Illinois. Die Firma hatte im Herbst 2024 ihre Produktion von Brennstoffzellen für Lkw aufgenommen, im Frühjahr 2025 stimmten Anteilseigner der Abwicklung zu. Auf kleiner Flamme kocht man bei Proton Motor weiter. Die verbleibenden Mitarbeiter arbeiten Aufträge ab, ab und zu kommen auch noch neue rein – die Hoffnung auf einen Investor ist noch nicht aufgegeben.
Automotive ist nicht alles
Nuvera, eine Tochter des Flurförderzeug-Herstellers Hyster-Yale aus Massachusetts, verlagert sich aufs Stationäre. Bei Gabelstaplern setzt die Mutterfirma nun definitiv auf Batterien. Bei Reachstacker und Zugmaschinen für Containerterminals kommt das nicht in Frage. Diese Hochleistungsfahrzeuge mit ihren langen Beinen und Greifern sind rund um die Uhr im Einsatz. Brennstoffzellen gibt es dabei aber nur in zwei Pilotprojekten, in Hamburg und Valencia, doch die Arbeit an dem 125-kW-System geht erstmal weiter.
Nuvera hat eine neue Nische für sein Tagesgeschäft ausgemacht: dezentrale, mobile Anwendungen. Die PEM-Brennstoffzellensysteme in kleinen Anhängern unter dem Namen Hydrocharge sind seit Ende 2024 erhältlich. Auch eine Charging-Platform im Container für Offgrid-Anwendungen soll optional mit Wasserstoff betrieben werden, unter dem Namen Hydrocharge.

© EKPO
Offgrid und auf Maritimes
Reichlich Aufträge meldet die SFC Energy aus Brunnthal bei München, die seit 20 Jahren Brennstoffzellensysteme fertigt. Das Unternehmen eröffnete im September 2024 seine Fertigung im rumänischen Cluj. Bis zum Jahresende sollte die volle Kapazität von 3.000 Brennstoffzellensystemen erreicht sein, bis Ende 2028 sogar 30.000 pro Jahr. Aus zugekauften Stacks fertigt die Firma Systeme für unabhängige Stromversorgungen, je nach Modell betreibbar mit Wasserstoff oder Methanol, darunter auch die Geräte der Marke Efoy. Viele Aufträge kommen von Stammkunden. Manche statten Militäreinheiten aus, andere betreiben Überwachungskameras auf Baustellen oder an Grenzen. Etliche Aufträge kommen aus den USA, wo SFC eine Produktion besitzt. Die Systeme sind leise, leicht und wartungsarm – und wenn es woanders kriselt, ist immerhin das Geschäft mit der Sicherheit sicher.
Das schwedische Start-up und Volvo-Spin-off Powercell verdoppelte im zweiten Quartal 2025 seine Erlöse auf nahezu auf SEK 130 Millionen (knapp 12 Millionen Euro). Powercell ist ebenfalls Systemintegrator und setzt vor allem auf maritime und stationäre Anwendungen, sowohl mit Wasserstoff als auch mit Methanol.
Zuletzt flossen vor allem Lizenzgebühren aus einem Deal mit Bosch, um die Brennstoffzellen in den chinesischen Markt zu bringen. Bosch ist zugleich der Stack-Lieferant von Powercell, Hitachi kaufte die Technologie für seine Plattform Hyflex ein, eine mit Wasserstoff betriebene Landstromversorgung für Schiffe. Und ein nicht namentlich genannter OEM-Hersteller aus Italien will ein Brennstoffzellensystem für maritime Anwendungen entwickeln lassen.
Kurzum: Die Brennstoffzellenbranche muss sich breiter aufstellen und ist dabei, es zu tun.