Stoba entwickelt Prozesse und Maschinen, mit deren Hilfe Zulieferer wiederum Industriebetriebe versorgen können. CSO Philippe Schwenger sprach mit HZwei über seine langfristige Sicht auf den Wasserstoffmarkt.
Interview: Eva Augsten
HZwei: Stoba arbeitet gerade daran, sich in der Wasserstoffbranche zu positionieren. Bisher kennt man das Unternehmen vor allem aus der Vorkette der Automobilindustrie. Wollen Sie nun also Zulieferer für Brennstoffzellentechnologie werden – ausgerechnet in dieser schwierigen Zeit?
Philippe Schwenger: Das trifft es nicht ganz. Der Automotive-Markt ist zwar einer der größten Märkte weltweit und unser „Heimatmarkt“. Aber unser Technologieportfolio ist nicht auf Automotive begrenzt. Wir haben uns in den letzten Jahren zum Beispiel auch mit anspruchsvollen Tech-Consumer-Produkten und Bauteilen für die Halbleiterindustrie befasst.
Unsere Expertise liegt in der Prozessentwicklung und Industrialisierung hochpräziser Bauteile und Baugruppen sowie im Maschinenbau. Unser wichtigstes Produkt ist somit im ersten Schritt die Entwicklung von innovativen Fertigungsverfahren, die es noch nicht gibt – und im zweiten Schritt die Industrialisierung der Präzisionskomponenten an einem unserer globalen Standorte. Wir sind ein sogenannter Tier 2 Zulieferer. Das heißt, im Wasserstoffbereich könnten Brennstoffzellenhersteller für Automotive unsere Kunden sein, aber auch Hersteller von Elektrolyseuren.
Auf welche Kunden setzen Sie also vor allem?
Um diese Frage zu beantworten, hole ich etwas aus. Denn wir müssen diesbezüglich weit vorausdenken und haben daher eigene Marktforschung betrieben – in Bezug auf Wasserstoff und konkret die Frage, was für PKW und Trucks die künftigen Antriebstechnologien sein werden.
Im PKW-Bereich hat sich dabei gezeigt, dass dieser aufgrund der weltweit weiterhin steigenden Nachfrage weiter wachsen dürfte – die Antriebe jedoch diverser werden. Der Dieselanteil ist im PKW-Markt sehr stark zurückgegangen, der Benzinanteil wird nicht weiterwachsen, und alles um den E-Antrieb wird sich vornehmlich in Asien abspielen. Zugleich zeichnet sich ab, dass Brennstoffzellen für PKW kein nennenswertes Marktwachstum erreichen werden. Die Technologie ist wohl auf lange Sicht nicht erschwinglich.
„Brennstoffzellen sind für PKW auf lange Sicht nicht erschwinglich. Im Truckbereich sieht es etwas anders aus.“
Im Truckbereich sieht es etwas anders aus. Grüner Wasserstoff soll laut Experten zwar zunächst in der Industrie und erst sehr viel später im Truck-Bereich eingesetzt werden – wenn es soweit ist, kann er aber durchaus Relevanz haben. Wir bekommen im Truck-Markt mit, dass sich dabei die Wasserstoff-Verbrennung im Vergleich zur Brennstoffzelle vermehrt durchsetzen könnte. Ich spreche hier vom Schwerlast-Verkehr und nicht vom regionalen und städtischen Transport, der vermehrt batterie-elektrisch betrieben wird. Ein anderer Ansatz sind kombinierte Einspritzsysteme, die mit Diesel und Erdgas arbeiten. Einige unserer Kunden arbeiten auch an Kombinationen mit Wasserstoff beziehungsweise alternativen Kraftstoffen. Aber auch für Wasserstoff-Verbrenner gibt es noch viele offene Fragen, zum Beispiel die nach dem Netz bzw. der Infrastruktur.
Wenn wir außerdem einen Blick auf die Endkunden werfen, also die Spediteure, und nach deren Kaufkriterien fragen, kommt meist dieselbe Antwort: Es hängt am Ende an der Regulierung, an Subventionen und an Betriebskosten, wobei sich letztere auch auf die Instandhaltung beziehen. Eine richtige Entwicklung bei Wasserstoffantrieben sehen wir daher vielleicht erst 2030 bis 2035 und dann vor allem im beschriebenen Schwerlastverkehr. Aber als Tier-2-Unternehmen müssen wir trotzdem jetzt schon die Prozesse entwickeln, um dann, sobald der Bedarf steigt, produzieren zu können.
Um damit abschließend die Frage zu beantworten: Wir setzen im Mobilitätsbereich auf unsere bestehenden Kunden und entwickeln mit ihnen das, was der Markt erfordert. Gleichzeitig gehen wir mit dieser Einstellung auch auf neue Kunden zu.
Im Bereich der Wasserstoff-Erzeugung arbeiten wir seit circa drei Jahren für den stationären Bereich für unterschiedliche Kunden an Komponenten für Elektrolyseure; wir sind in diversen Musterphasen und konnten zuletzt auch den ersten Serienauftrag gewinnen. Bisher geht es noch um verhaltene Stückzahlen. Die Prognosen sind hier jedoch sehr positiv.
Wie sieht eine solche Prozessentwicklung aus, von der Sie sprechen?
Das hängt sehr stark von den Anforderungen an die Komponenten und Systeme selbst ab. Es gibt dafür nicht die eine Superlösung – sonst wäre die schon am Markt. Generell werden die Prozesse in einem Simultaneous Engineering Ansatz entwickelt, die im Projektteam gemeinsam mit den Kunden durch diverse Musterphasen und Designanpassung einhergehen.
Im Wasserstoffmarkt geht es aktuell erstmal darum, die hohen technischen Anforderungen zu erfüllen und dabei das Kilo Wasserstoff günstiger zu produzieren, um eine Nachfrage zu erzeugen.
Daher haben wir für die diversen Anwendungen viel in Maschinen und Anlagen mit unterschiedlichen Technologien investiert, um uns für die Produktion im mobilen sowie im stationären Bereich aufzustellen. Gleichzeitig sind wir auf themenspezifischen Messen unterwegs, um sichtbar zu sein, bei den Marktentwicklungen auf dem Stand zu bleiben und die Herausforderung der Hersteller noch genauer zu verstehen.
Bei der Planung der zukünftigen Maschinen- und Anlagenkonzepte haben wir außerdem immer von Beginn an die Effizienz im Blick. Denn mit der Skalierung von der Kleinst- zur Großserie erwarten unsere Kunden generell signifikante Kosteneffekte, für die es vor allem die richtige Kombination aus den eingesetzten Werkstoffen und höchster Präzision ankommt.
Das heißt, Hersteller können die Entwicklung der Fertigung weitgehend an Sie delegieren?
Das ist unterschiedlich. Große namhafte deutsche Unternehmen haben bereits vor vielen Jahren in die Entwicklung und Produktion ihrer Systeme investiert. Sie haben den Hochlauf mit ihren eigenen Kapazitäten begonnen und skalieren jetzt Stück für Stück nach Bedarf über externe Partner. Andere System-Anbieter fangen von Anfang an mit Partnern an, das ist vor allem in USA üblich.
Stoba – als möglicher Partner – kann dabei nicht nur aufgrund der technologischen Kompetenzen punkten, sondern auch aufgrund seiner internationalen Standorte. Im Vergleich zu den großen Herstellern haben wir außerdem zudem eine bessere Kostenstruktur.
Stichwort günstig: Bei der billigen und hochskalierten Produktion ist China exzellent. Wie sieht das bei Elektrolyse und Brennstoffzellen aus?
Es geht schon lange nicht mehr darum, dass in China Technologie aus Europa kopiert wird. Bei der Elektromobilität zum Beispiel konnten sie durch Geschwindigkeit und Standardisierung beeindruckend an Europa verbeiziehen. Wir hören immer wieder, dass europäische Unternehmen in den letzten Jahren ihre Entwicklungsabteilungen nach China verlagert haben.
„Wir hören immer wieder, dass europäische Unternehmen ihre Entwicklungsabteilungen nach China verlagern.“
Bezüglich Elektrolyseure werden in China heute bereits höhere Stückzahlen als in Europa produziert, Wasserstoffprogramme werden stark von der Politik unterstützt. Auch hier erwarten wir in den kommenden Jahren die gleiche effiziente Skalierung ihrer Produktionen. Dies wird global für sehr großen Wettbewerb sorgen – darauf müssen wir uns als Komponentenhersteller in diesem Markt einstellen. Zur Brennstoffzelle in China kann ich Ihnen leider nichts sagen, da dies nicht unser Fokus ist.
Womit kann Europa noch punkten?
Europa kann mit seinem Engineering und Erfindergeist punkten, denn dabei sind wir weiterhin stark und breit aufgestellt. Die Industrie stellt sich in diesem Bereich neu auf, das Vertrauen in große europäische Technologieunternehmen nehme ich – auch in Asien – weiterhin als sehr bedeutend wahr.
Aber: Wenn wir bei Wasserstoff ähnlich agieren wie bei der Elektromobilität, dann wird das ein sehr schwieriges Unterfangen. Es müssen jetzt alle an einem Strang ziehen, um die Wasserstoffnetze aufzubauen und Technologien einzusetzen, die die grüne Wasserstoffproduktion wirtschaftlich und wettbewerbsfähig und dadurch zu einer echten Alternative zu herkömmlicher fossiler Energie macht. Dann kann auch die Energiewende gelingen. Aber wenn die Infrastruktur nicht kommt, die Regulierung in Europa nicht abgestimmt sowie die Subventionen nicht langfristig angelegt werden – dann wird nur halbherzig investiert. Wir brauchen eine EU-weite Lösung, um Energiekosten für die Industrie dauerhaft zu senken und so wettbewerbsfähiger zu sein.
Dementsprechend hoffen wir darauf, dass die Themen, in denen Europa eine bedeutende Rolle in der Welt spielen kann – also unter anderem Wasserstoff – bald auch wieder europäisch gefördert und gestützt werden. Dann könnten sie nach den letzten hundert Jahren mit dem Verbrennungsmotor die nächste europäische Erfolgsgeschichte werden. Ich wünsche mir, dass die europäische Wasserstoffstrategie nicht nur ein Flämmchen bleibt, sondern eine Flamme wird.
Die USA schienen bis vor Kurzem ein wichtiger Markt für Wasserstofftechnologien. Wie schätzen Sie ihn jetzt ein?
Das können wir nur schwer abschätzen. Die aktuelle Administration macht uns wenig Hoffnung, dass die neuen Technologien im notwendigen Maß unterstützt werden. Wir bleiben dennoch optimistisch, rechnen zunächst „nur“ mit einem zeitlichen Versatz und setzen daher beim Wasserstoff jetzt erstmal auf Europa.
Und wie geht es in Europa weiter?
Allgemein gesprochen ist der stetig wachsende Energiebedarf mit den aktuell installierten Produktionskapazitäten für grünem Wasserstoff nicht zu decken. Diese sind nahezu nicht messbar, wenn man sie ins Verhältnis des globalen Energiebedarfes stellt. Was die weitere Entwicklung angeht, beobachten wir bei stoba die Prognosen für unsere relevanten Teilmärkte weiterhin genau. Zuletzt haben sich die Stückzahl-Szenarien bis 2030 leider signifikant reduziert.
„Der europäische Markt ist eine Riesenchance, wenn Politik, Forschung und Industrie es ernst meinen.“
Nichtsdestotrotz ist dieser Markt eine Riesenchance für alle, wenn die Europa-Politik, die Forschung und die Industrie es ernst meinen. Dann haben wir noch einen riesigen Markt vor uns. Wenn nicht, verlieren alle Parteien das Interesse an der Energiewende. Wir werden auf der Hydrogen Technology World Expo in Hamburg eine Live-Rückmeldung aus dem Markt bekommen.
Stromaufwärts in der Wertschöpfungskette
Wasserstoff. Elektrolyseure. Ventile, Drucksensoren, Bipolarplatten. Maschinen und Prozesse für Bipolarplatten… .Wer die Rolle von Stoba verstehen will, muss sich entlang der Wertschöpfungskette für Wasserstoff ziemlich weit stromaufwärts vorarbeiten. Stellt man sich eine Branche wie die Automobilproduktion als Fluss vor, liegt ein Original Equipment Manufacturer (OEM) wie VW irgendwo kurz vor der Mündung, also dem Endkunden. Flussaufwärts gibt es Zulieferer, die nach Stufen (englisch: Tier) nummeriert sind. Auf der Stufe Tier 1 liefert zum Beispiel Bosch Einspritzsysteme an den Autohersteller. Für seine Komponenten nutzt der Zulieferer Bauteile und Prozesse, die ein Tier-2-Unternehmen wie Stoba entwickelt hat. Weiter flussaufwärts liegen dann noch Stahlhersteller (Tier 3), und weit oben in Richtung Quelle die Bergwerke (Tier 4), in denen zum Beispiel das Eisenerz gewonnen wird.