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Politik

BMWE: Wasserstoff-Ziel „nach Bedarf“ gestalten

 

Im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE) haben BET Consulting und das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) im Eiltempo in einem Gutachten den Stand diverser Studien zur Energiewende zusammengefasst und Szenarien erstellt. Statt Monitoring wäre Metastudie ein besser passender Ausdruck, denn neue Erkenntnisse enthält das Gutachten nicht wirklich. Als Übersicht leistet es allerdings gute Dienste, vor allem bei der Visualisierung der Bandbreiten.

Bei den Szenarien unterscheidet das Gutachten nach „normativen Szenarien“, die so gerechnet wurden, dass verbindliche Klimaziele dabei erreicht werden. Zusätzlich gibt es „explorative“ Szenarien, die mögliche andere Entwicklungen aufzeigen, die meist an den Klimazielen vorbei gehen. Mit dem Wasserstoffhochlauf befasst sich das Gutachten in einem von sieben Schwerpunkt-Kapiteln, zuständig für das Thema Wasserstoff war das EWI.

Status quo: große Bandbreite der Wasserstoff-Szenarien, zu hohe Preise

Der erwartete Wasserstoff-Bedarf schwankt schon innerhalb der normativen Szenarien massiv und könnte 2045 zwischen 150 und 650 TWh liegen. Für den Speicherbedarf im Jahr 20245 nennen die Gutachter eine ähnlich breite Spanne, von 30 bis 130 TWh.

In allen Szenarien, normativ wie explorativ, rechnen die Gutachter damit, dass der Wasserstoff vor allem für die Industrie und den Energiesektor gebraucht wird. Die Mengen für Gebäude und Verkehr seien hingegen „nicht signifikant“.

Die Gutachter attestieren zudem „kaum marktseitige Nachfrage“, denn der Wasserstoff sei kurz gesagt zu teuer. Ändern könnte man das durch günstigeren Strom und Skaleneffekte bei Elektrolyseuren und Infrastruktur – aber dafür müsste umgekehrt die Nachfrage steigen. Sie stellen außerdem fest, dass Importe von Wasserstoff in den meisten Untersuchungen billiger scheinen als die heimische Produktion. Die Herstellung im Land wiederum könne zu Flexibilisierung und Versorgungssicherheit beitragen. Weil das Wasserstoffkernnetz auf Marktabfragen, angekündigten Projekten und politischen Zielvorgaben basiert, würde es wirtschaftlich ineffizient, wenn diese nun nicht einträten.  

Handlungsoptionen: Was schlagen die Fachleute vor?

Neben der Analyse befasst sich das Gutachten auch damit, welche politischen Handlungsoptionen es nun gibt. Dabei geht es explizit um die Verzahnung der verschiedenen Themen, also zum Beispiel Stromerzeugung, Stromnetz-Ausbau und Wasserstoffhochlauf.

Die Gutachter schlagen eine Reihe von Maßnahmen vor, die für den Wasserstoffhochlauf wichtig wären. Zum Beispiel könne man den Zubau von Elektrolyseuren räumlich steuern, sodass der Bedarf am Netzausbau im Idealfall sowohl auf der Stromseite als auch auf der Wasserstoffseite minimiert würde. Wie das konkret gehen soll, wenn der Wasserstoff nicht gerade neben dem Windpark gebraucht wird, wäre allerdings noch zu klären, räumen die Gutachter ein.

Zudem könne man Elektrolyseure vermehrt „systemdienlich“ betreiben. Diesen Begriff müsste man dann allerdings erstmal definieren, heißt es. Und es könne auch hier einen Zielkonflikt geben: Nutzt man vor allem die Stunden mit hoher Ökostrom-Produktion, sinken die Volllaststunden der Elektrolyseanlage und die Wasserstoffkosten steigen.

Das Senken der Kosten der Wasserstoffbereitstellung ist natürlich auch ein Thema. Vorgeschlagen wird hier, erstmal weiter zu fördern, um Skaleneffekte und damit ein Sinken der Kosten zu erreichen. Auch in Bezug auf die Regulatorik greift das Gutachten bekannte Forderungen auf: die Anforderung an die Zusätzlichkeit des Ökostroms könne man streichen, ebenso Netzentgelte und staatliche Strompreisbestandteile und die kostenlose oder günstigen Nutzung von Redispatch-Strommengen ermöglichen.

Und dann gibt es noch die Kapitel, die sich mit dem Steuern der Nachfrage und der Speicher befassen, denn ohne Nachfrage entstehe kein Markt. Ausschreibungen für wasserstofffähige Gaskraftwerke sind dabei ein Thema. Voraussetzung natürlich: Der Wasserstoff muss am jeweiligen Standort auch verfügbar sein.

Die Gutachter machen also viele bekannte Dilemmata deutlich – und machen Vorschläge, wie die Regierung steuernd eingreifen kann, auch wenn die Entscheidungen unter einer gewissen Unsicherheit getroffen werden müssen.

Der Wasserstoff-Plan von Katherina Reiche: Ziele „flexibel“ handhaben

Insgesamt zehn Maßnahmen für die Neuausrichtung der Energiewende stellte das Wirtschaftsministerium gestern vor.  Die neunte davon lautet „Wir fördern Wasserstoff und bauen überkomplexe Vorgaben ab“. Man müsse „Klarheit schaffen“, heißt es auf der Webseite des Ministeriums. Wie schon im Koalitionsvertrag ist dabei spannend, was alles nicht gesagt wird. 

Doch im Video wird klar: Hier soll nicht allzu viel passieren, schon gar nicht in Bezug auf klare Ziele oder Zusagen. Immerhin eine langjährige Forderung der Branche greift Reiche auf.  Die „strenge Definition von grünem Wasserstoff auf EU-Ebene“ müsse abgebaut und „durch pragmatische Kriterien“ ersetzt werden. Man kann also auf die EU zeigen und die Abschaffung des Zusätzlichkeitskriteriums fordern. Von reduzierten staatlichen Preisbestandteilen, die Deutschland selbst in der Hand hätte, sagt Reiche nichts. 

Wenig erfreulich dürfte für die Wasserstoffbranche sein, wie Reiche Ausbauziele sieht – nämlich „flexibel“. Man müsse sich auf die Märkte fokussieren, in denen es jetzt schon eine Zahlungsbereitschaft für Wasserstoff gebe oder diese sich mit „verantwortbaren“ Mitteln erreichen lasse. Als Beispiel nennt sie Raffinerien. Von Kraftwerken, Lkw, Stahlwerken oder anderen Anwendungsbereichen ist nicht die Rede.  

Das Kernnetz, Importkorridore und die Erschließung von Wasserstoff-Potenzialen im Ausland sollen „stufenweise“ erfolgen und in enger Abstimmung mit der Nachfrageseite. Die aktuellen Ausbauziele für Elektrolyseure will Reiche durch „flexible Ziele“ ersetzen, die sich an Projekten auf der Nachfrageseite orientieren. Infrastrukturprojekte, wie „H2-Valleys“, sollen „nach Bedarf“ gestartet werden.