Nein, so schnell ist auch Katherina Reiche nicht – die vom BDEW vor einigen Tagen vorgelegte Stellungnahme zum Kraftwerksicherungsgesetz (KWSG) bezieht sich auf den Referentenentwurf vom Dezember 2024. Während auf politischer Ebene Wahlkampf und Koalitionsverhandlungen stattfanden, hat der Verband mit seinen Mitgliedern „Vorschläge zur praxisgerechten Ausgestaltung“ erarbeitet. Diese betreffen auch einige wichtige Wenns und Danns für Wasserstoffkraftwerke.
Neue Regierung soll an altem Entwurf weiterarbeiten
Ziel sei, dass die Ausschreibungen erfolgreich und die notwendigen Kapazitäten auch tatsächlich gebaut würden, so der Verband. Der Zeitdruck ist hoch, denn in den nächsten Jahren sollen mehrere Gigawatt an gesicherter Kraftwerksleistung vom Netz gehen, unter anderem durch den Kohleausstieg. Daher votiert der BDEW dafür, dass die neue Regierung mit der Vorlage ihrer Vorgänger startet. „Aufgrund des Zeitdrucks schnell die für den Wirtschaftsstandort Deutschland notwendigen Kraftwerksneubauten auszulösen, lautet unsere Zielsetzung: So wenig Anpassungen am KWSG-Referentenentwurf wie möglich, so viele Anpassungen wie nötig. So können wir mit dem Blick auf Brüssel und die Investoren zu einer schnellen und erfolgreichen Umsetzung des KWSG kommen“, ist Kerstin Andreae überzeugt. Um in H2-ready- und Gas-Kraftwerke zu investieren, bräuchten die Firmen eine solche Grundlage.
Risikofaktoren: Verfügbarkeit von Wasserstoff und Technologie
Insbesondere bei der Investition in Wasserstoffkraftwerke sieht der Verband noch zu große Unwägbarkeiten für die Betreiber. Marktliche Risiken seien von den Kraftwerksbetreibern zu tragen, räumt der BDEW ein. Doch dann blieben noch rechtliche Unsicherheiten, zum Beispiel über den noch unklaren Genehmigungsrahmen. Zugleich sieht der politisch steckengeblieben Regierungsentwurf zum eng mit der Materie verknüpften Kraftwerksausbaugesetz KraftAusG-E für Kraftwerksbetreiber Förderkonditionen vor, die aus Verbandssicht heikel sind. Sie erhalten zunächst Zuschüsse, müssen dafür aber spätestens im 8. Jahr ab Inbetriebnahme ihr Kraftwerk auf Wasserstoff umstellen. Doch dafür müssen sowohl der Wasserstoff als auch die Technologie für den Kraftwerksbetrieb mit reinem Wasserstoff verfügbar sein. Beides ist bisher nicht der Fall. Der Stand der Technik für den Wasserstoffanteil liege derzeit bei maximal 50 %, so der BDEW. Kann der Betreiber mangels Technologie oder Brennstoff erst im 9. oder 10. Jahr umstellen, muss er die Förderung nach dem aktuellen Entwurf zurückzahlen – und zwar komplett. Kein Hersteller werde die Haftung dafür übernehmen, wenn dieser Umstieg nicht gelinge – „jedenfalls jedenfalls nicht für die im Gesetzentwurf vorgesehenen 200 Vollbenutzungsstunden in den ersten vier Jahren“, so der BDEW in seiner Stellungnahme.
Auch bei der Verfügbarkeit von Wasserstoff liegt noch einiges im Argen. Der Anschluss an das H2-Kernnetz allein reicht nicht, es braucht auch ausreichend Speicher, einheimische H2-Erzeugung, H2-Importen und einen funktionierenden Markt, und zwar in einem möglichst einheitlichen Marktgebiet. Letzteres muss sein, da ein objektiv fassbarer Wasserstoffpreis die Grundlage für den Differenzvertrag zu Erdgas (Brennstoff-CfD) bilden soll.
Was also tun, wenn der Wasserstoff auch für die bisher vorgeschriebenen 200 Vollbenutzungsstunden nicht reicht? Der BDEW schlägt eine Ausnahmeregel vor. Eine solche ist bereits vorgesehen für den Fall, dass ein Kraftwerk nicht rechtzeitig über das Kernnetz mit Wasserstoff versorgt werden kann. Diese solle man nun auf die beiden anderen Fälle übertragen.
Umstellung auf Wasserstoff ist möglich – früher oder später
Der Verband sagt auch: Man könne derzeit davon ausgehen, dass sich die Kraftwerke auf Wasserstoff umstellen lassen – nur eben vielleicht später als nach acht Jahren. Ob die Wasserstoff-Mengen und -Infrastruktur ausreichen, solle die Bundesnetzagentur mit Hilfe „kundiger Akteure“ drei Jahre vor dem jeweils anstehenden Umstieg bewerten, schlägt der Verband vor. Wenn es an der Technologie hapert, solle das der jeweilige Kraftwerksbetreiber in einem Härtefallantrag darlegen können.
Die Wasserstoffkraftwerke sind im Referentenentwurf zum KWSG in der „Säule 1“ verortet. Konkret geht es um fünf GW H2-ready Kraftwerke, bis zu zwei GW durch Modernisierung vorhandener Gas-Kraftwerke (Umstieg auf Wasserstoff) sowie je 0,5 GW an Langzeitstromspeichern und sogenannten Wasserstoff-Sprinterkraftwerken vorgesehen. Säule 2 soll fünf GW an Gas-Kraftwerken anreizen. Der BDEW fordert: Mengen, die in Säule 1 nicht bezuschlagt werden, sollen in der nächsten Ausschreibung in Säule 2 zusätzlich ausgeschrieben werden. Wenn die Ausschreibungen Anfang 2026 starten, könnten laut dem BDEW die ersten neuen Kraftwerke Ende 2030 oder Anfang 2031 in Betrieb gehen. Bevor das geht, muss aber die EU noch aus beihilferechtlicher Sicht grünes Licht geben.