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Wasserstofftankstellen für Nutzfahrzeuge

Viel Neues im Westen

Text: Claus Bünnagel

In Düsseldorf eröffnete H2 Mobility Ende Mai 2025 die größte Wasserstofftankstelle Europas offiziell. Seit Anfang August ist sie tatsächlich in Betrieb. Gefördert wurde sie über das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP – ­Phase II 2016-2026) des Bundesverkehrsministeriums mit 4,3 Mio. Euro. Insgesamt hat die Anlage rund 7 bis 7,5 Mio. Euro gekostet.

Aktuell liefert noch Air Liquide den Wasserstoff per 380-bar-Trailer von seinem Elektrolyseur in Oberhausen. Doch ab 2026 soll die Wasserstoffversorgung über einen 2-MW-PEM-Elektrolyseur der Stadtwerke Düsseldorf in der Nähe erfolgen. Der Strom stammt aus der benachbarten Müllverbrennungsanlage. Er gilt zur Hälfte als Grünstrom, denn etwa die Hälfte des Hausmülls besteht laut Statistiken aus Biomasse.

Wichtigster Kunde für die öffentliche H2-Mobility-Tankstelle ist die Düsseldorfer Rheinbahn mit ihrem nahen Betriebshof Lierenfeld, die bislang 20 Solaris Urbino 12 hydrogen einsetzt und ihre H2-Flotte demnächst auf rund 30 Einheiten aufstocken will. Aber auch andere Kommunalbetriebe, Speditionen, Handwerkerbetriebe und sogar Privatpersonen sollen hier künftig tanken. Konkret sind dies aktuell ein Abfallsammelfahrzeug vom Typ Enginius Bluepower 2738E 6×2/4 und einige Hyundai Xcient Fuel Cell, vor allem vom Lebensmittelkonzern Rewe eingesetzt. Die Anlage verfügt über gleich drei Dispenser mit insgesamt sechs Zapfsäulen, wobei alle Dispenser gleichzeitig im Einsatz sein können.

Test mit kaltem Wasserstoff

Hier kann nicht nur Wasserstoff mit 350 bar (Busse und Lkw) sowie 700 bar (Pkw) getankt werden, sondern auch mit 500 bar, gekühlt auf –20°C. Letzteren gibt es in einer Test- und Pilotphase zum Preis von 350-bar-Wasserstoff. Aktuell werden Preise zwischen 13,55 Euro/kg (350 und 500 bar) und 15 Euro (700 bar) an der Düsseldorfer Tankstelle aufgerufen. Allerdings, und das muss man bei H2 Mobility einräumen, sind dies Werte nahe dem Einkaufspreis.

Die redundanten Dispenser mit Kälteanlage, H2-Regeltechnik, Steuerung und Kassensystem sind eine Eigenentwicklung von H2 Mobility. Sie wurden mit einer Schwenkschiebetür versehen, sodass sich das Kühlaggregat bei Bedarf – z.B. zur Wartung – einfach herausziehen lässt. Die gesamte Anlage ist darauf ausgelegt, am Tag 2 bis 5 t Wasserstoff an die Kunden abzugeben, wobei die künftig 30 Rheinbahn-Brennstoffzellenbusse alleine bereits auf eine tägliche Abnahmemenge von rund 750 kg kommen. Eine Besonderheit ist auch der in Zusammenarbeit mit Ariel entwickelte Hoerbiger-Verdichter der Anlage. Er ist die erste kommerzielle Ausführung, nachdem bislang nur ein Prototyp bei den Wiener Linien lief.

Die H2-Tankstelle am Höherweg soll nicht die letzte in der nordrhein-westfälischen Landes­hauptstadt sein. Eine weitere ist am Flughafen Düsseldorf geplant, wie Oberbürgermeister Stephan Keller bei der Eröffnung der H2-­Mobility-Anlage Ende Mai verriet.

© H2 Mobility

Seltener Einblick: Das Herzstück der Tankanlage in Düsseldorf, der Verdichter ist von Hoerbiger.

Wasserstoffflotte in Kerpen wächst – und braucht eine Tankstelle

Ein Stück rheinaufwärts in ­Kerpen, am südwestlichen Stadtrand von Köln, ist die REVG Rhein-Erft-Verkehrsgesellschaft bereits umweltfreundlich unterwegs. Seit Ende 2024 werden die 111 vormaligen Dieselbusse mit HVO100 betankt. Die Quote für saubere Busse der EU-weiten Clean Vehicles Directive (CVD) erfüllt sie damit schon heute. Doch die CVD fordert innerhalb der 65-%-Quote bis 2030 auch einen Anteil von 37,5 % emissionsfreien Fahrzeugen. Das kann der Kraftstoff aus hydrierten Ölen und Fetten nicht leisten.

Deshalb hat der Rhein-Erft-Kreis schon 2019 beschlossen, zukünftig auf Wasserstoffbusse zu setzen. In der ersten Tranche beschaffte man 26 Solaris Urbino 12 hydrogen mit jeweils 70-kW-Ballard-Brennstoffzelle an Bord. Das Timing war gut: Das Bundesverkehrsministerium hat die Investition noch vor dem Anfang 2024 umgesetzten Förderstopp für E- und Wasserstoffbusse mit 7,48 Mio. Euro bemittelt. Das entspricht mit rund 288.000 Euro pro Fahrzeug ungefähr den Mehrkosten der Brennstoffzellenbusse gegenüber entsprechenden Dieselpendants, die REVG-Geschäftsführer Walter Reinarz auf rund 300.000 Euro pro Einheit beziffert. Geplant ist auch die Anschaffung von sieben H2-Gelenkbussen. Zusammen sollen sie sukzessiv Dieselfahrzeuge mit auslaufenden Leasingverträgen ersetzen.

Zwei Druckstufen, zwei Speicher

Für die wachsende Wasserstoffbusflotte benötigt es natürlich auch eine adäquate Tankstelleninfrastruktur. Auf dem REVG-Betriebshof in Kerpen entstand daher bis Oktober 2024 eine Tankstellenanlage der benachbarten Spedition Freund mit 900-bar-Hochdruckspeicher samt Kühlsystem (für bis zu – 40°C), 500-bar-Niederdruckspeicher und einem alleine 1,5 Mio. Euro teuren Verdichter. Der Hochdruckspeicher kann zwar nur 15 kg H2-Treibstoff liefern, aber auch die Pkw-Flotte der REVG mit 700-bar-Wasserstoff versorgen. Die Busse werden über den Niederdruckspeicher versorgt, der 50 kg aufnehmen kann.

Damit in Zukunft vorwiegend abends nach Rückkehr der Busse von ihren Umläufen alle 20 Minuten ein Bus getankt werden kann, muss die Trailer-Anlieferung des Wasserstoffs durch die Messer SE aus Krefeld, weltweit größter Spezialist für Industrie-, Medizin- und Spezialgase in Privatbesitz, ausgeweitet werden.

Bislang liefern zwei Trailer pro Tag auf 200 bar verdichteten Wasserstoff. Ein Trailer fasst 300 kg Wasserstoff, das reicht für 13 Busse mit etwa 23 kg pro Bus. Geht man von einem Verbrauch pro Bus von 7 bis 8 kg/100 km aus, kann man damit 290 bis 330 km fahren. Das ist auch ungefähr das Fenster vieler Tagesumläufe bei der REVG. Die fünf Typ-4-Tanks auf dem Dach der Solaris-Brennstoffzellenbusse mit 1.560 Liter Volumen fassen bis zu 37,5 kg Wasserstoff. Vollgetankt lassen sich somit auch die 400 km der höchsten Tagesumläufe beim rheinischen Verkehrsunternehmen realisieren.

© H2 Mobility

Nordrhein-Westfalens Energie- und Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (links) weihte die Tankstelle in Düsseldorf offiziell im Mai ein. Alle anderen mussten mit dem Tanken bis zur realen Inbetriebnahme im August warten.

Neue Trailer sollen mehr Wasserstoff liefern

Nach der ursprünglichen Planung sollten bereits 380-bar-Trailer im Einsatz sein, allerdings haben technische Probleme bislang ihre Verwendung verzögert – Anfang Herbst soll es soweit sein. Sie können sogar jeweils 1 t Wasserstoff transportieren, zudem muss der Treibstoff für die Busse nicht mehr verdichtet werden. Um auch die künftigen H2-Lkw der Spedition Freund zu versorgen, würden dann drei solcher Trailerzüge eingesetzt: Einer befände sich jeweils bei der vier bis fünf Stunden dauernden Befüllung, einer wäre unterwegs und einer stände auf dem REVG-Betriebshof an der Tankstelle.

Bislang liefert die Messer-Gruppe den Wasserstoff von ihrer Erzeugungsanlage auf dem Firmengelände von Rain Carbon in Castrop-­Rauxel an. Anfang Juli 2025 erfolgte jedoch der Spatenstich für eine H2-Anlage mit 10-MW-Elektrolyseur im Brainergy Park Jülich, die im November ihren Betrieb aufnehmen soll. Die Elektrolyseurtechnik liefert die NEA Group aus Übach-Palenberg, Speicherung und Vertrieb des aus Photovoltaikstrom erzeugten Wasserstoffs übernimmt wiederum die Messer SE.

Bislang geht man bei der REVG von Wasserstoffkilopreisen im Bereich zwischen handelsüblichen 14 bis 18 Euro aus. Perspektivisch, wenn etwa Großelektrolyseure mit 25 MW Leistung wie im Projekt Belka vorgesehen eingesetzt werden können, erwartet man in Frechen Kilopreise von 9 bis 10 Euro zuzüglich Vertrieb und Lieferung.

Eigenbau oder schlüsselfertig

Ganz anders ist das Tankkonzept der Regionalverkehr Köln GmbH (RVK) und der Stadtwerke Hürth ausgelegt. Beide sind Pioniere im Bereich der Wasserstoffmobilität im ÖPNV. Dabei verfolgen sie zwei unterschiedliche Konzepte. Die beiden neuen H2-Tankstellen in Mechernich und in Bergisch-Gladbacher werden vom Verkehrsunternehmen selbst in den eigenen Depots gebaut und betrieben. Sie erhalten 2-MW-Elektrolyseure, um Strom aus Wind- und PV-Anlagen für die eigene Wasserstoffproduktion zu nutzen.

Anders geartet ist der Fall bei den Tankstellen in Meckenheim und Hürth, wo künftig deutlich mehr Fahrzeuge versorgt werden müssen als in Bergisch-Gladbach und Mechernich. Hier werden Grundstücke genutzt, die von den beiden Städten an die RVK und Stadtwerke Hürth mit der Maßgabe verkauft wurden, dass auch andere Nutzer auf die Wasserstofftankstellen zugreifen können - von kommunalen Betrieben über Speditionen und Busunternehmen bis hin zu Privatpersonen mit Pkw. Nach einem Ausschreibungsverfahren hat Air Products als Pächter der jeweiligen Grundstücke den kompletten Prozess verantwortet, von den Genehmigungsverfahren über den Bau bis hin zum künftigen Betrieb und zur Belieferung der öffentlich zugänglichen Tankstellen mit Wasserstoff. Es ist sozusagen eine schlüsselfertige Lösung für die RVK und die Stadtwerke Hürth.

Die Konzeption der beiden neuen Tankstellen in Meckenheim und Hürth unterscheidet sich grundlegend vom bisherigen RVK-Betriebshoftankmodell. Der Wasserstoff wird von Air Products aus seinen Quellen und über neue 640-bar-Trailer bereitgestellt. Diese Versorgungslösung macht eine Verdichtung des Wasserstoffs auf 350 bar überflüssig, denn – vereinfacht gesprochen – gelangt der Wasserstoff aus dem Trailer durch Überströmen direkt in die Zapfsäule.

© H2 Mobility

An einem der drei Dispenser in Düsseldorf kann auch 500-bar-Wasserstoff getankt werden.

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