Das Fukushima Hydrogen Research Field (FH2R) produziert mit einer 10-MW-Elektrolyseanlage jährlich bis zu 900 Tonnen Wasserstoff – genug, um 10.000 Brennstoffzellenfahrzeuge zu betanken. Für die Stadt ist dies der erste Schritt zu einem regionalen Hub für die Wasserstoffwirtschaft. Eine deutsche Delegation des German Japanese Energy Transition Council (GJETC) und des des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) besichtigte kürzlich die Anlage.
Die Stadt Namie wurde durch die Dreifachkatastrophe im Jahr 2011, welche unter anderem zum Reaktorausfall in Fukushima führte, schwer getroffen und im Nachgang fast vollständig evakuiert. Heute leben dort nur noch rund 2.200 Menschen – ein Bruchteil der früheren Bevölkerung. Nach nun fast 15 Jahren seit der Katastrophe positioniert sich Namie durch das FH2R Projekt als Innovationszentrum für Wasserstofftechnologie. Das Projekt ist Teil einer umfassenden Strategie, mit der die Region Fukushima neues Image als Standort für grüne Energietechnologien aufbauen will.
Das FH2R-Projekt wird vollständig von der staatlichen Organisation NEDO (New Energy and Industrial Technology Development Organization) finanziert und ist ein zentraler Teil der umfassenderen Wasserstoffstrategie Japans. Die Projektplanung für FH2R begann im September 2016, der Bau startete im August 2018, und die Anlage wurde im März 2020 fertiggestellt. Die nun fortlaufenden Projekte im FH2R werden über den Green Innovation Fund der NEDO finanziert.
Nach der Katastrophe folgt das Innovationszentrum Das direkt an der Küste gelegene Forschungsfeld erstreckt sich über ein Gelände von 40.000 m² für die Hauptproduktionsanlage, ergänzt durch eine 180.000 m² große Solaranlage. Das FH2R nutzt einen alkalischen Elektrolyseur von Asahi Kasei mit einer Leistung von 10 MW – der größte seiner Art in Japan. Die Anlage kann bis zu 1.200 Nm³ Wasserstoff pro Stunde (etwa 180 kg/h) produzieren. Zum Vergleich: Ein Toyota Mirai Brennstoffzellenfahrzeug tankt etwa 5 kg Wasserstoff und kann damit 500-600 km zurücklegen. Die Produktion der Anlage würde ausreichen, um jeden Tag 150 Haushalte mit Energie zu versorgen oder 560 Brennstoffzellenfahrzeuge zu betanken. Der Strom für die Elektrolyse stammt teilweise aus der 20-MW-Solaranlage vor Ort, die in Zukunft auf 50 MW erweitert werden soll. Zusätzlich wird Strom aus dem Netz bezogen, wobei ein intelligentes Energiemanagementsystem die Wasserstoffproduktion optimiert und gleichzeitig das Stromnetz stabilisiert.
Neben der Wasserstoffproduktion dient FH2R als Forschungsplattform. Das angrenzende Fukushima H2 Refueling Technology Center (FTC) entwickelt Standards und Protokolle für die Wasserstoffbetankung, insbesondere für Schwerlastfahrzeuge. Hier wird an der Betankung eines Tankwagens mit 80 kg Wasserstoff in nur 10 Minuten gearbeitet – etwa 5 Mal so schnell wie bei einer herkömmlichen Pkw-Brennstoffzelle. Das Zentrum testet verschiedene Düsentypen bei 700 Megapascal Druck und in einem Temperaturbereich von –10 bis +40 °C. Diese Forschung ist entscheidend für die Entwicklung internationaler Standards für Wasserstofftankstellen.
Lokales Projekt mit überregionalem Impact Der in FH2R produzierte Wasserstoff wird kostenlos an die Gemeinde Namie abgegeben, sofern er für öffentliche Zwecke genutzt wird. Erste Schritte zur Entwicklung eines „Hydrogen Valley“ hat Namie umgesetzt und verschiedene lokale Anwendungen realisiert. An der neugebauten Raststation „Michinoeki“ liefert beispielsweise eine 3,5-kW-Brennstoffzelle (H2Rex von Toshiba) den Strom für Beleuchtung, Belüftung und Warmwasserversorgung. Derzeit wird der Wasserstoff per Lkw angeliefert. In Zukunft sollen aber Wasserstoff-Überkopfleitungen eine kostengünstige Alternative zu herkömmlichen Transportmethoden bieten. Diese Technologie wird in Zusammenarbeit mit Brother, der Yokohama National University und dem Unternehmen Tomoe entwickelt. Dadurch entsteht eine preiswerte Wasserstofftransportinfrastruktur, die technisch, rechtlich und wirtschaftlich validiert ist.
Wasserstoffmobilität spielt in Namie ebenfalls eine wichtige Rolle. Über 80 Brennstoffzellenfahrzeuge sind in Namie im Einsatz – eine der höchsten Dichten weltweit. Um die Wasserstoffanwendungen den Bürger:innen möglichst nah zu bringen, hat Namie Town außerdem einen „FC Moving Stall“ entwickelt. Dabei handelt es sich um den weltweit ersten mobilen Verkaufsstand, konkret ein umgebauter Toyota-Lieferwagen, der mit Brennstoffzellentechnologie betrieben wird. Um die Verbreitung zu fördern, subventioniert die Stadt den Kauf von Brennstoffzellenfahrzeugen mit bis zu 1 Million Yen (etwa 6.700 Euro).
Der Wasserstoff aus dem Forschungsfeld wird auch über die Stadtgrenzen hinaus genutzt. Wasserstofftankstellen und stationäre Brennstoffzellen in der gesamten Präfektur Fukushima werden mit grünem Wasserstoff aus Namie beliefert. Der Azuma Sports Park in Fukushima Stadt beispielsweise nutzt seit Juli 2020 stationäre Brennstoffzellen (H2Rex von Toshiba), die mit grünem Wasserstoff aus dem FH2R-Projekt betrieben werden. Der Park war auch einer der Austragungsorte für die Olympischen Spiele 2021, wodurch die Wasserstofftechnologie zusätzliche Aufmerksamkeit erhielt.
Ansätze zur bilateralen Zusammenarbeit Internationale Zusammenarbeit, besonders in der Forschung, ist ein wichtiger Bestandteil des FH2R Projektes, wie der Besuch der gemeinsamen Delegation von GJETC und BMWK unterstreicht. Der GJETC hat bereits zuvor Studien über Wasserstoff veröffentlicht, unter anderem als Werkzeug für die Dekarbonisierung der Industrie. Die Delegation bestand aus führenden deutschen Energieexpert:innen, die Mitglieder des GJETC sind, und Vertreter:innen des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), darunter Christian Maaß, Leiter der Abteilung Wärme, Wasserstoff und Effizienz, und Dr. Christine Falken-Grosser, Leiterin des Referats für Wasserstoffstrategie und -koordination. „Die Aktivitäten zum Aufbau von Forschungskapazitäten und der lokalen Nutzung von grünem Wasserstoff sind beeindruckend“, sagte Dr. Christine Falken-Grosser nach der Besichtigung. „Japan und Deutschland, beide führend in der Entwicklung von Wasserstofftechnologien, können von gegenseitigem Austausch zu Technologien, Normen, Förderinstrumenten und Zertifizierung profitieren“, ergänzt Dr. Stefan Thomas, Co-Chair des German-Japanese Energy Transition Council (GJETC).
Das FH2R Projekt soll demonstrieren, wie grüner Wasserstoff in großem Maßstab produziert und angewendet werden kann, wie erneuerbare Energien durch flexible Wasserstoffproduktion besser in bestehende Stromnetze integriert werden können und wie wirtschaftlicher Wiederaufbau mit Klimaschutz und technologischer Innovation verbunden werden kann. Die Erfahrungen aus Namie könnten besonders wertvoll sein für Regionen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen: dem Strukturwandel weg von fossilen Brennstoffen, der Integration erneuerbarer Energien in bestehende Netze und der Entwicklung neuer wirtschaftlicher Perspektiven für vom Klimawandel oder anderen Krisen betroffene Gebiete. 

GJETC