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Angewandte Forschung

Grüner Wasserstoff als Booster für Biomethan

Text: Marcel Schröder, Anna-Maria Jeske

Das Biogas- und Kompostwerk Bützberg verarbeitet seit vielen Jahren den Abfall aus den grünen Tonnen der Hamburger Haushalte zu hochwertigem Kompost. Im Jahr 2011 wurde eine Biogasanlage hinzugefügt, die aufbereitete Bioabfälle in einzelnen Durchläufen trocken fermentiert und so nachhaltiges Rohbiogas produziert. Das Rohbiogas wird aufbereitet und als Biomethan in das örtliche Gasnetz eingespeist.

Seitdem haben insgesamt 7.500 Haushalte von dieser nachhaltigen Energie profitiert – und das Potenzial ist noch lange nicht erschöpft. Nach 30 Betriebsjahren errichten wir derzeit eine zweite Rottehalle, um die Verarbeitungsmenge auf bis zu 90.000 Tonnen pro Jahr zu erhöhen.

Schon während der Forschung wird CO2 eingespart

Der großskalige Ansatz verleiht dem Projekt eine überregionale Bedeutung für die wasserstoffbasierte Sektorenkopplung in Deutschland und Europa. Unser H2-Forschungsprojekt ist Teil des Verbundprojekts „Norddeutsches Reallabor“ (NRL), das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) gefördert wird. Ziel ist es, einen Transformationspfad für ein integriertes Energiesystem zu erproben, mit dessen Hilfe die CO2-Emissionen im Norden bis 2035 um 75 Prozent reduziert werden können. Allein unsere im Projektzeitraum geplanten Vorhaben können jährlich bis zu 330.000 Tonnen CO2 einsparen.

Hinter dem Norddeutschen Reallabor stehen mehr als 50 Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Die Modellregion umfasst die Bundesländer Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern sowie die Stadt Bremerhaven. Alle zusammen kooperieren in einer Energiewende-Allianz, um durch Innovationen wirtschaftliche Impulse auszulösen und so den Industriestandort Norddeutschland zu stärken.

Die Power-to-Gas-Technologie (PtG) bietet eine Option, überschüssigen Strom in gasförmige Energieträger umzuwandeln und ins Erdgasnetz einzuspeisen. Unser Teilvorhaben des Norddeutschen Reallabors untersucht, welche Synergien sich durch Wasserstofferzeugung am Standort einer Bioabfallvergärung mit Biomethaneinspeisung ergeben. Zu diesem Zweck wurde eine neue Elektrolyseanlage mit zugehöriger Wasserstoffperipherie errichtet. Dabei betrachten wir sowohl die Materialflüsse als auch den saisonalen Bioabfall und dessen Umwandlung, abhängig von den Prozessbedingungen, der möglichen CO2-Einsparung und den Kosten.

Als wir Anfang 2021 den Förderantrag stellten, konnten wir kein vergleichbares Projekt dieser Art der Methanisierung finden. Daher gehen wir davon aus, dass diese Untersuchungen zur biologischen In-situ-Methanisierung erstmalig durchgeführt werden. In-situ (lat. „unmittelbar am Ort“) bedeutet, dass die Methanisierung während der Herstellung des Biogases erfolgt. Bei Ex-situ findet die Methanisierung hingegen in einer nachgeschalteten Anlage statt. Unsere Ergebnisse fließen in Veröffentlichungen zum Einsatz der Wasserstofftechnologie in Bioabfallanlagen ein, um das wissenschaftliche und wirtschaftliche Potenzial auch in anderen Kommunen nutzbar zu machen.

© Stadtreinigung Hamburg/Thorge Huter

Der Geschäftsführer der Stadtreinigung Hamburg, Professor Rüdiger Siechau (2. von rechts), mit dem Projektteam vor der neuen Elektrolyse-Anlage.

Grüner Wasserstoff erhöht die Ausbeute an Biomethan

Mithilfe von Power-to-Gas und biologischer Methanisierung soll die Ausbeute an Biomethan um bis zu 20 Prozent steigen. Dadurch wird in gleicher Menge fossiles Erdgas im Gasnetz eingespart. Der produzierte CO2-freie Wasserstoff wird dem Entstehungsprozess der Fermentierung des Bioabfalls zugesetzt. So kann das im Biogas enthaltene biogene CO2 zu einem bedeutenden Anteil in Methan umgewandelt und als synthetisches Biomethan ebenfalls ins Gasnetz eingespeist werden. Der beschriebene Prozess der Stoffwechselung erfolgt in den Betriebsparametern der Fermentationsanlage. Der biologische Zersetzungsprozess von Bioabfällen (Fermentation) erfolgt in vier Schritten:

1. Die Hydrolyse zerlegt die Biomasse in Zucker, Aminosäuren und langkettige Fettsäuren.

2. Die Acidogenese wandelt die zerkleinerte Biomasse wird in organische Säuren und Gase um.

3. Die Acetogenese verarbeitet die Säuren und Gase zu Essigsäure, Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid.

4. Bei der Methanogenese entsteht schließlich das Rohbiogas (Methan, Kohlenstoffdioxid, Schwefelwasserstoff).

In der Biogasanlage am Bützberg erfolgt die Fermentation steuerungstechnisch in drei verschiedenen Phasen. Jede Phase unterscheidet sich in der Dauer, Zufuhr von Perkolatflüssigkeiten (Trägerflüssigkeit der unterschiedlichen Mikroorganismen aus den vier Zersetzungsprozessen), Spüldauer und -menge von Rohbiogasmenge für das Auflockern des eingefallenen Bioabfalls im Fermenter durch Perkolation sowie Dauer und Menge der Wasserstoffzufuhr.

Die Elektrolyseanlage hat eine Anschlussleistung von einem Megawatt. Der Stack ­besteht aus 129 Zellen (Hersteller Plug ­Power). Die Produktionsleistung beträgt circa 200 Normkubikmeter pro Stunde bei einem Ausgangsdruck von circa 36 bar in einer Gasqualität von 5,0. Letzteres ermöglicht eine Direktnutzung in Brennstoffzellen. Der entspricht zugleich dem Speicherdruck der nachgeschalteten Speichereinheit. Für die Nutzung in der Biogasanlage muss der Wasserstoffdruck jedoch mittels einer Gasdruckregelanlage auf 250 mbar heruntergedrosselt werden.

© Stadtreinigung Hamburg

Forschung im Vollbetrieb

Parallel zur Ausschreibung, Beschaffung, Planung und Errichtung der Elektrolyseuranlage haben wir die Zeit für Laborversuche an der Technischen Universität Hamburg (C.R.E.M.-Institut) genutzt. Hier konnten wir die ersten erfolgreichen Messergebnisse erzielen, die eine biologische Methanisierung im „In-situ“-Verfahren an einer Biogasanlage im Labormaßstab zeigen. Nach Fertigstellung der neuen Wasserstoffinfrastruktur an der Biogasanlage haben wir die Messergebnisse aus den Laborversuchen mithilfe von Druck-Wasserstoffflaschen reproduzieren können.

Seit Sommer dieses Jahres läuft der Forschungsbetrieb in 14 Fermenterboxen. Dabei werden die Prozessparameter der Fermentation und Zuführung von grünem Wasserstoff sehr unterschiedlich sein, um die bestmögliche Prozessführung der biologischen Methanisierung herauszuarbeiten. Ein computergestütztes Verfahrensmodell unterstützt uns dabei, indem es bei unterschiedlichen Prozessparametern Vorhersagen trifft.

Bis März 2027 wird die Forschung an der Realanlage betrieben. Es gibt bereits jetzt Ideen für Folgeprojekte, darunter eine eigene Abfüllanlage für Wasserstoff, eine Wasserstoff-Tankstelle sowie die Auskopplung von Wärme und Sauerstoff.

Das Biogas- und Kompostwerk ist eine Betriebsstätte der Müllverwertung Rugenberger Damm (MVR) GmbH, die wiederum eine Tochtergesellschaft der Stadtreinigung Hamburg AöR ist.

Marcel Schröder
Projektingenieur der Müllverwertung ­Rugenberger Damm

Anna-Maria Jeske
stellv. Pressesprecherin der Stadtreinigung ­Hamburg AöR

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