Handlungsort London. Seit einigen Monaten laufen bei der International Maritime Organisation (IMO) Verhandlungen über das IMO Net-Zero Framework. Im April wurde ein Ergebnis erzielt, das im Oktober offiziell angenommen werden soll. Kernpunkte: ein neuer Kraftstoffstandard für Schiffe und ein globaler Mechanismus zur Emissionsbepreisung.
Um es vorwegzunehmen: Trotz einiger Schwächen schafft der IMO-Rahmen ein rechtlich bindendes System zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen in der weltweiten Schifffahrt. Bei sorgfältiger Umsetzung kann es erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung grüner Kraftstoffmärkte weltweit haben, vergleichbar mit Quoten für SAF im Flugverkehr.
Das Ergebnis vom April war kein Selbstläufer. Einflussreiche Staaten wie Indien waren gegen den Rahmen. Erst als große Unternehmen aus dem Erneuerbaren-Sektor der indischen Regierung klarmachten, welche Chancen Quoten für die heimische Produktion von grünen Kraftstoffen bieten, setzte sie sich dafür ein. Auch andere Staaten wie China haben die Chancen einer Quotenregelung für den Hochlauf eines globalen Marktes für grüne Derivate erkannt und warben in vielen langen Hintergrund-Gesprächen in London für das Vorhaben.
Die Balance ist entscheidend, um im Oktober die Zustimmung möglichst vieler IMO-Mitgliedstaaten zu gewinnen. Der geplante IMO Net-Zero-Fonds soll daher Anreize für „Zero oder Near Zero“ (ZNZ) Kraftstoffe mit Unterstützung für eine faire Transformation kombinieren, inklusive Zahlungen an besonders betroffene Staaten. Um ein positives Signal und einen erfreulichen Effekt auf den Hochlauf der hiesigen Wasserstoffwirtschaft zu erzielen, müssen die Definition und Prämienregeln für ZNZ-Kraftstoffe skalierbare und wirklich nahezu emissionsfreie Lösungen wie grünes Ammoniak priorisieren. Die Förderung muss sich auf jene grünen Kraftstoffe konzentrieren, die langfristig benötigt werden und kurzfristig mangels Nachfrage schwer zu skalieren sind.
Trotzdem schmeckt das Ergebnis vom April nicht allen Mitgliedern. Manche versuchen, das Abkommen zu verhindern oder abzuschwächen und die Umsetzung zu verzögern. Mehrere erdölexportierende Staaten lehnen den Plan ab und werben für LNG im Schiffsverkehr. Länder, die stark auf die Schifffahrt für den Handel angewiesen sind, befürchten steigende Inflation, insbesondere bei Energie, Dünger und Lebensmitteln.
Die US-Regierung hat jüngst im Schulterschluss mit Petrostaaten anderen IMO-Mitgliedern, die im Oktober für das Net-Zero Framework stimmen wollen, mit empfindlichen Gegenmaßnahmen gedroht. Ein beispielloser Vorgang. Auf der anderen Seite enthielten sich im April viele Inselstaaten der Stimme. Sie sehen das Verfahren als unzureichend für den Schutz vulnerabler Staaten im Klimawandel.
In den nächsten Wochen müssen Befürworter des IMO-Frameworks weitere internationale Unterstützung mobilisieren. Insbesondere Dänemark (Ratspräsidentschaft) und Deutschland sollten gemeinsam mit der EU Führungsstärke zeigen. Derzeit stimmen die EU-Mitgliedstaaten ihre Position unter Federführung der EU-Kommission ab. Gut so!