Jan Rispens, Leiter des Clusters Erneuerbare Energien Hamburg (EEHH), blickt auf die Wasserstoff-Messe in Hamburg und darauf, wie sich der Wasserstoff-Hochlauf beschleunigen ließe.
HZwei: Vom 21. bis 23. Oktober findet in Hamburg die „Hydrogen Technology World Expo“ statt. Schon 2024 war die Wasserstoffmesse ein großer Erfolg. Und dieses Jahr werden es offenbar noch mehr Teilnehmer sein?
Jan Rispens: Ja, allein die vermietete Fläche ist in diesem Jahr um 30 Prozent größer als vorher. Und auch die Zahl der Aussteller ist erheblich gestiegen. Es gibt also ein sehr großes Interesse, an dieser Messe teilzunehmen. Außerdem wurde sie von zwei auf drei Tage erweitert, weil zwei Tage doch recht kurz waren. Und insofern wird die Hydrogen Technology World Expo für Europa eine Leitmesse sein. Und, ich glaube, auch weltweit.
Was gibt es zu erwarten?
Was wir auf jeden Fall auf dieser Messe sehen werden, ist, dass die Technologie noch weiter ausgereift ist. Elektrolyseure, Kompressoren, Speicher – also, die technische Entwicklung schreitet voran.
Was könnte anders sein als im vorigen Jahr?
Ich denke, dass sich noch mehr die Spreu vom Weizen getrennt hat. Vielleicht wird es weniger Euphorie geben, aber dafür mehr echte Aufträge und Verträge.
Nun ist Hamburg ja nicht der einzige Ort für Wasserstoff-Messen. Wie steht die Hansestadt im internationalen Vergleich da, etwa mit Rotterdam?
Ja, es gibt andere Messen und Veranstaltungen. Es gibt auch die European Hydrogen Week in Brüssel. Doch ich glaube, die Messe mit dem höchsten Technologieanteil ist die Hydrogen Technology World Expo in Hamburg. Da ist die geballte deutsche Technologiekompetenz vertreten, plus die europäische und internationale.
Was hat Hamburg außer dem Messe-Standort noch zu bieten in Sachen Wasserstoff und erneuerbare Energien?
Hamburg ist fest entschlossen, ein Zentrum für grünen Wasserstoff zu werden. Sowohl für die Produktion von grünem Wasserstoff als auch für dessen Import. Dazu gehört natürlich der Ausbau der erneuerbaren Energien. Für einen Stadtstaat ist Hamburg in diesem Bereich sehr ambitioniert, finde ich. Zum Beispiel realisiert die Hansestadt auf ihren eigenen Flächen Windparks, etwa im Hafen oder in den Randbezirken. Also, da steckt schon viel Ambition dahinter, auch wenn das in einem Stadtstaat nur in einer kleineren Dimension möglich ist als in einem Flächenland.
Was plant denn der neue rot-grüne Senat künftig für die Energiewende?
Hamburg hat das Ziel, beim Thema Solar sehr viel besser zu werden als in der Vergangenheit. Die Stadtverwaltung sagt auch, wir wollen mit dem Gewerbe, der Industrie und auch mit der Wohnungswirtschaft gucken, wie wir deutlich mehr Solarmodule installieren können, als in den letzten Jahren. Ich glaube, da ist etwas in Bewegung gekommen.
Und im Bereich Wasserstoff?
Das Ziel der Industrie-Dekarbonisierung mit grünem Wasserstoff wird ebenfalls weiter verfolgt, die Ambition ist ungebrochen. Dafür stellt Hamburg auch große Finanzmittel bereit. Zum Beispiel für die IPCEI-Projekte, die dem Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft dienen, das unterstützt Hamburg mit rund 220 Millionen Euro an Fördermitteln; zusätzlich zu den Bundesmitteln.
Was ist da genau geplant und wie soll das umgesetzt werden?
Das läuft sehr stark über die städtischen Unternehmen Hamburger Energiewerke und Hamburger Energienetze. Die sind zu hundert Prozent im Eigentum der Stadt. Die Hamburger Energiewerke realisieren gemeinsam mit dem Unternehmen Luxcara einen 100 Megawatt Elektrolyseur am Standort Moorburg. Die Hamburger Energienetze realisieren ein 40 Kilometer langes Leitungsnetz, um Wasserstoff zu den wichtigsten Energiekunden im Hafen transportieren zu können.
Die Politik unterstützt zudem auch die Privatwirtschaft bei der Umstellung auf Wasserstoff. Beispielsweise die Betreiber von Tanklagern und Terminals, damit der Import von grünen Treibstoffen möglich wird. Derzeit gibt es einen Antrag auf Genehmigung für einen Ammoniak-Terminal. Ein positiver Bescheid dafür wird in nächster Zeit erwartet. Außerdem haben die Arbeiten begonnen, um Tanks, in denen derzeit fossiles Öl lagert, in Methanol-Tanks umzuwandeln. Die Stadt unterstützt das mit zügigen Genehmigungsverfahren; dahinter spürt man auch eine hohe Motivation seitens der Verwaltung. Ich würde sagen, Hamburg tut alles dafür, damit wir in Deutschland grünen Wasserstoff und grüne Treibstoffe importieren können.
Kommen wir zur Bundespolitik: Beim Wasserstoff ist kein klarer Kurs erkennbar. Und der schnelle Erneuerbaren-Ausbau wird sogar in Frage gestellt – was lässt sich da erwarten?
Auf der einen Seite kann ich verstehen, dass eine neue Regierung erstmal einen Kassensturz machen will. Auf der anderen Seite muss man sagen, der zügige Ausbau der Erneuerbaren ist eigentlich eine No-Regret-Maßnahme. Da kann man nicht viel falsch machen. Auch nicht, wenn man die Ausbauziele früher erreicht. Im Gegenteil, das wäre nur vorteilhaft; erst recht im Hinblick auf Wasserstoff. Allerdings könnte man das Ganze vielleicht kosteneffizienter machen.
In welcher Hinsicht?
Bei der Infrastruktur. Wenn man jetzt den Ausbau der Infrastruktur verlangsamt und später stellt sich heraus: Die Infrastruktur ist komplett ausgelastet, ich muss viele Grünstromversorger abregeln – das lässt sich kurzfristig nicht mehr korrigieren. Deshalb meine ich, man sollte beim Ausbau der Infrastruktur nicht an Momentum verlieren. Das gilt für Stromnetze ebenso wie für die entstehenden Wasserstoffnetze. Heute verlieren wir leider viel wertvollen Grünstrom, da die Leitungen nach Süddeutschland überlastet sind und nicht schnell genug gebaut werden können.
Dazu kommt die Diskussion über Gaskraftwerke. Erstmal nur für Erdgas oder gleich wasserstofffähig?
Wichtig ist erstmal, dass wir schnell überhaupt eine Entscheidung über Gaskraftwerke bekommen. Wir wollen ja Kohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von 30 Gigawatt abschalten. Wenn die nicht mehr da sind, benötigen wir für Dunkelflauten Ersatz, insbesondere im Winter. Uns als EEHH-Cluster wäre es lieber, wir hätten dafür hochflexible Gaskraftwerke, die wir zunächst mit Erdgas betreiben und später sukzessive mit Wasserstoff.
„Die stündliche Bilanzierung und die Zusätzlichkeit führen dazu, dass der Wasserstoff um 50 Prozent teurer wird als nötig.“
Brauchen wir denn 20 Gigawatt oder wäre der Ersatz der Kohlekraftwerke auch mit weniger Leistung möglich?
20 Gigawatt sind, glaube ich, relativ viel, aber 10 Gigawatt halte ich für durchaus angemessen. Die hatte die Ampelregierung auch geplant und dafür bei der EU-Kommission in Brüssel eine beihilferechtliche Genehmigung beantragt. Für die Kraftwerke sollte man jetzt schnell die Rahmenbedingungen schaffen. Meiner Ansicht nach dürften die meisten Unternehmen, die dann diese Gaskraftwerke bauen werden, ein Interesse daran haben, dass die bereits H2-ready sind. Denn sonst hätten sie in zehn oder zwanzig Jahren eine „verlorene Investition“. Sie werden also dafür sorgen, ein Gaskraftwerk zu bauen, das später auch mit Wasserstoff in verschiedenen Mischverhältnissen betrieben werden kann. Vielleicht sogar bis hin zu hundert Prozent Wasserstoff.
Wie ist da der Stand der Technik?
Also, im Prototyp-Stadium sind die Turbinen bereits verfügbar; sowohl in Japan als auch in Deutschland. Bei allen Erdgaskraftwerken, die heute geplant werden, machen sich die Investoren Gedanken darüber, wie die Kraftwerke in zehn, zwanzig Jahren betrieben werden können, und ob das auch mit Wasserstoff geht. Das gilt ebenso für die Gas- und Dampfturbinen-Anlage der Hamburger Energiewerke, die sie derzeit auf der Elbinsel Dradenau bauen.
Dennoch herrscht momentan der Eindruck vor, dass der Wasserstoffhochlauf stockt. Projekte werden verschoben oder ganz abgesagt. Woran mag das liegen?
Das Hauptproblem ist der Delegated Act der Europäischen Union, die RED II- und III-Direktiven, mit denen man relativ schnell zu einer stündlichen Bilanzierung kommen will. Um den Elektrolyse-Strom aus Windparks oder Solaranlagen stündlich bilanzieren zu können, muss diese Strommenge auch über PPAs eingekauft werden. Bis 2030 darf die Bilanzierung noch monatlich stattfinden. Aber da die meisten Projekte nicht vor 2030 fertig sein dürften, landen sie sofort in der stündlichen Bilanzierung.
Das bedeutet, dass …?
… dass man sehr viel größere Mengen Grünstrom einkaufen muss als bei einer monatlichen Bilanzierung, um den Bedarf für die Elektrolyse jederzeit stündlich abdecken zu können. Grünstrom, der langfristig über PPAs mit Herkunftsnachweisen eingekauft wird, ist relativ teuer. Die Regelung der Stundenbilanzierung ab 2030 macht den produzierten Wasserstoff somit noch teurer.
Es gibt zudem ein zweites Kriterium, die sogenannte Zusätzlichkeit. Ein zusätzliches Hindernis?
Ja, denn das bedeutet, dass ich für die Elektrolyse nur Strom aus neuen Windparks oder neuen Solaranlagen nutzen darf. Der Markt für neue Windparks und Solaranlagen ist jedoch kompliziert. Ich hätte eine viel größere Auswahl, wenn ich Strom von allen Grünstrom-Anbietern beziehen könnte. Also aus alten und neuen EE-Anlagen. Das wäre deutlich günstiger. Inzwischen erhalten viele alte Windparks keine EEG-Vergütung mehr und deren Betreiber bieten ihren Strom auf dem Markt an. Doch aufgrund der Zusätzlichkeitsregelung können Elektrolyse-Betreiber dieses Angebot nicht nutzen..
„Die Zusätzlichkeitsregulierung könnte man komplett streichen. Warum sollte ein Elektrolyseur nur Strom aus neuen Wind- und Solarparks beziehen dürfen? Das ist völlig sinnlos!“
Das sind zwei starke Hemmnisse für den Wasserstoff-Hochlauf?
Absolut. Die stündliche Bilanzierung und die Zusätzlichkeit führen dazu, dass der Wasserstoff um etwa 50 Prozent teurer wird, als nötig. Ein Industrie-Unternehmen, das seine Produktion mit Hilfe von grünem Wasserstoff dekarbonisieren will, steht bereits heute vor der Herausforderung, dass das um den Faktor zwei bis fünf teurer ist, als wenn der Wasserstoff aus Erdgas stammt. Und wenn der Wasserstoff durch diese zwei Regelungen nochmal 50 Prozent teurer wird, ist das ein extremes Investitionshemmnis. Das ist auch der Hauptgrund dafür, warum viele potenzielle Abnehmer jetzt nicht investieren, sondern abwarten.
Dabei ließen sich diese regulatorischen Bremsen doch relativ einfach lösen, oder?
Auf jeden Fall! Die Zusätzlichkeitsregulierung könnte man komplett streichen. Warum sollte ein Elektrolyseur nur Strom aus neuen Wind- und Solarparks beziehen dürfen? Das ist völlig sinnlos und gilt weder für E-Ladesäulen noch für Rechenzentren. Und für keinen anderen Bereich der Wirtschaft. Warum also nur für Elektrolyseure? Ich sehe keinen ökologischen Nutzen dahinter.
Es gibt noch einen weiteren Grund, warum ich das abschaffen würde. Wenn die europäischen Länder ihre Ausbauziele für erneuerbare Energien erreichen, liegt deren Anteil am Strommix schon 2030 bei über 80 Prozent. Dann spielt die Zusätzlichkeit keine Rolle mehr, da die CO2-Intensität des Stroms gering geworden ist. Was die stündliche Bilanzierung angeht, sollten wir die Fristen daher auf 2035 oder sogar noch später verlängern. Das heißt, bis mindestens 2035 darf monatlich bilanziert werden. Zu diesem Zeitpunkt wird der Anteil erneuerbarer Energien im Stromsektor in der EU schon sehr hoch sein. In Deutschland soll er dann sogar bei 100 Prozent liegen. Für einen Elektrolysebetreiber ist es dann egal, ob er monatlich oder stündlich bilanziert und ob der Strom aus alten oder neuen Wind- bzw. Solaranlagen stammt. Insofern wäre diese Lösung aus meiner Sicht einfach und ökologisch gut vertretbar. Dafür braucht es aber auch in Brüssel die Einsicht, dass wir mit der jetzigen, zu starren Regulatorik beim Wasserstoffhochlauf in der EU im Jahr 2030 ziemlich desolat dastehen werden.
Über Jan Rispens
Seit 2010 leitet Jan Rispens das Cluster Erneuerbare Energien Hamburg (EEHH), ein Branchennetz in der Metropolregion Hamburg mit rund 300 Unternehmen und Instituten. Seit 2021 baut die EEHH mit der Wasserstoffwirtschaft ein eigenes Clustersegment auf, das inzwischen rund 80 Mitglieder umfasst. Jan Rispens, in den Niederlanden geboren, wo er ein Elektrotechnik-Studium abschloss, arbeitete zuvor bei Greenpeace Deutschland sowie bei der Deutschen Energie Agentur. Von 2002 bis 2010baute er als Geschäftsführer die Windenergie Agentur Bremerhaven/Bremen e.V. (WAB) auf. Er ist Mitglied im Messe-Beirat der „Hydrogen Technology World Expo“.
Schon im vergangenen Jahr stieß die Wasserstoffmesse in Hamburg auf reges Interesse.
Über die „Hydrogen Technology World Expo“ 2025 in Hamburg
Mehr als 1.000 Unternehmen, 20.000 Teilnehmer und 300 Referenten haben sich dieses Jahr für die nach eigenen Angaben „weltweit größte Lieferantenmesse für Wasserstofftechnologien“ angemeldet. Die Aussteller und Referenten bieten technische Lösungen, Produktionsanlagen, Komponenten, innovative Materialien entlang der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette. Von der Produktion über die Anwendung, in mobilen oder stationären Systemen, Transport und Speicherung. Die Hersteller von Elektrolyseuren, Brennstoffzellen, CO2-neutralen Kraftstoffen bieten ihre Expertise für Infrastruktur und Dienstleistungen an.
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