Wem die Firma Refire bislang noch unbekannt war, der dürfte spätestens bei der Nennung des Namens Clean Logistics hellhörig werden, denn das niedersächsische Start-up verfügt über einen Liefervertrag für Deutschland mit dem chinesischen Brennstoffzellenunternehmen. So erstaunte es auch nicht, dass Audrey Ma während der Feierlichkeiten zur Präsentation des fyuriant vergangenen Sommer in Stade (s. HZwei-Heft Okt. 2022) als Ehrengast geladen war. HZwei hatte die Gelegenheit, mit Audrey Ma, Vizepräsidentin für internationale Märkte, Marketing und Kommunikation der Refire-Group, während der IAA Nfz in Hannover zu sprechen.
HZwei: Frau Ma, seit wann gibt es Refire und seit wann sind Sie mit dabei?
Ma: Die Refire-Group hat gerade gestern ihr siebtes Jahr erreicht. Es war damals ein sehr kleines Gründer-Team, eine Gruppe von drei Ingenieuren, die im Brennstoffzellenbereich tätig waren. Ich bin Anfang 2017 dazugestoßen. Innerhalb der vergangenen Jahre sind wir zu einem Team von fast 700 Mitarbeitenden angewachsen.
Was war damals Ihr Ziel?
Unser gemeinsames Ziel war, die Brennstoffzellentechnik zur Kommerzialisierung weiterzuentwickeln, so wie wir es jetzt hier in den Messehallen sehen. Ich glaube, wir können behaupten, dass wir dazu beigetragen haben, die Brennstoffzellentechnik marktreif zu machen.
Können Sie uns dafür Beispiele nennen?
2017 brachten wir unsere erste BZ-Fahrzeugflotte in Shanghai auf die Straße. Die Prototypenentwicklung, einschließlich der Integrierung eines BZ-Systems, übernahmen wir. Unser damaliger Partner Dongfeng, ein großer chinesischer OEM, baute dann 500 7,5-t-Delivery-Trucks. Das war ein wirklich schwieriges Unterfangen und wir lernten viel darüber – von der Wasserstofferzeugung bis zur Frage, wer die Wartungsarbeit übernimmt. Wir haben daraufhin unsere Bemühungen verdoppelt und unter anderem mit Partnern eine eigene H2-Station installiert, damit unsere Fahrer tanken konnten. Und wir mussten Betreiber finden, die die Fahrzeuge nutzen und sie an Endverbraucherunternehmen vermarkten. Wir waren es dann auch, die den After-Sales-Service organisierten, nicht die OEMs oder die Betreiber.
Also eine komplett neuartige Herangehensweise, solch eine Technologie in Kundenhand zu bringen.
Ja, die alte Vorgehensweise hätte hier nicht funktioniert. Wir mussten komplett neue Pfade beschreiten. Anders wäre es nicht gegangen.
Warum sind Sie heute hier?
Wir haben heute ein Brennstoffzellensystem mitgebracht, das direkt aus der Produktionsstraße kommt. Dies ist kein Prototyp. Mit diesem System werden wir bis Ende des Jahres über 1 Mio. Kilometer zurücklegen. Es verfügt über eine Leistung von 117 kW und wurde bereits in einige Hundert Schwerlastfahrzeuge integriert. Wir arbeiten mit unterschiedlichen Partnerfirmen zusammen – in China und auch außerhalb Chinas, inklusive Deutschland, um Fahrzeuge mit diesen Modulen auszustatten.
Also sind Sie ein klassischer Systemintegrator.
Ja, wir integrieren Brennstoffzellentechnik in unterschiedliche Anwendungen. Als Refire-Gruppe haben wir drei Tochterunternehmen, die BZ-Technologien entwickeln und Produkte herstellen. So haben wir eine Geschäftseinheit Unilia für die Stacks. Pando stellt Produkte der BZ-Leistungselektronik her. Refire Technology baut komplette BZ-Systeme. Diese drei Tochterunternehmen agieren zwar unabhängig voneinander, aber unter einem gemeinsamen Dach.
Also produzieren Sie Ihren eigenen Brennstoffzellen-Stack, verwenden aber für Ihre Systeme auch Stacks von anderen Herstellern wie zum Beispiel Ballard?
Das ist korrekt. Beim Aufbau von BZ-Systemen können unsere eigenen, aber auch Stacks anderer Hersteller zum Einsatz kommen. In einem Projekt arbeiten wir beispielsweise zusammen mit Toyota als Stack-Partner, aber es gibt auch deutsche, kanadische und chinesische Stack-Zulieferer, mit denen wir gearbeitet haben.
Verstehe. Um was für Anwendungen kümmern Sie sich mit Refire Technology?
Wir fokussieren uns auf verschiedene Anwendungen bei Nutzfahrzeugen und stationäre Energie. Dabei liefern wir nicht nur die Brennstoffzellen-Systeme und Kernkomponenten, wir bieten auch Ingenieurdienstleistungen für deren Anwendung an. Manchmal bieten wir auch schlüsselfertige Lösungen an, um Kunden bei der Dekarbonisierung spezifischer und einzigartiger Endanwendungen zu helfen.
So wie Sie es auch bei Clean Logistics machen?
Also, Clean Logistics hat sein eigenes Ingenieur-Team, das in der Vergangenheit bereits Erfahrungen bei der Umrüstung von Diesel- auf elektrische Antriebe gesammelt hat. Jetzt fügen die noch Brennstoffzellen hinzu. Das Modell, das wir bei vielen anderen OEMs, beispielsweise in China, anwenden, sieht so aus, dass wir deren Chassis nutzen und dafür eine passende Antriebseinheit kreieren. Wir schauen, welches System am besten für welche Anwendung passt und fügen die verschiedenen Komponenten dann zusammen, um dann das fertige Brennstoffzellenfahrzeugmodell an den OEM übergeben zu können.
Wie viele Systeme haben Sie bereits ausgeliefert?
Wir haben inzwischen insgesamt rund 4.500 Brennstoffzellensysteme für die Integration in Nutzfahrzeuge ausgeliefert. Diese Fahrzeuge haben mittlerweile 3.500 t Wasserstoff umgesetzt. Die gesamte Flotte hat 125 Mio. Kilometer zurückgelegt, und diese Zahlen steigen mit jedem Tag. Wie ich bereits gesagt habe, wollen wir aber nicht nur Systeme produzieren, sondern sie auch in den Markt bringen und daraus ein Geschäftsmodell generieren, das dann in den Händen der Fahrer liegt und nicht mehr in den Händen der Wissenschaftler. Sobald die OEMs den von uns designten Prototyp homologiert haben, können sie die Produktion hochskalieren und Flottenbetreiber ihre Bestellungen aufgeben.
Sie sitzen in Shanghai in China, schauen aber auch nach Deutschland und Amerika. Wo liegt Ihr globaler Fokus?
Danke für diese Frage. Also, unser Hauptsitz ist in Shanghai. Wir haben zwei Anwendungszentren – eines in Shanghai. Das zweite haben wir 2017 in Vancouver, Kanada, aufgebaut. Ein drittes Technikzentrum in Deutschland, das unsere Kunden auf dem europäischen Markt bedienen wird, ist in Planung.
Okay, könnte dies auch ein europäischer Produktionsstandort werden?
Dies ist tatsächlich nicht ganz abwegig, sondern durchaus Teil unserer Überlegungen. Ich denke, es ergibt durchaus Sinn, hier, wo wir unsere Dienstleistungen anbieten, auch stärker verwurzelt zu sein. Solch ein Engagement muss aber zeitlich passen. Dieses Jahr reicht unsere Kapazität mit 5.000 Systemen jährlich für die weltweite Nachfrage aus. Ob und wann es für uns infrage kommen sollte, hier eine Produktionsstätte aufzubauen, hängt vom politischen Rahmenwerk sowie vom Auftragsvolumen ab. Mittel- und langfristig erwarten wir aber, dass Deutschland ein wichtiger Hub für uns wird, weil es in Europa wirklich zu brodeln beginnt.
Wenn Sie hier nach Europa schauen, wo sehen Sie die besten Rahmenbedingungen?
Wenn man nach Europa kommt, kommt man an Deutschland nicht vorbei. Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir hier bereits 2016 feste Kooperationen mit Lieferkettenpartnern knüpfen konnten. Bis 2018 hatten wir unsere ersten Endkunden gefunden, und wir erlangten eine gewisse Sichtbarkeit auf der IAA desselben Jahres. Dieses Jahr haben wir diese Zusammenarbeit weiter intensiviert, auch um den hiesigen Partnern ein schnelleres Wachstum zu ermöglichen. Wissen Sie, die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnik benötigt sehr viel mehr Zusammenarbeit. Nur gemeinsam kann ein funktionierender Markt gestaltet werden.
Schauen Sie dabei eher auf die großen oder auch auf die kleinen Unternehmen?
Es ist wirklich interessant zu beobachten, mit welchem Schwung die kleineren, agileren Firmen etwas unternehmen. Sie wollen einen Wechsel sehen. Sie haben keine Angst, obwohl es noch viele Unsicherheiten gibt. Auch wir sind als ein sehr kleines Unternehmen gestartet – mit drei Ingenieuren. Wir arbeiten auch mit größeren Branchenakteuren. Hier in der IAA-Halle 12 beispielsweise steht ein 3,5-t-BZ-Kleintransporter, den Schaeffler und Refire zusammen im Ganzen fertiggestellt haben. Wir haben hier auch eine einleitende Präsentation über eine Zusammenarbeit mit Garrett gegeben. Und Continental ist auch ein Partner für unsere Produkte. Auf der Fahrzeugseite kooperieren wir zum Beispiel mit Mitsubishi Fuso, einem Daimler-Tochterunternehmen, an dessen erstem BZ-Truck. Unabhängig von der Größe des Unternehmens wissen wir, dass wir gute Arbeit abliefern müssen – gemeinsam mit unseren Partnern.
Welche Auswirkungen hat die Marktvolatilität auf Refire?
Wie alle Marktteilnehmer müssen auch wir uns über die sich verändernde Landschaft im Klaren sein. Wir versuchen, flexible Rahmenbedingungen zu schaffen, wo wir können, und konzentrieren uns lieber auf Bereiche, in denen wir einen positiven Einfluss ausüben können. Insbesondere in dieser Branche ist Kooperation wichtiger als Konkurrenzkampf. Wir ermöglichen durch Wissensaustausch und Förderung von Beziehungen das Wachstum des Wasserstoff-Ökosystems und -Marktes. Letztendlich erwarten wir, dass wir florieren können, wenn wir unseren Kunden und Partnern einen nachhaltigen Mehrwert bieten können.
Letzte Frage: Wann erwarten Sie einen Ramp-up mit nennenswerten Stückzahlen?
Die Brennstoffzellensysteme von Refire treiben derzeit 3.500 Fahrzeuge auf den Straßen an. Wenn wir über Ramp-up reden, können wir China nicht ignorieren – das ist klar. China verfügt bislang insgesamt über 10.000 H2-Fahrzeuge und plant 50.000 Fahrzeuge bis 2025 – was unserer Meinung nach eine erreichbare Anzahl ist. Parallel dazu werden weltweit kleinere Flotten aufgebaut. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts erwarten wir, dass etliche weitere OEM-Projekte und -Produkte auf die Straßen von Europa, Nordamerika und Asien kommen.
Herzlichen Dank für Ihre Zeit und Ihre Antworten.
Interviewer: Sven Geitmann