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H2 - und Stromerzeugung mit Hilfe von Mikroorganismen

Blaualgen haben keinen guten Ruf. Wenn sie in Badeseen auftauchen, sorgen ihre giftigen Stoffwechselprodukte für Übelkeit und Atemnot. Doch sie sind die Grundlage allen Lebens auf der Erde. Dabei sind diese besonderen Mikroben eigentlich gar keine Algen, sondern bläuliche Bakterien – heute nennt man sie daher auch Cyanobakterien.

Vor Milliarden von Jahren haben sie die Fähigkeit entwickelt, Sonnenlicht in Energie umzuwandeln und zu speichern. Erst dank dieses Prozesses, der Photosynthese, konnten sich komplexere Lebensformen entwickeln.

Heute versuchen Forschende, die Photosynthese zu nutzen, um umweltfreundlich Wasserstoff zu gewinnen. Dabei setzen sie auf bestimmte Enzyme, sogenannte Hydrogenasen, die aus Blaualgen oder „echten“ Algen stammen können.

Wasserstoff durch Photosynthese

Der Prozess der Photosynthese läuft in mehreren Schritten ab: Im sogenannten Photosystem 1 setzt das Sonnenlicht energiereiche Elektronen frei. Normalerweise würde die Zelle diese nutzen, um in weiteren Schritten Energie in Form von Zuckern einzuspeichern. Das Enzym Hydrogenase kann diese Elektronen abfangen und stattdessen an freie H+-Ionen binden, die überall in der Zelle verfügbar sind. So entsteht auf biologischem Wege Wasserstoff aus Sonnenlicht.

Dieser Prozess ist ein Relikt aus Zeiten, in denen auf der Erde noch völlig andere Bedingungen herrschten. „Man kann diesen Stoffwechsel provozieren, indem man die Algen in einem luftdichten Gefäß auf eine Art Schwefeldiät setzt. Nachdem sie den Sauerstoff verbraucht haben, beginnen sie mit der Produktion von Wasserstoff, der in kleinen Bläschen aufsteigt“, schildert Christina Marx von der Arbeitsgruppe Photobiotechnologie der Ruhr-Universität Bochum (RUB).

Suche nach dem perfekten Enzym

Auch Kirstin Gutekunst, Professorin für Molekulare Pflanzenphysiologie an der Universität Kassel, betont: „Kein Organismus hat Interesse daran, primär Wasserstoff für die Menschen zu produzieren.“ Will man die Wasserstoffproduktion forcieren, muss man die Hydrogenase daher künstlich mit dem Photosystem I verbinden. Eine wesentliche Herausforderung dabei ist, dass die Hydrogenase empfindlich auf den Sauerstoff reagiert, der ebenfalls bei der Photosynthese während der Wasserspaltung entsteht.

Marx, Gutekunst und andere Forschende suchen deshalb im Labor nach Mikroorganismen, Enzymen und anderen biologischen Bauteilen, die möglichst viel Wasserstoff produzieren und gleichzeitig von Sauerstoff nicht zerstört werden.

Gutekunst leitete 2020 eine Forschungsgruppe der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), der es gelang, den Prozess erstmals in einem lebenden Cyanobakterium ablaufen zu lassen. Der Vorteil dabei ist, dass das Bakterium sich selbst repariert und somit der Prozess stabiler wird. Auch die H2-Ausbeute fiel dabei deutlich höher aus als in früheren Projekten. Allerdings holten die Cyanobakterien die Elektronen nicht nur aus der Wasserspaltung, sondern auch aus Zucker. „Den Zucker muss der Organismus vorher entweder selbst erzeugen oder man muss ihn von außen zuführen. Was wir wollen, ist, den Wasserstoff ausschließlich mit Wasser und Sonnenlicht zu erzeugen“, erklärt Gutekunst.

Im Rahmen ihrer Professur in Kassel forscht sie weiter nach geeigneten Hydrogenasen. „Gerade untersuchen wir ein Enzym aus Knallgas-Bakterien. Es ist ziemlich resistent gegen Sauerstoff. Leider nimmt es eher H2 auf, als ihn zu produzieren“, sagt Gutekunst. Deshalb arbeitet ihr Team parallel mit verschiedenen Mutationen – immer auf der Suche nach dem Alleskönner.

Auch die Arbeitsgruppe Photobiotechnologie um Prof. Thomas Happe an der RUB, zu der auch Marx gehört, sucht das perfekte Enzym für die Wasserstofferzeugung. Gemeinsam mit der Universität Osaka wollen die Forschenden der RUB die Strukturen und Mechanismen noch besser verstehen, indem sie tiefkalte Enzymproben und andere biologische Bausteine unter dem Elektronenmikroskop betrachten. Ihr Ziel ist es, die Enzyme nicht nur aktiver und stabiler zu machen, sondern auch einfachere Strukturen zu entwickeln, die sich technisch leichter nutzen lassen.

„Wir arbeiten an sogenannten Minienzymen. Diese haben die Funktion der Hydrogenase, sind aber kleiner und einfacher aufgebaut. Sie enthalten praktisch nur das aktive Zentrum und die nötige Struktur, damit sie sowohl Wasserstoff katalytisch herstellen als auch Wasserstoff spalten können. So wird es leichter, sie später auch kommerziell herstellen und nutzen zu können“, sagt Happe.

Eine Herausforderung ist weiterhin die Empfindlichkeit gegen Sauerstoff. Manche Enzyme, wie das an der RUB untersuchte CbA5H, können sich gegen Sauerstoff abschirmen. „Das ist ein wichtiger Schritt, weil so das aktive Zentrum intakt bleibt“, sagt Marx. „Doch sobald Sauerstoff in der Umgebung vorhanden ist, wird bei dem Enzym sozusagen die Pause-Taste gedrückt und es produziert zwar keinen Wasserstoff mehr, wird aber wie praktisch alle anderen Enzyme nicht durch Sauerstoff zerstört. Unser Ziel ist es, ein Enzym zu entwickeln, das den Sauerstoff nicht ins aktive Zentrum vordringen lässt und gleichzeitig weiter Wasserstoff produziert.“

Damit sich diese Enzyme technisch nutzen lassen, müssen sie auf Oberflächen aufgebracht werden, und zwar so, dass sie lange halten und möglichst effizient arbeiten können. Diese Aufgabe will das Team der RUB in weiteren Projekten angehen.

Fermentierung: Bakterien erzeugen H2 aus Biomasse

Der Vorteil der Fermentierung im Vergleich zu den Photosynthese-Prozessen ist, dass sie deutlich näher an der kommerziellen Nutzung ist. Während die Forschenden bei den Enzymen noch an den Grundlagen tüfteln, geht im Projekt HyPerFerment II bereits ein kleiner Pilotreaktor in Betrieb. Der Nachteil: Während Wasser und Sonnenlicht praktisch unbegrenzt zur Verfügung stehen, braucht man für die Fermentation geeignete Substrate.

Dabei handelt es sich im Wesentlichen um dieselben Rohstoffe, aus denen auch Biogas erzeugt wird. „Unser Ziel ist es daher, die Wasserstofferzeugung vor der Biogaserzeugung stattfinden zu lassen. In dieser Vorfermentation bauen die Mikroorganismen die Substrate nur in geringem Maße ab. Die Biogasproduktion im nächsten Schritt kann dadurch unter Umständen sogar höher ausfallen“, sagt Fabian Giebner, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Mikrobiologie-Unternehmen MicroPro GmbH und Projektleiter von HyPerFerment II. In den Laborversuchen mit Maissilage, Zuckerrübenschnitzeln und Melasse stieg die Methanproduktion um etwa ein Drittel. Das Konsortium, zu dem auch die Streicher Anlagenbau GmbH & Co. KG und das Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF gehören, hat gerade neben einer Biogasanlage in Magdeburg einen 10 m3 großen Testfermenter aufgebaut (s. Abb. 3). In diesem will es mit Parametern experimentieren, um die optimale Betriebsweise herauszufinden. Giebner rechnet damit, dass die

Bakterien in der Pilotanlage mindestens 4 bis 5 kg Wasserstoff täglich produzieren. Hinzu kommt eine etwas kleinere Menge CO2. Methan wird dort kaum entstehen: Die entsprechenden Organismen, die in Biogasanlagen dominieren, haben wegen des pH-Werts deutlich unter 6 und der Temperatur von fast 60 °C im Wasserstoff-Fermenter keine Chance.

Abb. 3: Der kleine Pilot-Fermenter (hier liegend) aus dem Projekt HyPerFerment II steht mittlerweile neben einer Biogasanlage in Brandenburg. Mikroben sollen darin einen Teil des Substrats in Wasserstoff umwandeln.

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Quelle: MicroPro

Für die Betreiber von Biogasanlagen soll die Wasserstofferzeugung ein Zusatzgeschäft mit geringem Aufwand sein. Nur etwa drei bis zehn Tage soll das Substrat im H2-Fermenter bleiben. Das ist etwa ein Zehntel der Verweildauer von üblichen Biogasanlagen – entsprechend kleiner kann die Anlage ausfallen.

Aus einem Kilogramm Maissilage produzierten die Bakterien im Labor etwa 100 Liter Wasserstoff, bei Weizenkleie war es etwas weniger. Wenn man alle Biogasanlagen in Deutschland mit einem H2-Fermenter kombinieren würde, könnte man nur wenige Prozent des zu erwartenden Wasserstoffbedarfs damit decken.

Es geht also auch bei großer Skalierung um eher kleine Mengen Wasserstoff. Nutzen könnte man diesen zum Beispiel lokal für landwirtschaftliche Maschinen oder Lkw. Wenn in zwei oder drei Jahren ein Pilotprojekt im größeren Maßstab anläuft, könnte daher auch eine kleine Wasserstofftankstelle dazugehören. Zunächst soll aber in der aktuellen Testanlage der Wasserstoff angereichert und in die Biogasanlage eingespeist werden, so dass die Organismen dort mehr Methan produzieren.

Mikrobielle BZ: Elektronen aus dem Abwasser

An der Kläranlage Châteauneuf-Sitten haben Forschende der Fachhochschule Westschweiz-Wallis (HES-SO Valais-Wallis) in Sitten kürzlich den Test einer 1.000 Liter großen mikrobiellen Brennstoffzelle abgeschlossen. Mit 64 einzelnen Zellen und 14 Metern Gesamtlänge handelt es sich dabei nach Angaben der Fachhochschule um das bisher längste mikrobielle Brennstoffzellensystem der Welt (s. Abb. 1).

Auf den Elektroden aus Kohlenstoffschaum siedeln sich etwa zehn verschiedene Mikrobenarten an, die von Natur aus im Abwasser vorkommen. Sie zerlegen dort die verdaubaren Bestandteile, ganz ähnlich wie es im Belebtschlammbecken einer normalen Kläranlage geschieht. Der Unterschied: In ein gewöhnliches Belebungsbecken wird mit hohem Energieaufwand Luft eingeblasen, denn die Bakterien benötigen Sauerstoff. Dieser dringt in die Zellen ein und nimmt dort Elektronen auf.

Mikroben in der Bio-Brennstoffzelle geben stattdessen direkt Elektronen an die Anode ab. „Es ist eine Art externe Atmung. Als es in der Erdatmosphäre noch keinen Sauerstoff gab, haben Bakterien auf diese Weise Elektronen zum Beispiel an oxidiertes Vulkangestein abgegeben “, sagt Fabian Fischer, Professor für Chemische Biotechnologie an der HES-SO Valais-Wallis. Die mikrobielle Brennstoffzelle erzeugt daher nicht nur Strom, sondern spart auch Energie, indem sie die Belüftung des Beckens überflüssig macht.

Von der Anode fließen die Elektronen zur Kathode – es entsteht ein elektrischer Strom. Die gleichzeitig anfallenden Wasserstoffionen diffundieren durch die Protonen-Austausch-Membran zur Kathodenseite. Dort treffen Elektronen und Protonen auf den Luftsauerstoff und reagieren zu Wasser.

Das Potenzial für die Technologie ist groß – sowohl für die Abwasserreinigung als auch für die Stromerzeugung. In den Kläranlagen kleinerer Städte mit bis zu 10.000 Einwohnern könnte eine Biobrennstoffzelle die herkömmliche Behandlung im Belebungsbecken komplett ersetzen. Der potenzielle Stromertrag liegt bei 0,2 kWh pro Einwohner und Tag. Dafür müssten die Bakterien etwa 25 Prozent der verdaubaren Masse im Abwasser in nutzbaren Strom umsetzen. Die Pilotanlage kam bisher auf sechs bis zwölf Prozent. In der nächsten Projektphase soll neben dem Wirkungsgrad auch die Leistung der Zellen steigen – bei gleicher Baugröße sollen Durchfluss und Stromerzeugung auf das Doppelte wachsen. Auch Industriepartner sollen dabei mit im Boot sein, werden bislang aber noch nicht namentlich benannt.

Autorin: Eva Augsten