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Beitrag von Sven Geitmann

28. Februar 2023

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Träge wie ein großer Dampfer

Grüner Wasserstoff soll insbesondere dort eingesetzt werden, wo die Elektrifizierung auf anderem Wege nicht oder nur sehr schwer möglich ist – beispielsweise bei maritimen Anwendungen. Eines der größten Probleme der Schifffahrtindustrie ist jedoch, dass es nur wenige Hersteller gibt, die ihre Antriebskonzepte für den Einsatz auf dem Wasser optimieren oder speziell dafür auslegen, weil die Stückzahlen in diesem Wirtschaftssegment meist nicht sehr groß sind. Wie dieses Dilemma gelöst werden kann, darüber wird unter anderem bei e4ships und e4ports diskutiert.

Die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnik ist inzwischen in fast allen Technologiesparten angekommen. So wurde dieses Thema auch während der SMM, der größten Schiffs- und Meerestechnik-Messe, die vom 3. bis 6. September 2022 in Hamburg stattgefunden hat, präsentiert und auch diskutiert. Während der begleitenden e4ships-Konferenz erklärte beispielsweise Achim Wehrmann, Direktor für Schifffahrt beim Bundesministerium für Digitales und Verkehr: „e4ships läuft mittlerweile seit 2009 und hat gezeigt, dass Brennstoffzellen für Wasseranwendungen überaus wichtig sind.“ Gleichzeitig betonte er: „Die Emissionen müssen in diesem Sektor deutlich sinken. Und wir müssen schneller dabei werden.”

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Suche nach dem Kraftstoff von morgen

Die Hauptfrage in der Branche ist derzeit, welcher der Kraftstoff der Zukunft wird. Es ist zwar klar, dass der Abschied von den fossilen Energieträgern wie Schweröl möglichst rasch umgesetzt werden muss – aber was kommt danach? Dr. Ralf Sören Marquardt, Geschäftsführer des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik e. V. (VSM), machte klar, dass der aktuelle Stand äußerst düster – im wörtlichen Sinne – sei, da derzeit noch dreckige Abgaswolken die Sonne verdunkelten.

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Bislang setzten die Reedereien und Schiffbauer als Alternative auf LNG, aber inzwischen kommen auch Ammoniak, Methanol, LPG, Low-flash-point-Diesel sowie Wasserstoff ernsthaft infrage, wobei LPG (ebenso wie LF-Diesel) grundsätzlich erneuerbar erzeugt werden kann, allerdings noch nicht jetzt. Hermann-Josef Mammes von der Meyer Werft erklärte dazu: „Wir benötigen mehr und unterschiedliche Kraftstoffe“. Er plädierte in diesem Zusammenhang für mehr Demonstrationsprojekte, damit die entsprechenden Technologien besser erprobt werden könnten. Dazu sagte er: „Die ernüchternde Feststellung ist, dass wir in diesem Sektor längst noch nicht im Markthochlauf sind.“

Christian Allgeier vom BMDV erwiderte darauf, dass „Sicherheit vor Geschwindigkeit“ gehe. Seiner Meinung nach sei das bisherige Entwicklungstempo zwar nicht okay, weshalb an einer Beschleunigung gearbeitet werde. Gleichzeitig sagte er jedoch auch: „Wir wollen niemanden zurücklassen.“

Die IMO ist zu langsam

Vieles hängt derzeit noch an den Regularien, die im Schifffahrtssektor von der International Maritime Organization (IMO), in der rund 175 Staaten mitarbeiten, erstellt werden. Kurt-Christoph von Knobelsdorff, Geschäftsführer der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie, erklärte dazu: „Derzeit sind viele Regularien in Überarbeitung, auch die für Wasserstoff.“ Dort bemühe man sich zwar um Schnelligkeit, aber trotzdem dauere es noch jahrelang, bis sich etwas tue. Dr. Christopher Stanik, NOW-Teamleiter für maritime Anwendungen, konkretisierte: „Die CO2-Strategie der IMO ist nicht schnell genug und steht nicht im Einklang mit den Pariser Klimazielen.“

Noch deutlicher wurde VSM-Hauptgeschäftsführer Dr. Reinhard Lüken: „Wir müssen – insbesondere auf der regulatorischen Seite – sehr viel schneller werden. Wir liegen weit zurück.“ Konkret bemängelte er, dass „zehn Jahre für die Einführung des IGF-Codes für einen Kraftstoff, den wir bereits seit Jahren in Anwendung hatten“, benötigt worden seien. Zudem forderte er eine Änderung der EU-Taxonomie, damit e-Fuels im maritimen Sektor ermöglicht würden.

Marquardt sagte zum Thema IMO: „Das Ziel ist richtig, aber die Maßnahmen sind nicht ehrgeizig genug. Wir brauchen mehr Vertrauen und weniger Widerstand .“ Hier gebe es eine „lange Liste ungelöster Probleme“. Solange diese Rahmenbedingungen nicht festgelegt worden seien, bestehe die Herausforderung, dass man Schiffe bauen müsse, ohne feste Vorschriften zu haben, die sich zudem noch ständig ändern könnten. VSM-Geschäftsführer Lüken erklärte dazu: „Indem wir weiterhin wie bisher eine Aufgabe nach der anderen lösen, kommen wir heute nicht schnell genug voran. Wir müssen beschleunigen. Wir müssen das in weniger als zehn Jahren hinbekommen – und zwar alles parallel. Geld mag gerade nicht das Problem sein, wir brauchen vielmehr eine bessere Koordination.“

Bingbing Song von der International Maritime Organization erklärte, die IMO warte nicht ab, aber die Tatsache, dass die Institution mit so vielen verschiedenen Ländern und weiteren Akteuren zusammenarbeite, bedeute unweigerlich, dass der Abstimmungsprozesse extrem langwierig sei.

Zero Emission am Kai

Neben Schiffen geht es auch um Häfen. Um beispielsweise die Landstromversorgung nachhaltiger zu gestalten, gibt es seit 2021 das Netzwerk e4ports, das sich neben anderem um Konzepte für die Energieversorgung von Häfen sowie die Umsetzung europäischer Richtlinien kümmert. So soll unter anderem dazu beigetragen werden, dass Häfen zu nachhaltigen Verkehrsknotenpunkten werden. Da sie nicht nur Logistikzentren, sondern auch Industriegebiete und damit auch immer Energiesenken sind, bilden sie einen großen Hebel zur Realisierung der Energiewende.

Im Mittelpunkt steht dabei, wie die Energieversorgung, insbesondere großer Schiffe, in den Häfen erfolgt. Da aus Emissionsschutzgründen der Betrieb der Schiffsdieselaggregate seit einigen Jahren mit empfindlichen Gebühren belegt wird, muss die Stromversorgung von Landseite gewährleistet werden. Hierfür gibt es verschiedene Ansätze.

Mobile Landstromlösungen sind bei Energiebedarfen von über 1,5 MW allerdings in der Regel nicht geeignet, da sich die Kosten auf rund 50 Cent pro kWh summieren können. In diesem hohen Leistungssegment kommen daher eher stationäre Lösungen in Frage. Mobile Lösungen wie Batterielösungen oder Container mit alternativen Kraftstoffen seien eher geeignet „für kleinere Häfen oder in Hafenteilen mit geringerer Auslastung“ – wichtigster Faktor sei eine „möglichst hohe Auslastung der Anlagen, um diese wirtschaftlich einsetzen zu können“. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Technologische Möglichkeiten und Voraussetzungen mobiler Landstromversorgung“, die während der e4ports-Konferenz vorgestellt wurde.

Im Veranstaltungssektor sind derartige Container-Lösungen bereits weitestgehend etabliert, im maritimen Einsatz sind sie allerdings noch recht neu. Wasserstofflösungen gibt es hingegen bislang noch nicht, mit der Ausnahme eines Anwendungsbeispiels von GP Joule, die einen H2-Container auf dem Rock-Festival Wacken erprobt haben.

Neben der Stromversorgung der Schiffe in Häfen geht es auch um die Energieversorgung der Fahrzeuge auf dem Hafengelände. Ein Drittel der CO2-Einsparung kann dort allein über die Elektrifizierung sowie die Automatisierung erfolgen, zwei Drittel über alternative Kraftstoffe. Allerdings werden Lösungen für Hafenfahrzeuge mit Wasserstoff als Alternative wohl erst in fünf oder zehn Jahren vorhanden sein, weshalb jetzt bei der Neuanschaffung von Geräten in vielen Fällen noch konventionelle Technologie zum Einsatz kommen wird. Perspektivisch steht dann aber die weitere Elektrifizierung beziehungsweise auch der Erwerb von H2-Systemen an.

Umweltfrage

Eine Frage, die nur andiskutiert, aber während der e4ships-Veranstaltung nicht beantwortet wurde, war, ob Kreuzfahrtschiffe tatsächlich notwendig sind. Ist es wirklich erforderlich, dass schwimmende Städte in ehemals unberührte Natur vordringen, oder wäre hier eine Umorientierung wünschenswert?

H2-betriebene Passagierboote

Auch auf der WindEnergy, die Ende September ebenfalls auf dem Hamburger Messegelände stattfand (s. S. 10), war etwas aus dem maritimen Sektor zu sehen: Und zwar die Hydrocat 48, das erste wasserstoffbetriebene Crew-Transferboot. Im Mai 2022 hatte CMB.TECH, ein belgisches Unternehmen, das Sondermaschinen und Schiffe umrüstet, gemeinsam mit Windcat Workboats vermeldet, das Crew Transfer Vessel (CTV) sei nach den erfolgreich verlaufenen Tests sofort betriebsbereit, um Mitarbeiter:innen zu ihren Arbeitsplätzen in Offshore-Windparks zu befördern.

In der Hydrocat 48 kommt ein Dual-Fuel-Motor von MAN zum Einsatz, der von CMB.TECH mit einem H2-Einspritzsystem ausgestattet wurde. 2017 hatten die Belgier bereits ein erstes Passagierboot auf Wasserstoff umgerüstet. Diese daraus resultierende Technologie wurde nun in ein Windcat MK 3.5 eingebaut, ohne dass es signifikante Leistungsverluste oder Einbußen bei der Zuverlässigkeit gebe, erklärte Frank Wiebe von der FRS Windcat Offshore Logistics GmbH gegenüber HZwei.

„Dieses Schiff bietet der Industrie eine kosteneffiziente Lösung, um die Emissionen von Serviceschiffen, die heute in jedem Windpark eingesetzt werden können, deutlich zu reduzieren. Diese Lösung kann als Sprungbrett zu vollständig wasserstoffbetriebenen CTV betrachtet werden. Indem wir mit Dual-Fuel-Verbrennungsmotoren beginnen, können wir die Wasserstofftechnik in der Branche einsatzfähig machen und die weitere Entwicklung der Technologie, der Vorschriften, der Lieferkette usw. in Gang setzen.“

Willem Van Der Wel, Geschäftsführer Windcat Workboats

Die Eignung dieser Technologie für ein CTV liegt vor allem darin, dass vorhandene Dieselmotoren verwendet werden können. Es sind keine grundlegenden Änderungen an der Hauptmaschine erforderlich, was nicht nur bedeutet, dass Wartung und Reparatur einfach bleiben, sondern auch, dass der Motor leicht und ohne Änderungen wieder auf Dieselkraftstoff umgestellt werden kann. Selbst wenn kein Wasserstoff verfügbar ist, kann das Schiff weiterhin mit herkömmlichem Kraftstoff betrieben werden, was diese Lösung zu einer sehr robusten und zuverlässigen für die Offshore-Windindustrie macht.  […] Bei den ersten Projekten zur Dual-Fuel-Technologie konnten wir eine Verringerung der CO2-Emissionen um bis zu 80 Prozent feststelle.“

Roy Campe, Geschäftsführer CMB.TECH

Eins der ersten H2-Schiffe war die Hydroville, die seit drei Jahren in Antwerpen fährt. 2021 kam unter anderem noch die Hydrobingo hinzu. Mittlerweile sind insgesamt vier weitere Schiffe bestellt worden, so Wiebe. Und seit Oktober 2022 ist auch Volvo Penta, ein auf Schiffsantriebe spezialisiertes Tochterunternehmen der Volvo Group, Kooperationspartner.

Literatur:

Ninnemann, Jan, u. a., Mobile Landstromversorgung – Technologische Möglichkeiten und Voraussetzungen, NOW, Sept. 2022

Autor: Sven Geitmann

Abb. 2: Die Hydrocat 48 mit H2-Antrieb

Quelle: CMT.Tech

Kategorien: 2023 | Allgemein
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