Nikola Motors: Kapitalerhöhung zum richtigen Zeitpunkt

Nikola Motors: Kapitalerhöhung zum richtigen Zeitpunkt

Shortseller arbeiten an der Börse massiv gegen das Unternehmen. Es gab kurzfristig sogar fast 200 Mio. leer verkaufte Aktien (am 16.11. noch 193 Mio.). Doch nun scheint eine Kursänderung nach oben sehr wahrscheinlich. Der Grund könnte in der Kommentierung zur Bilanzpressekonferenz über das dritte Quartal liegen, die Nikola – in meinen Worten – auf dem richtigen Weg sieht. Das Unternehmen hat circa 250 Mio. US-$ an Liquidität im dritten Quartal eingesammelt und verfügt nun über 705 Mio. US-$ an Kapitalzugang.

Der Schaden durch zurückgerufene batterieelektrische Lkw wird auf 61,8 Mio. US-$ (warranty reserve) beziffert, wobei Nikola nicht nur dieses Problem beheben wird, sondern zudem Batterien eines noch unbenannten Zulieferers einsetzt, die gegenüber dem Vorgängermodell Vorteile besitzen, so der Kommentar. Zudem werden die Lkw mit weiteren Features ausgestattet, die dem Fahrer mehr Möglichkeiten im Einsatz geben, u. a. den Lkw bereits aus der Distanz per Handy-Apps vorzubereiten: Heizung im Winter, Klimaanlage im Sommer ist schon einschaltbar, bevor der Fahrer angekommen ist. Die batterieelektrischen Lkw werden nach der Umrüstung im ersten Quartal wieder den Weg zum Kunden finden.

Nun können die Aufträge kommen

277 Absichtserklärungen für den Kauf der wasserstoffbetriebenen Lkw liegen vor. Im vierten Quartal sollen davon 30 bis 50 zur Auslieferung kommen und zwischen 11 und 19 Mio. US-$ an Umsatz generieren. Bei den batterieelektrischen Lkw konnte zwischenzeitlich – trotz Rückrufaktion – ein Einzelauftrag über 47 Stück gewonnen werden. In den kommenden zwei Jahren setzt Nikola darauf, im Durchschnitt 250 bis 300 Lkw beider Gattungen pro Quartal auszuliefern.

Der Cash Burn wird bei 100 Mio. US-$ im Quartal gesehen, wobei für das laufende Quartal noch die finanziellen Auswirkungen aus der Rückrufaktion der batterieelektrischen Lkw einzubeziehen sind (61,8 Mio. US-$, wovon circa 38 Mio. US-$ als Kapitalabfluss zum Einsatz kommen sollen). Und je besser die Skalierung in der Lkw-Produktion vorankommt, desto kostengünstiger können diese hergestellt werden, um am Ende des Tages mit einer guten Gewinnmarge aufzuwarten. Man bedenke: Geld wird in Zukunft vor allem mit Strom und Wasserstoff verdient und nicht mit dem E-Lkw per se. Nikola steht ja erst am Anfang seiner (Erfolgs-)Story.

Chief Financial Officer verlässt das Unternehmen

Stasy Pasterick war als Chief Financial Officer (CFO) gerade einmal sechs Monate im Amt. Sie geht in gleicher Funktion zu Universal Hydrogen. Man darf gespannt sein, wer ihr Nachfolger wird.

Abb.: Anastasiya „Stasy“ Pasterick folgte im April 2023 auf den pensionierten Kim J. Brady

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Quelle: Nikola

Kalifornien gibt den Takt vor

Nikola konzentriert sich aus guten Gründen auf den US-Bundesstaat Kalifornien: Erstens gibt es hier die besten Förderungen (bis zu rund 408.000 US-$ pro Lkw); zweitens ist der Zeitdruck für Logistiker sehr hoch, dieselbetriebene durch CO2-freie Lkw zu ersetzen. Bereits ab 2024 dürfen in Kalifornien nur noch die letztgenannten auf Hafenanlagen im Einsatz sein, es gibt also Neuzulassungen nur noch für batterieelektrische oder Wasserstoff-Lkw. Wir sprechen von über 30.000 Lkw allein in diesem Segment – eine Steilvorlage für Nikola Motors, denn im IRA sind auch 2,6 Mrd. US-$ Förderung speziell für Hafenanlagen und auch Drayage-Lkw sowie für die H2-Infrastruktur vorgesehen.

Zudem ist für Nikola die Konkurrenz in diesem Lkw-Segment auf Jahre hinaus überschaubar. Der Blick auf die bereits genehmigten Gutscheine (Voucher) für E-Lkw ist erfreulich: 96 Prozent der Gutscheine des HVIP-Programms für wasserstoffbetriebene Lkw und 50 Prozent der Gutscheine für batterieelektrische gehen auf das Konto von Nikola. Übrigens soll Nikola für beide Lkw-Varianten bereits über 400 Gutscheine genehmigt bekommen haben. Ein schöner Achtungserfolg.

Rechtsstreit gegen Milton gewonnen

Der langwierige Rechtsstreit mit Firmengründer Trevor Milton wurde gewonnen. Am 20. Oktober fiel das Urteil. Milton muss nun 165 Mio. US-$ an Nikola zahlen, wobei darin auch Prozesskosten enthalten sind, die Nikola erst vorstrecken musste und nun zurückerhält. Hier sei der Hinweis angebracht, dass es noch keine Aussage darüber gibt, wann das Geld fließt. Nikola muss selbst noch einen Teil an die Börsenaufsicht SEC weiterzahlen, da man ja einen Vergleich über die Zahlung von 125 Mio. US-$ erzielt hat und diesen selbst erfüllen muss. Fließen die 165 Mio. US-$ von Milton indes zeitnah, erhöht sich Nikolas Liquidität, da die SEC-Zahlungen über die kommenden Jahre verteilt sind.

Ziele ambitioniert, aber realistisch

Aktuell kann Nikola pro Jahr 2.400 Lkw beider Varianten produzieren. Um profitabel zu sein, bedarf es eines Absatzes von 1.000 Lkw in 2024 und 1.500 in 2025. Diese Ziele gelten aus Unternehmenssicht als realistisch, wenn Nikola 250 bis 300 Lkw im Quartal ausliefert. Meines Erachtens wird es da auch manchen Großauftrag geben. Außerdem fließen Absichtserklärungen wie der Letter of Intent (LoI) mit Anheuser-Busch (800 Lkw) in den Auftragsbestand ein, so meine Erwartung.

Nikola Motors – Tesla für Lkw?

Für diese These ernte ich sehr viel Kritik: Man könne ein Start-up wie Nikola doch nicht mit der Erfolgsgeschichte von Tesla vergleichen. Doch, kann man: Tesla fing klein an, dann kam Elon Musk. Der Konzern machte viele Jahre hohe Verluste, stand sogar vor dem Konkurs, ehe es zum Durchbruch kam. In den ersten drei Jahren verdiente Tesla Geld, aber nicht mit den E-Autos, sondern mit Emissionsrechten, die man anderen Autoherstellern verkaufen konnte. Tesla löste das Henne-Ei-Problem mit dem Strom für die batterieelektrischen Fahrzeuge selbst durch den Aufbau eines Stromladenetzes aus eigenen Super-Charger-Stationen. Wer hätte einen Wagen von Tesla gekauft, wenn es keine Lademöglichkeit gegeben hätte – als Paket, jahrelang sogar gratis?

Nikola macht das Gleiche – nur eben für Lkw mithilfe von Stromladestationen und H2-Tankstellen. Geld verdienen will Nikola mit Strom und dem eigens produzierten oder zugekauften Wasserstoff. In den USA winken hohe Subventionen von drei US-$/Kilogramm Wasserstoff. Tesla adressiert weiterhin den Markt für E-Pkw, aber Nikola das Segment für Lkw. Beide Unternehmen gelten als disruptiv – sie verändern Märkte und Geschäftsmodelle. Beide sind First Mover.

Tesla und seinem CEO schlug viel Skepsis entgegen, doch er bewies, dass Veränderung möglich ist. Nikola macht das Gleiche – nur bezogen auf Nutzfahrzeuge. Ob sich beide auch in der Entwicklung von Börsen- bzw. Aktienkursen vergleichen lassen, wird sich zeigen. Für Nikola bin ich äußerst optimistisch.

Kapitalerhöhung sichert das Unternehmen

Am 6. Dezember 2023 wurde Nikolas Plan bekannt, frisches Kapital an der Börse zu besorgen. Es geht um nominal 175 Mio. US-$ einer Wandelanleihe mit 8,25-Prozent-Coupon (Green Bonds) mit Laufzeit Dezember 2026 (0,90 US-$ Wandlungskurs/Aktie) und 100 Mio. US-$ in neuen Aktien zu je 0,75 US-$/Aktie. Die Aktie fiel von circa 1 US-$, weil hier wahrscheinlich – ohne Obligo – ein Hedging stattfand, also der Kurs gedrückt wurde, da man die Aktien nach der Kapitalerhöhung zurückerhält und eindecken kann. Die Aktie fiel auch, weil Shortseller die Kapitalerhöhung als Negativum für sich nutzen wollten.

Erfahrungsgemäß ist diese Maßnahme bereits erfolgreich umgesetzt, wenn Sie diese Zeilen lesen. Damit ist Nikola dann gut durchfinanziert und verfügt am Ende über 500 Mio. US-$ auf der Bank. Dass der Börsenkurs wieder über 1 US-$ steigt, liegt ebenfalls in der Natur der Sache, weil die Finanziers (Investmentbanken wie Nomura) höchstwahrscheinlich kein Delisting der Aktie akzeptieren (dazu würde es kommen, wenn der Kurs längere Zeit unter 1 US-$ sinkt).

Fazit: Nikola ist auf einem guten Weg, sich als First Mover bei CO2-freien Lkw in den USA zu positionieren – erst in Kalifornien, später über das ganze Land verteilt und parallel dazu auch in Kanada, wo ebenfalls große Fördersummen bis zu 380.000 Can-$ pro Lkw winken. Umfassende Förderprogramme wirken als Turbo, da die Käufer der Lkw dem regulatorischen Druck nachkommen können und zudem finanziell angereizt werden. Der Aufbau der H2-Infrastruktur erfolgt in Eigenregie, wird aber durch Unternehmenspartner wie Voltera (EQT) finanziell begleitet und erhält einen Schub durch ein 7-Mrd.-US-$-Programm der Regierung Biden, womit in den USA sieben Hydrogen-Hubs etabliert werden sollen. Die Börse wird nicht umhinkommen, Nikola als Start-up neu zu bewerten: Zur richtigen Zeit im richtigen Markt. Vielleicht wird Nikola sogar die H2-Aktie, die am meisten Kurspotential entwickelt. Wie sagt man: No risk, no fun.

Das Management-Team von Nikola gilt als ausgezeichnet, wobei CEO Stephen Girsky darauf hinwies, dass dazu Top-Manager gehören, die eigentlich nicht mehr in einem Start-up arbeiten müssen, aber mit großer Freude dort ihr Know-how einbringen, um die Visionen des Unternehmens wahr werden zu lassen. Das ist der richtige Ansatz – aus Überzeugung und mit Erfahrung.

Risikohinweis

Jeder Anleger sollte sich bei der Anlage in Aktien immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bewusst sein und auch an eine sinnvolle Risikostreuung denken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien stammen aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, das heißt, es handelt sich nicht um Standardwerte, und auch ihre Volatilität ist deutlich höher. Dieser Bericht stellt keine Kaufempfehlung dar. Alle Informationen basieren auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen hinsichtlich der Bewertung ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, der seinen Fokus auf eine mittel- bis langfristige Bewertung und nicht auf kurzfristige Gewinne legt. Der Autor kann im Besitz der hier vorgestellten Aktien sein.

Autor: Sven Jösting, verfasst am 15. Dezember 2023

Siemens Energy – One-Stop-Shopping

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Chemiepark Tarragona, © Siemens Energy
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Der Vorstandschef Christian Bruch von Siemens Energy hat es vor ein paar Monaten in einem Interview vor Mitgliedern des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verbandes (DWV) klar zum Ausdruck gebracht: Der Technologiekonzern will ein Global Player im Wasserstoffsektor sein – beginnend mit der Elektrolyse bis hin zum Einsatz von Wasserstoff in diversen Märkten. In diese Richtung wird der Konzern nun ausgebaut, wobei kurzfristig der negative Einfluss der Windkraftanlagentochter Gamesa (67 Prozent Anteil, circa 11 Mrd. Euro Börsenwert; der von Siemens Energy liegt nur bei circa 9 Mrd. Euro für 22 Mrd. Euro Umsatz) die eigene Bilanz verhagelte – Verlustausweis von minus 307 Mio. Euro.

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Dekarbonisierung via Wasserstoff nimmt Fahrt auf

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© www.wallstreet-online.de

Eine kürzlich veröffentlichte Marktanalyse des Nachrichtendienstes Bloomberg kommt zu dem Schluss, dass wir es derzeit mit einer Wasserstoff-Revolution zu tun haben. Ich nenne es „Megatrend“. Die Analysten erwarten, dass in den Themenkomplex Wasserstoff und Brennstoffzelle weltweit bis zum Jahr 2050 über 2,5 Billionen US-$ (2.500 Mrd.) fließen werden. Die Internationale Energie Agentur (IEA) schließt sich dem nahtlos an. Lagen die Investments in den Jahren 2018 bis 2020 bei circa 1,5 Mrd. US-$ pro Jahr, so soll dem eine Steigerung auf 38 Mrd. US-$ jährlich bis zum Jahr 2040 folgen. Bis 2050 soll sogar ein Wert von 181 Mrd. US-$ – pro Jahr – erreicht werden. Diese Prognose basiert auf den Zielen für den Klimawandel von Staaten, Weltorganisationen und den Unternehmen selbst.

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Bloom Energy – langfristiges Wachstum bei 30 % p.a.

Eine Analystenkonferenz der Investmentbank J. P. Morgan mit dem CEO von Bloom Energy, K. R. Sridhar, am 26. Mai 2021 hat einen Ausblick geliefert, der besser nicht sein kann. Auf die Frage des Analysten, welches Wachstum das Unternehmen anstrebe, ob dies im Bereich von 20 bis 25 % p. a. liegen könne, entgegnete der Vorstandschef und Gründer: „Eher 30 % p. a. – und dies über einen sehr langen Zeitraum.“ Seine Begründung liegt in der ausgereiften Technologie des Unternehmens, seiner IP, den Märkten und Anwendungen und der Wettbewerbssituation wie auch dem firmeneigenen Know-how und der Erfahrung.

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Plug Power – höhere Kurse dank Cash-Zufluss

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© Renault
© Renault

Die Zahlen der vergangenen Jahre sind revidiert worden. Dies waren allerdings eher buchhalterische Vorgänge, die keinen materiellen Einfluss hatten. Erhöhte Aufwendungen für Forschung und Entwicklung in Höhe von 62,9 Mio. US-$ mussten revidiert werden – für die Jahre 2018 bis 2020 – und haben damit die Marge beeinträchtigt. Non-cash-charges, auch in Bezug auf die Optionsscheine, die Plug Amazon und Walmart gegeben hat, waren mit über 400 Mio. US-$ beachtlich. Hängt hiermit eventuell der recht hohe Stand an leer verkauften Aktien (Short Interest von über 50 Mio. Aktien) zusammen? Haben eventuell beide ihre Optionsscheine (Warrants) ausgeübt oder via Leerverkauf den hohen Buchgewinn im Milliardenbereich abgesichert?

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