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Beitrag von Sven Geitmann

16. Oktober 2017

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Aufbau eines neuen Energiesystems

dena

Starke Frauen beherrschten das Podium: Gabriele Schmiedel, Kristina Haverkamp, Kathrin Goldammer (v.r.)


Rund 120 Teilnehmer haben sich am 20. Juni 2017 in Berlin anlässlich der Jahreskonferenz der Strategieplattform Power-to-Gas versammelt. Die Deutsche Energie-Agentur (dena) präsentierte dort eine neue Roadmap, in der sie mehr Technologieoffenheit sowie eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Energiespeicher fordert. Wichtig sei zudem, dass neben dem Stromsektor auch die Kraftstoff- und Wärmemärkte für die Nutzung von Wasserstoff und synthetischem Methan geöffnet würden. Dr. Christiane Golling, Projektleiterin bei der dena, stellte konkrete Schritte zur Etablierung von Power-to-Gas vor, mit denen die geforderte integrierte Energiewende vorangetrieben werden soll.
Während vor einigen Monaten noch über Power-to-Gas als reine Zukunftsvision debattiert wurde, ist mittlerweile klar, dass diese Technologie deutlich früher gebraucht wird als zunächst gedacht. Das betonte auch Dr. Golling. Sie sieht einen großen Bedarf nicht nur in der Nutzung von Überschusskapazitäten, sondern auch zur Deckung des Grundenergiebedarfs, insbesondere dort, wo es keine adäquaten Alternativen gibt. Beispiele dafür seien der Schwerlast-, Schiffs- und Flugverkehr, so Golling.
„Nachteile entstehen zum Beispiel dadurch, dass Strom in stärkerem Maße als andere Energieträger mit verschiedenen Abgaben und Umlagen belastet ist. Der Gesetzgeber ist in der nächsten Legislaturperiode gefragt, den Rechtsrahmen technologieoffen zu gestalten und diskriminierende oder unnötig einschränkende Regelungen gegenüber Power-to-Gas-Anlagen und deren Produkten zu beseitigen.“
Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung
Konkret forderte die dena die vollständige Umsetzung der europäischen Kraftstoffqualitätsrichtlinie (Fuel Quality Directive – FQD) in deutsches Recht: Die Europäische Kommission sieht gemäß dem Umsetzungsvorschlag vom Oktober 2014 vor, dass die Emissionen aus Treibstoffen bis 2020 gegenüber dem Vergleichsjahr 2010 um sechs Prozent reduziert werden sollen. Es obliegt jedoch den Ländern zu entscheiden, wie dieses Reduktionsziel erreicht wird. Neben der Beimischung von Biofuels zu konventionellen Kraftstoffen oder dem Wechsel von Benzin und Diesel zu Wasserstoff oder Elektrizität können Emissionen auch bei der Herstellung fossiler Kraftstoffe reduziert werden. Dieser dritte Weg kann beispielsweise durch die Nutzung von Zertifikaten eingeschlagen werden, wodurch dann allerdings weiterhin voll auf konventionelle Technologie gesetzt und kein Wechsel auf zukunftsfähige Pfade eingeleitet wird.
Die Deutsche Energie-Agentur favorisiert hier eindeutig den zukunftsträchtigeren Weg und plädiert deswegen für die Einführung einer Unterquote im Bundesimmissionsschutzgesetz für fortschrittliche Kraftstoffe. Christiane Golling wies darüber hinaus auf die bislang noch nicht im ursprünglich erwarteten Maße erfolgte Dekarbonisierung im Gebäudebestand. Sie erklärte, dass die Sanierungsrate derzeit lediglich bei 0,5 % liege und nicht wie erhofft bei 2 %, weshalb bereits die Rede sei von einer „stockenden Wärmewende“. Die Nutzungsförderung von Wasserstoff und synthetischem Methan im neuen Gebäudeenergiegesetz sowie die Anerkennung erneuerbarer Gase in der Industrie im Rahmen des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes könnte hier zu einer Verbesserung führen, indem mit Hilfe von Power-to-Gas fossiles Erdgas substituiert wird. Als weitere mögliche Einstiegsmärkte identifizierte die dena neben Raffinerieprozessen auch Brennstoffzellenfahrzeuge in der Logistik sowie im öffentlichen Nah- und Schienenverkehr.
Technologie ist reif
Deutschland ist bislang mit mehr als 30 im Bau beziehungsweise in Betrieb befindlichen PtG-Projekten weltweit führend (install. Leistung: > 20 MW), allerdings orientieren sich Unternehmen wie Siemens vornehmlich ins Ausland, um dort „PtG-Anlagen hochzuziehen“, wie es die Geschäftsführerin von Hydrogen Solutions, Gabriele Schmiedel, darlegte. Ihre Fokusmärkte sind insbesondere die nordischen Länder, weil dort viel günstiger Strom zur Verfügung steht und zudem die Regularien flexibler gehandhabt werden. Dementsprechend erklärte Schmiedel: „Die dekarbonisierte Welt hält sich nicht an bisherige Strukturen. Wir müssen ein neues Energiesystem bauen. […] Wenn ich die H2-Route gehe, habe ich vielfältige Möglichkeiten.“ Voller Tatendrang fügte sie noch hinzu: „Die Elektrolysetechnologie ist reif – verdammt noch mal! Man lernt durchs Tun. Jetzt geht es um die Anwendungen.“
„Man muss auch den Mut haben, sich von dem Alten zu verabschieden.“
Umweltsenator von Hamburg Jens Kerstan (s. Abb. 1; 2. v. r.)
CO2-Minderungsanreize
Ganz bewusst brachte die dena auch das Thema „CO2-Minderungsanreize“ mit ins Spiel. Diese seien durchaus ein probates Mittel, um den politischen Diskurs über die integrierte Energiewende zu starten, hieß es.
Auch von anderer Seite wurden zuletzt immer wieder Stimmen laut, die nach einem funktionierenden Zertifikatehandel für CO2-Emissionen rufen: So forderte vor der Bundestagswahl neben der SPD (s. DWV fordert Gleichstellung von Wasserstoff) beispielsweise auch Johannes Teyssen, Vorstandsvorsitzender von E.ON, entschiedene Schritte und sprach sich für CO2-Mindestpreise aus. Teyssen sagte gegenüber BIZZenergytoday: „Nichts ist so effizient wie ein einheitlicher und sinnvoller CO2-Preis.“
CO2-Mindestpreis eingeführt
Dies sehen auch etliche EU-Mitglieder mittlerweile so: Frankreich und Großbritannien haben einen Mindestpreis für Kohlendioxid eingeführt. Die Briten votierten bereits 2010 dafür. Seit 2013 ist dort der Carbon Price Floor in Kraft. Er betrug zunächst 18 Euro pro Tonne, liegt derzeit bei 20,50 Euro und soll bis 2020 auf 34 Euro steigen. Bei den Franzosen soll der Composarite Carbone bis 2020 auf 56 Euro pro Tonne steigen, bis 2030 auf 100 Euro. Der reguläre Preis im Emissionshandel liegt demgegenüber seit langem bei rund 5 Euro pro Tonne (Ausgabepreis: 14 Euro).

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