Hzwei Blogbeitrag

Beitrag von Sven Geitmann

28. Januar 2015

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Das Auf und Ab des Blauen Turms in Herten

Lockheed Martin Concord Blue

Der alte Blaue Turm ist fast entkernt. (Foto: Blue Tower)


Nachdem es lange Zeit viele Unsicherheiten und Mutmaßungen über die Zukunft des Blauen Turms gab, hat am 19. November 2014 Lockheed Martin bekanntgegeben, dass das Unternehmen aus Baltimore, USA, gemeinsam mit der Concord Blue GmbH eine neue Anlage zur Erzeugung von Synthesegas aus Biomasse in Herten bauen wird. Hierbei soll ein patentiertes Dampf-Thermolyse-Verfahren zur Anwendung kommen. Anders als ursprünglich geplant, soll diese Anlage jedoch „nur“ 5 MW leisten, nicht 13 MW. Es folgt eine komprimierte Übersicht über das bisherige Geschehen:
Am Blauen Turm wird seit dem Jahr 1999 gearbeitet. Ursprünglich war es ein Vorhaben der D.M.2 Verwertungstechnologien Dr. Mühlen GmbH & Co. KG, die ihre selbst entwickelte Technologie zunächst von 2001 bis 2006 in einer 1-MW-Versuchsanlage erprobte. Ab 2002 engagierte sich D.M.2 mit in der H2Herten GmbH, deren Ziel der Aufbau einer großtechnischen Demonstrationsanlage auf der alten Zeche Ewald war, wofür eigens die Blue Tower GmbH gegründet wurde. Nachdem dafür 2009 die Grundsteinlegung erfolgt war und die Bauarbeiten begonnen hatten, wurden diese jedoch aufgrund der Insolvenz der Muttergesellschaft Solar Millennium im Jahr 2011 wieder eingestellt. Infolgedessen wurde auch die Projektgesellschaft H2Herten Anfang 2012 insolvent, nachdem erst 30 Prozent der geplanten 13-MW-Anlage fertiggestellt worden, aber bereits rund 3 Mio. Euro Fördergelder vom Land Nordrhein-Westfalen in dieses Projekt geflossen waren.
Im Anschluss daran sicherte sich die Unternehmensgruppe Concord Blue die Rechte an dem technischen Verfahren der „gestuften Reformierung“. 2013 unterzeichneten Lockheed Martin und die Concord Blue GmbH, die Nachfolgegesellschaft der Blue Tower GmbH, eine Kooperationsvereinbarung. Außerdem übernahm Concord Blue im Februar 2014 das Hertener Grundstück. Kurz bevor allerdings die Gemeinde den Bebauungsplan für dieses Grundstück ändern konnte, erklärte Ende Oktober 2014 Lockheed Martin in einer Pressemeldung: „Concord Blue hat bereits Bautätigkeiten an Grundstück, Tor und Zaun wie auch Abdichtungs- und Fassadenarbeiten an Gebäuden fortgesetzt – mit dem Ziel die Anlage zunächst ‚winterfest‘ zu machen und somit mögliche Folgeschäden in den Betriebsjahren der Anlage zu verhindern. Nach derzeitigem Planungsstand wird ein dauerhafter Betrieb der Anlage mittels Synthesegas ab dem Jahr 2016 angestrebt.“
Charlie Thannhaeuser, deutsch-amerikanischer Gründer und Geschäftsführer von Concord Blue, erklärte dazu: „Dieses Projekt ist der sechste kommerzielle Concord-Blue-Reformer (CBR), was nicht nur ein Beweis für die technologische Qualität unserer Lösung zur Energiegewinnung aus Abfall ist, sondern auch für die wirtschaftliche Machbarkeit steht. Der Standort im Wasserstoff-Kompetenzzentrum Herten wird diesen CBR zu einem Wahrzeichen der Region machen, das internationales Interesse erregt.“
Gänzlich anders schätzen die reichlich vorhandenen Kritiker dieses Vorhaben ein. Dr. Thomas Sonntag-Rösing, der in der Anfangszeit gemeinsam mit Dr. Heinz-Jürgen Mühlen an dieser Technologie gearbeitet hatte, erklärte gegenüber HZwei, er sei „skeptisch, ob sich solch eine Anlage in kommerziellem Maßstab liefern“ lasse. Er bezeichnete die Hochskalierung um den Faktor 13 als „Gigantomanie“, insbesondere vor dem Hintergrund, dass bei dem damaligen 1-MW-Prototyp „der Wärmeträgerkreislauf eigentlich nie störungsfrei funktioniert hat“. Bereits 2009 warnte er: „In Herten besteht die Gefahr, viel Geld zu versenken. Erfolg und Misserfolg können schnell sehr nah beieinander liegen.“
Auch Claudia Baitinger vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) bekämpft seit zehn Jahren das Vorhaben wegen erheblicher Bedenken aus ökologischer Sicht. Joachim Jürgens, Ratsherr der Stadt Herten, gab ebenfalls zu Protokoll, dass er Zweifel an der Technik und auch dem Geschäftsgebaren von Concord Blue hege. Dokumentiert hat Jürgens seine Bedenken in einem mittlerweile 250 Seiten umfassenden Dokument, in dem diverse Korrespondenzen und Meldungen gesammelt sind (Download: http://bit.ly/12ri3Eh).
Das Hauptproblem des Blauen Turms ist mittlerweile, dass kaum noch jemand einen Überblick hat und deswegen arge Verunsicherung herrscht. So bezeichnen beispielsweise Befürworter des Projekts Jürgens als „Querulanten“, während die Kritiker den Politiker als skeptischen, aber nicht innovationsfeindlichen Menschen beschreiben. Selbst bei der Journalistin Claudine LoMonaco, die intensiv zu dieser Thematik recherchiert und auch darüber berichtet hat, ist nicht ganz klar, wofür sie steht. Somit kann nur darauf vertraut werden, dass die Ingenieure von Lockheed Martin die Technologie sorgfältig geprüft haben, bevor sie sich dauerhaft gebunden haben.

5 Kommentare

  1. Katrin Meyer

    Bisher 3 Mio Fördergelder verbrannt. Geld brennt gut, Müll weniger. Vielleicht wurde der Türm ja auf einem alten Germanenfriedhof gebaut.

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    • Achim Behrenwaldt

      “Vielleicht wurde der Türm ja auf einem alten Germanenfriedhof gebaut.”
      Sie meinen H2 aus Leichen ? Warum nicht ? Ist ja auch Biomasse ! 😉

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  2. Arno A. Evers

    Der Wahnsinn.
    Zeit, Geld und Leute weg.
    Wenn DAS alles so weitergeht wie bisher, dann man vielen Dank.
    Irgendwie ist das alles nicht wirklich lustig!

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  3. Achim Behrenwaldt

    Der Bericht macht zwar klar, dass noch alles unklar ist, aber nicht die Lösung !?

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    • Arno A. Evers

      So, wie die Jungs da seit Jahren (= Jahrzehnten) ran gehen,
      wird es auch KEINE sinnvolle Lösung mehr geben, Herr Behrenwaldt!

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