Hzwei Blogbeitrag

Beitrag von Sven Geitmann

29. April 2014

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Wie es gelingen könnte Platin zu ersetzen

platinPlatin ist ein edles Metall. Wegen seiner besonderen Eigenschaften ist es in der Elektrochemie sehr beliebt: Es wirkt katalytisch, ist aber gleichzeitig resistent gegenüber aggressiven Medien. Allein diese Vorzüge rechtfertigen schon einen entsprechend hohen Materialpreis, insbesondere da es nicht allzu viel Platin auf der Erde gibt. Welche Rolle spielt Platin aber nun in der Brennstoffzelle? Ist dieses Edelmetall allein dafür verantwortlich, dass BZ-Autos auch nach etlichen Jahren Entwicklungszeit immer noch nicht bezahlbar sind? Seit Anfang 2014 eine Studie von Roland Berger Strategy Consulting veröffentlicht wurde, ist darüber eine heiße Debatte losgebrochen. Gleichzeitig bringen sich mögliche Alternativtechniken in Stellung.
Kaum war die neue Studie erschienen, wimmelte es in den Medien von Negativschlagzeilen in Bezug auf die Brennstoffzellentechnik. Meist wurden jedoch leicht verkürzt lediglich die Hauptthesen dieser Betrachtung wiederholt. Sehr viel ausführlicher haben sich Prof. Dr. K. Andreas Friedrich und Dr. Jens Mitzel für die HZwei dieses Themas angenommen (s. u. & HZwei-Heft April 2014, S. 32).
Der Deutsche Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband (DWV) betonte in diesem Zusammenhang, Platin sei „nicht schuldig im Sinne der Anklage“. Konkret hieß es in einer Pressemeldung vom 23. Januar 2014: „Da dieses Edelmetall teuer ist (aktuell ca. 34 €/g), steht es im Verdacht, maßgeblich zum derzeit noch hohen Preis von Brennstoffzellenautos beizutragen.“ Diese Kritik von Roland Berger will der DWV jedoch so nicht gelten lassen. Der Verband sieht die Hauptschuld nicht allein beim Platin und erklärte: „In einer Brennstoffzelle stecken noch zahlreiche andere High-Tech-Materialien, angefangen bei den Membranen bis zu den Bipolarplatten. Alle diese Komponenten werden erst durch die Massenfertigung deutlich billiger werden.“ Weiter heißt es von Verbandsseite, dass die Kosten zwar tatsächlich noch weiter sinken müssten, was kein einfacher Prozess sei, „aber am Platin wird er gewiss nicht scheitern“.
Die Liste der Aspiranten, die gerne die katalytische Aufgabe von Platin in der Brennstoffzelle übernehmen möchten, ist lang. Im Juli 2013 hieß es beispielsweise, Wissenschaftler der University of Wisconsin-Madison hätten eine Alternative gefunden, bei der kommerziell erhältliches Molybdändisulfid anstelle von Platin eingesetzt wird. Nur einen Monat später hieß es auch aus Chemnitz, dass das Ziel einer platinfreien Brennstoffzelle näher gerückt sei. Dort vermeldeten Wissenschaftler von OH Energy, dem Fraunhofer ICT, dem Leibniz-Institut für Polymerforschung sowie der University of Delaware erstmals Zahlen zu ihrem deutsch-amerikanischen Kooperationsprojekt, bei dem es darum geht, die Kosten für Brennstoffzellen um bis zu 75 Prozent zu senken. Prof. Yushan Yan von der University of Delaware erklärte: „Durch unsere ermutigenden ersten Ergebnisse bei den Brennstoffzellen und unsere Erfahrung mit platinfreien Katalysatoren können wir mit ziemlicher Exaktheit voraussagen, dass unsere Bestrebungen zu einer Höchstleistungsdichte von 600 mW/cm² führen, und zwar ohne die Verwendung von Platin.“ Das Kernelement dieser Forschungsarbeit ist eine sogenannte Hydroxid-Austausch-Membran (engl. hydroxide exchange membrane, HEM). Diese dünne, ionenleitende Polymerfolie ermöglicht die Verwendung von allgemein verfügbaren Katalysatoren wie Silber und Nickel.
Weitere Arbeiten zur Kostenreduktion erfolgen im Rahmen eines groß angelegten EU-Forschungsprojektes, an dem sich neben Johnson Matthey und Solvay auch die Hochschule Esslingen sowie zehn weitere europäische Partner beteiligen. Wie Renate Hiesgen, Expertin für Rasterkraftmikroskopie in Esslingen, erklärte, geht es bei IMPACT (Improved Lifetime of Automotive Application Fuel Cells with Ultra-Low Pt Loading) allerdings nicht um die Substitution von Platin, sondern um die Reduzierung des eingesetzten Katalysatormaterials.
Kurz vor dem Jahresende, am 12. Dezember 2013, meldete das Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart, ein Forschungs-Team habe sich „von der Natur inspirieren lassen und einen alternativen Katalysator entwickelt“, der aus organischen Molekülen sowie Eisen beziehungsweise Mangan auf einer Metallunterlage besteht. Konkret betrachten Klaus Kern und Doris Grumelli hierbei die Kathodenseite, auf der Sauerstoff zwei Elektronen aufnimmt (Reduktion) und mit dem H-Ion zu Wasser reagiert. In der Natur findet solch eine Sauerstoffreduktion beispielsweise bei Enzymen statt, die Metalle wie Eisen und Mangan enthalten. Organische Moleküle, die mit solch einem Enzym verbunden sind, halten dann die Eisen- und Manganatome fest, so dass Sauerstoff daran andocken und reduziert werden kann. Sich dies als Vorbild nehmend, brachten die Wissenschaftler Eisen- und Manganatome zusammen mit organischen Molekülen auf eine Goldunterlage auf und stellten dabei fest, dass sich ein Netzwerkmuster bildete, das über eine starke katalytische Wirkung verfügt.
Im Februar 2014 kamen noch neue Meldungen aus den USA hinzu, dass Forscher der University of Arkansas eine Besonderheit von Platin entdeckt haben: Das von Peng Xu geleitete Team fand heraus, dass Nanopartikel dieses Edelmetalls automatisch ihre eigene Größe verringern und sich in bestimmten Mustern anordnen, wenn sie an freies Graphen gebunden werden, dass ihre katalytische Wirkung dadurch aber nicht eingeschränkt wird. Normalerweise lagert sich Platin in diffuser Ordnung an einer festen Oberfläche an, wodurch seine Reaktivität reduziert wird. Bei freistehendem Graphen hingegen beobachteten die Wissenschaftler ein gänzlich unübliches Verhalten. Physik-Professor Paul Thibado sagte: „Was wir fanden, war sehr überraschend, sehr speziell. […] Normalerweise umschließt Graphen das Material, mit dem es sich verbindet. In diesem Fall, bei der Verbindung mit Platin, war es völlig anders, mehr pyramidenförmig.” Diese andersartige Anordnung bewirkte, dass für die gleiche katalytische Wirkung 80 % weniger Material benötigt wurde.
Potentielle Alternativen gibt es also genug, aber egal, wo man auch hinschaut, all diese Arbeiten stecken noch im Forschungsstadium.
Die ausführliche Analyse von Prof. Dr. K. Andreas Friedrich und Dr. Jens Mitzel der Roland-Berger-Studie wird vom Hydrogeit Verlag als kostenloser Download bereitgestellt.

1 Kommentar

  1. Sandro Valecchi

    Ein guter, wissenschaftlicher Beitrag, den ich gerne weiterempfehlen kann. Entscheidend Ihre Quintessenz: potentielle Alternativen gibt es genug, aber egal, wo man auch hinschaut, all diese Arbeiten stecken noch im Forschungsstadium. Noch besser – weil noch konkreter – erscheint mir die Formulierung “in einem (sehr) frühen Forschungsstadium zu sein. Den Ingenieuren läuft die Zeit davon. Die Ergebnisse der praxistauglischen Entwicklung (Brennstoffzellentechnik) lassen m. E. nach sehr zu wünschen übrig. Weder das Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart – noch Peng Xu (University of Arkansas) vermochten bis heute (02. Juni 2014) darüber Auskunft geben zu können, wann (aller Voraussicht nach) das Forschungsstadium verlassen und eine Serienreife avisiert werden kann. Sandro Valecchi (Dipl.), Berlin

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