Hzwei Blogbeitrag

Beitrag von Sven Jösting

27. August 2023

Titelbild: Nikola Motors Logo

Bildquelle: Hydrogeit Verlag

Nikola Motors

Nikola – Den Gewitterwolken folgt der Sonnenschein

Die Aktie von Nikola Motors ist unter Druck geraten. Die Gründe dafür liegen – gefühlt – beim Abgang von Michael Lohscheller als CEO (Krankheitsfall in der Familie) sowie bei der Ankündigung, dass die Absatzziele für den batteriegetriebenen BEV-Tre (es sollten 350 bis 500 in 2023 werden) nicht erreicht werden. Außerdem wurde eine 5-Prozent-Wandelanleihe über nominal 325 Mio. US-$ angekündigt, und der Bereichsvorstand für den Wasserstoffbereich der Tochter HYLA hat das Unternehmen verlassen. Daneben geht es um die Untersuchung von zwei Ereignissen: Es gab einen Brand wegen zwei defekten Zellen (von insgesamt 3.100) in batterieelektrischen Lkw und ausgelaufenes Kühlwasser. Daraufhin gab es einen Rückruf der ausgelieferten Fahrzeuge zwecks Prüfung. Zudem ging Batteriezulieferer Proterra unter Konkursschutz (Chapter 11 – Betrieb geht weiter). Soweit die negativen News.

Was ist von alledem zu halten?

Für Shortseller eine Steilvorlage, was sich im jüngsten Kurseinbruch widerspiegelt, haben diese doch über 158 Mio. (Stand per 15.8.) Aktien leer verkauft, um an fallenden Aktienkursen zu partizipieren. Aber die Story hat auch eine andere Seite – eine für mich relevantere:

CEO Lohscheller wurde durch Steve Girsky ersetzt. Der Mann ist seit IPO-Beginn bei Nikola dabei. Er hat Lohscheller zu Opel und dann auch zu Nikola geholt. Bei General Motors war er im Vorstand und gilt als verantwortlich für deren damalige Sanierung (Staatskredit/Bürgschaft der Regierung Obama).

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In einem – dem ersten – Interview mit der Fachzeitung Freightwaves vom 17. August 2023 – äußerte sich der neue CEO. Darin beschreibt er den Weg, den Nikola in turbulenten Zeiten gegangen ist. O-Ton: „ Meine oberste Priorität ist es, den Schwung nicht zu rauszunehmen.“ Nikola habe so viel schon erreicht und werde seinen Weg gehen, so das Resümee des Interviews.

Kapitalsituation

Bedingt durch die Genehmigung für die Erhöhung der auszugebenden Aktien von 800 Mio. auf 1,6 Mrd. Aktien auf der Hauptversammlung Anfang August hat Nikola nunmehr die Möglichkeit, mehr Aktien auszugeben, um damit Eigenkapital zu generieren. Dazu wurde ein bestehendes ATM-Programm (at the market – Verkauf über die Börse) im Wert von 600 Mio. US-$ am 4. August 2023 mit der Citicorp verlängert.

Hinweis: Nikola benötigt nach eigener Aussage insgesamt 600 Mio. US-$, um das Unternehmen in den kommenden zwei Jahren so aufzustellen, dass es in die Gewinnzone kommt. Dies ist für das Jahr 2025 (Cash-Flow-positiv) prognostiziert.

Nun wird ergänzend eine Wandelanleihe (Convertible) mit fünf Prozent Coupon im Nominalwert von 325 Mio. US-$ an den Markt gebracht. Das Gute daran ist, dass institutionelle Anleger solche Anlagen (eventuell ein Green Bond – hängt mit der Verwendung der Mittel zusammen) sehr gerne erwerben und mehr Sicherheit erhalten, als wenn sie Aktien beziehen. Da eine Wandelanleihe optional in Aktien getauscht werden kann, kann hieraus eventuell Eigenkapital werden, wenn die Aktie stark steigt und dem Halter dieses Wertpapiers einen Sondergewinn (Kursgewinn) bringt. Dann wird aus Fremdkapital Eigenkapital.

Ausreichend Liquidität vorhanden

Addiert man alle nur möglichen Formen der Finanzierung bzw. Liquiditätsbeschaffung, so verfügt Nikola rechnerisch per Anfang Juli über 743 Mio. US-$ an Potential. 295,4 Mio. US-$ betrug der Liquiditätsbestand am Ende des zweiten Quartals – siehe oben. Darin enthalten ist der Erlös aus dem Abschluss mit Iveco in Höhe von 26,5 Mio. US-$ und der Landverkauf (Sale + Lease Back) über 49 Mio. US-$ des Firmengeländes in Coolidge. Der Verkaufserlös der geplanten Wasserstoffproduktion in Buckeye an Fortescue Future Industries in Höhe von 20,7 Mio. US-$ ist in der Gesamtliquidität im Juli enthalten, nicht jedoch in der Zahl per 30. Juni 2023, so dass Nikola damit über 316,1 Mio. US-$ an Cash verfügt.

Was ist von all den Kapitalmaßnahmen zu halten?

Nikola hätte meines Erachtens warten sollen, Kapital über die Börse (ATM) und Wandelanleihe zu beschaffen. Gute Nachrichten wie Absatzerfolge beim FCEV-Tre wären hierfür die Vorlage – steigende Aktienkurse. Auf der anderen Seite will Nikola über die kommenden zweiJahre voll durchfinanziert sein. Liegen erst einmal 600 Mio. US-$ auf der Bank, dann wird da Ruhe reinkommen und Nikola kann sich auf den Absatz vor allem der FCEV-Tre konzentrieren. Dann haben auch Shortseller Argumentationsprobleme, wenn Nikola keinen Kapitalbedarf mehr hat, der extern gedeckt werden müsste.

Absatz der BEV-Tre

Dass es hier zu weniger Auslieferungen der batterieelektrischen Fahrzeuge im weiteren Jahresverkauf kommen wird, liegt an vielen Gründen. Die jüngste Rückrufaktion mag da belastend wirken. Indes sieht Nikola seine Zukunft eher beim wasserstoffbetriebenen Lkw und nicht so sehr dem batterieelektrischen, und der FCEV-Tre wird erst seit Ende Juli überhaupt erst in Serie produziert. 200 Vorbestellungen liegen dafür vor. Immerhin gibt es Förderprogramme, die gut 320.000 US-$ pro Lkw ausmachen – kostet wohl 400.000 US-$. Hier wird es spannend, wenn größere Aufträge kommen – die Wahrscheinlichkeit dafür ist sehr groß.

Kapitalbedarf sinkt beträchtlich

Benötigte Nikola noch vor 2 Jahren über 200 Mio. US-$ pro Quartal (darin enthalten der Bau der Hallen und Infrastruktur), so soll der Kapitalbedarf pro Quartal auf 100 Mio. US-$ bis Ende 2023 sinken. Noch liegt der Liquiditätsabfluss (Cash Burn) bei circa 150 Mio. US-$ im Quartal. In 2022 waren es noch über 240 Mio. US-$ im Quartal. Dies zeigt, dass Nikola sich gut aufstellt, bis das Unternehmen voll im Laufen ist.

LoI mit Anheuser Busch in Vergessenheit geraten

Der große Brauereikonzern Anheuser Busch (BUD) hält Nikola die Stange. Gemeinsam haben beide vor Jahren eine Absichtserklärung (LoI) abgeschlossen, wonach 800 FCEV-Tre geordert werden könnten. Mehrere fahren bereits im Testbetrieb des Subunternehmers Biagi Brothers ohne Probleme und wohl schon über 12.000 Meilen. Was wohl an der Börse passiert, wenn BUD aus dem LoI einen Auftrag macht und den Auftragsbestand damit allein schon auf 1.000 FCEV-Tre hoch katapultiert?

Die Meldungen der vergangenen Wochen

Gleich zwei Programme zur Förderung der Wasserstoffinfrastruktur in Kalifornien konnten für Nikola gewonnen werden. Für acht Wasserstofftankstellen gibt es dazu Zuschüsse von über 58 Mio. US-$. Das ist sehr positiv zu bewerten, da Nikola mit Volterra (Tochter von EQT, einem Fonds) bereits ein Abkommen für den Bau von 50 H2-Tankstellen (bis zu 1 Mrd. US-$ Invest?) über die kommenden Jahre abgeschlossen hat und durch die Förderung weitere Unterstützung erfährt.

Einen Auftrag über 13 E-Lkw (10 batterieelektrische und 3 wasserstoffbetriebene) konnte von J.B. Hunt eingenommen werden. Dieses Unternehmen betreibt einen eigenen umfassenden Fuhrpark, liefert aber zudem Dienstleistungen rund um den Waren-/Gütertransport für über 1 Million Lkw in den USA. Das sieht wie eine Steilvorlage für viel mehr aus.

Fazit

Nikola ist ein Start-Up in einem neuen Wachstumsmarkt und auch First Mover. Start-Ups haben meist (immer) Startschwierigkeiten – aber die vergehen und können gelöst werden. Problem erkannt – Problem gebannt. Nikola macht sehr gute Krisen-PR – geht mit allen Problemen umgehend an die Öffentlichkeit. Sind alle Kapitalmaßnahmen erfolgreich abgeschlossen, ist Nikola gut durchfinanziert und kann sich voll auf den Auf- und Ausbau des Unternehmens konzentrieren. Aktuelle Unsicherheiten lassen auf die Börsenregel verweisen: Buy on bad news. Im Aktienkurs sind alle negativen Nachrichten enthalten, nicht aber die möglichen positiven (z.B. Aufträge). Den Gewitterwolken folgt der Sonnenschein.

Risikohinweis

Jeder Anleger muss sich immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bei der Anlage in Aktien bewusst sein und auch eine sinnvolle Risikostreuung bedenken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien sind aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, d. h., es handelt sich nicht um Standardwerte, und ihre Volatilität ist auch wesentlich höher. Es handelt sich bei diesem Bericht nicht um Kaufempfehlungen – ohne Obligo. Alle Angaben beruhen auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen, was die Einschätzung angeht, ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, der seinen Fokus auf eine mittel- und langfristige Bewertung und nicht auf einen kurzfristigen Gewinn legt. Der Autor kann im Besitz der hier vorgestellten Aktien sein.

verfasst von Sven Jösting am 22. August 2023

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