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Beitrag von Sven Jösting

25. Juni 2023

Titelbild: Zwei Nikola Two FCEV

Bildquelle: Nikola

Iveco und Nikola beenden europäisches Joint Venture

Iveco steigt aus dem Gemeinschaftsunternehmen, dem europäischen Joint Venture aus. Vorausgegangen war eine Partnerschaft seit 2019, die zu der Entwicklung des batterieelektrischen Tre BEV und des wasserstoffbetriebenen Tre FCEV führte. Iveco übernimmt das europäische Geschäft von Nikola zu 100 Prozent und zahlt dafür einerseits 35 Mio. US-$ und gibt zudem 20 Mio. Aktien an Nikola zurück. Nach der Transaktion wird Iveco noch mit 5 Mio. Aktien beteiligt sein, was angesichts von über 600 Mio. Aktien eher symbolischen Charakter hat.

Welche Konsequenzen hat die Trennung?

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Beide Unternehmen wollen weiterhin zusammenarbeiten. IP soll weiterhin gemeinsam genutzt werden und Iveco wird auch weiter Kfz-Teile an Nikola liefern. Dass beide Unternehmen ansonsten aber nun getrennte Wege gehen und sich jeweils auf ihre Stammmärkte konzentrieren – Iveco auf Europa und Nikola auf die USA –, ist eigentlich sinnvoll, denn für Nikola zählt vor allem der Hochlauf des wasserstoffbetriebenen Lkw Tre FCEV, der im zweiten Halbjahr 2023 auf den US-Markt kommen soll. Da geht es auch um den Hochlauf des ganzen Wasserstoffkomplexes, angefangen von der eigenen Produktion bis hin zum Verteilnetz, wo umfassende Förderprogramme (bis zu 320.000 US-$ pro Lkw in den USA wie auch 3 US-$ Zuschuss pro kg grünen Wasserstoffs) winken.

Für Nikola ist dieser Schritt von Iveco nicht negativ zu bewerten. Im Gegenteil: Iveco konzentriert sich erst einmal auf batterieelektrische LKW und kann die Entwicklung von Nikola in Sachen Brennstoffzelle und Wasserstoff für sich nutzen, so meine Analyse. Denken Sie dabei an den Ausstieg von Daimler und Toyota bei Tesla = nach dem Verkauf von deren Aktienpaketen kam es zu der richtigen Kursexplosion bei Tesla.

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Unbenommen von der Planung wird Iveco meines Erachtens aber in der Zukunft ein potentieller Vertriebspartner, auch in Europa, für Nikola sein, wenn Nikola in großer Serie die FCEV produziert und das Thema Wasserstoff im Nfz-Sektor in Europa richtig Fahrt aufnimmt. Aber das wird noch ein paar Jahre dauern, da Nikola ausreichend Potential in den USA hat, wenn man berücksichtigt, dass in Kalifornien ab 2035 keine Diesel-Lkw mehr fahren und in bestimmten Einsatzfeldern wie Hafenanlagen schon viel früher nur emissionsfreie Nfz zugelassen werden dürfen. Kalifornien steht für eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die der von Deutschland entspricht. Für Nikola ist dies eine Steilvorlage.

Großes Wachstumspotential sieht Nikola im Nachbarland Kanada. An den kanadischen Nfz-Fachverband Alberta Motor Transport Association (AMTA) wird jeweils ein batterieelektrischer und ein wasserstoffbetriebener Lkw samt Ladestation für Strom und Wasserstoff mittels mobiler H2-Tankstelle geliefert. Nikola kann über diesen Weg potentielle Kunden in Kanada ansprechen, da über diesen Piloten der Bekanntheitsgrad steigt.

Das wird in vielerlei Hinsicht ein sehr spannendes, zukunftsweisendes Geschäftsjahr für Nikola. Heute wird die Basis für morgen gelegt, und zwar für mich im positiven Sinne. Nikola-CEO Michael Lohscheller sagte: „Ich möchte Ihnen eines sagen: Nikola ist eine echte Sache. Wir haben echte Lkw, die bereits bestellt, ausgeliefert und in Kundenflotten eingesetzt werden. Wir verfügen über erstklassige Software und Technologie sowie elegante emissionsfreie Produkte, die den stark umweltbelastenden kommerziellen Transportmarkt dekarbonisieren .“

Das Hydrogen Hub in Phoenix, Buckeye, ist nun baulich von den Behörden genehmigt – der Bescheid liegt seit ein paar Tagen vor. Hier besteht ja die Erwartung, dass sich Fortescue Future Industries beteiligen wird. Parallel hat Nikola mit dem Infrastrukturinvestor Voltera Power (Tochterunternehmen des Wagnisfinanzierers EQT, der über 1 Mrd. US-$ in den Bereich Infrastruktur in Sachen Strom und Wasserstoff investieren will, ein Abkommen geschlossen, wonach Voltera Power bis 2026 50 gemeinsam betriebene Tankstellen (Wasserstoff und Stromladestationen) finanzieren wird und Nikola für die Wasserstoffversorgung sorgen wird.

Die Marke HYLA von Nikola, die für die Produktion und den Abverkauf von Wasserstoff zuständig ist, erfährt damit einen sehr wichtigen Auftrieb, zumal Nikola seine Haupteinnahmequelle und Gewinnmarge im Wasserstoff sieht. Mit Chart Industries arbeitet Nikola zudem an mobilen Wasserstofftankstellen der neuesten Generation, die eine höchst flexible Form der Belieferung und Zurverfügungstellung von Wasserstoff für Lkw-Flotten ermöglichen.

Bis Ende Juni werden sechs von geplanten zehn Gamma Tre FCEV bei Testkunden im Einsatz sein. AJR Trucking, das vor allem für die amerikanische Post, den United States Postal Service, ausliefert, hat bereits einen Auftrag über 50 Tre FCEV abgegeben. Denken Sie visionär: Was ist, wenn Nikola seine Verkaufsziele von 1.000 bis 1.600 Lkw im Jahr 2024 und eine Verdoppelung bis 2025 erreicht und Ende 2024 den Übergang in die Gewinnzone schafft?

Unbedeutende Quartalszahlen

Im ersten Quartal dieses Jahres hat Nikola einen Umsatz in Höhe von 11,1 Mio. US-$ erzielt. Der Verlust im Quartal betrug 169,1 Mio. US-$ bzw. minus 0,31 US-$ pro Aktie. Hierin sind indes auch Stock-Compensation-Kosten enthalten, so dass der Non-GAAP-Verlust 143,6 Mio. US-$ betrug. Der Verlust beruht auf hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung und natürlich auf dem Aufbau der Produktionskapazitäten für die Lkw.

Der Kapitalbedarf „cash burn“ wird zukünftig bei 150 Mio. US-$ im Quartal gesehen (2022 lag dieser noch bei über 220 Mio.US-$/Quartal) und soll im Jahresverlauf auf 125 Mio. US-$ gesenkt werden. An Kapitalmitteln verfügt Nikola noch über insgesamt 796 Mio. US-$, wobei hierin auch der potentielle Abverkauf weiterer Aktien über die Börse via ATM-Programm enthalten ist.

Für das Gesamtjahr peilt das Unternehmen einen Umsatz von circa 150 Mio. US-$ an. Das vierte Quartal wird dafür die Basis sein, da in diesem die ersten größeren Stückzahlen des FCEV Tre ausgeliefert werden.

Zur richtigen Zeit mit dem richtigen Produkt im richtigen Markt

Sie sollten sich immer fragen: Ist das Geschäftsmodell von Nikola zukunftsfähig? Klares Ja. Stimmen die Erwartungen und Prognosen mit den Plänen überein, sind diese realistisch und umsetzbar? Klares Ja. Nikola ist First-Mover in seinem Markt, und das ist die schwierigste Phase jedes Unternehmens. Es bedarf für die kommenden Monate aber einer gewissen Durchhaltekraft. Dass Nikola die batterieelektrischen Lkw Tre BEV vorerst nicht weiter baut, ist nur konsequent, da man erst einmal den Bestand abverkaufen wird und die Produktion danach der konkreten Auftragslage anpasst.

Es geht um die Liquidität, die gehalten werden muss, bis die wasserstoffbetriebenen Lkw in Serie gehen und zum richtigen Umsatztreiber werden. Das wird meines Erachtens erst im vierten Quartal dieses Jahres richtig durchschlagen. Bis dahin muss Nikola Kosten senken und sich finanziell auf das Notwendigste konzentrieren.

Die Hauptversammlung wurde vom 6. auf den 7. Juli verschoben, um eine ausreichende Zahl von Stimmen zu erhalten, damit via genehmigtem Kapital die Erhöhung auf rechnerisch 1,6 Mrd. Aktien beschlossen werden kann. Gelingt dies am 7. Juli nicht, dann wird im August eine einfache HV-Mehrheit ausreichen. Diese Genehmigung liegt im Urinteresse der Aktionäre, da dadurch die Flexibilisierung der Kapitalbeschaffung ermöglicht wird. Was unabhängig auch immer – im positiven Sinne – passieren kann, ist die Genehmigung des 1,3 Mrd.-US-$ schweren Kredites des Department of Energy (DOE) im Rahmen des IRA. Dieser klärt meines Erachtens – im Fall der Genehmigung – die komplette Finanzlage bei Nikola, da man dann – ohne Obligo – keine weiteren Aktien zu Schleuderpreisen und im Interesse der Shortseller mehr platzieren muss.

Nikola hat eine Notiz der Nasdaq erhalten, Maßnahmen ergreifen zu müssen, die Börsennotierung aufrecht zu halten, da Aktienkurse von unter 1 US-$ zu einem Delisting führen könnten. Nikola hat dafür bis November Zeit. Der CEO Lohscheller meinte im Fireside-Chat, dass Nikola bald wieder voll „in compliance“ sei. Dazu gab es Gerüchte, Nikola müsse einen Reversal-Split, also eine Aktienzusammenlegung, durchführen, um den Aktienkurs wieder über 1 US-$ zu hieven. Dies ist aber wenig wahrscheinlich, zumal bis November vieles möglich ist, was den Aktienkurs wieder nach oben bewegen könnte.

Die Partner von Nikola wie die australische Fortescue Future Industries wie auch andere Player im Nfz-Markt könnten die Chance nutzen, sich bei Nikola günstig einzukaufen und das Geschäftsmodell in Sachen Wasserstoff damit zu forcieren. Und auch mancher (Groß-)Auftrag für die Lkw ist jederzeit denkbar und psychologisch von Bedeutung, zumal erst seit April umfassenden Förderungen möglich sind (bis zu 320.000 für BZ-Lkw). All dies kann täglich passieren.

Fazit: Man braucht starke Nerven, aber das Chance-Risiko-Verhältnis ist entsprechend sehr hoch. Stay tuned und nicht Bange machen lassen. Die Shortseller sollten allmählich ans Eindecken denken – bislang dominieren sie das tägliche Börsengeschehen, aber auch das geht zu Ende, wenn Nikola liefert, was es prognostiziert.

Risikohinweis

Jeder Anleger muss sich immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bei der Anlage in Aktien bewusst sein und auch eine sinnvolle Risikostreuung bedenken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien sind aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, d. h., es handelt sich nicht um Standardwerte, und ihre Volatilität ist auch wesentlich höher. Es handelt sich bei diesem Bericht nicht um Kaufempfehlungen – ohne Obligo. Alle Angaben beruhen auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen, was die Einschätzung angeht, ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, der seinen Fokus auf eine mittel- und langfristige Bewertung und nicht auf einen kurzfristigen Gewinn legt. Der Autor kann im Besitz der hier vorgestellten Aktien sein.

Autor: Sven Jösting, verfasst am 9.6.2023

Kategorien: 2023 | Aktien | Börse | Europa | Stock Market
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1 Kommentar

  1. Joe Schmidt

    Köstlich – Zitat:
    „Für Nikola ist dieser Schritt von Iveco nicht negativ zu bewerten. Im Gegenteil: Iveco konzentriert sich erst einmal auf batterieelektrische LKW und kann die Entwicklung von Nikola in Sachen Brennstoffzelle und Wasserstoff für sich nutzen, so meine Analyse. Denken Sie dabei an den Ausstieg von Daimler und Toyota bei Tesla = nach dem Verkauf von deren Aktienpaketen kam es zu der richtigen Kursexplosion bei Tesla.“

    Doof nur, dass der Durchbruch der batterielektrischen E-Mobilität damals durchaus absehbar war – allenfalls Firmenrisiken bestanden. Dagegen ist Wasserstoff im PKW weltweit abgehakt und in Nutzfahrzeugen durchaus umstritten.
    Ganz zu schweigen von der allgegenwärtigen Konkurrenz der BEV, die auch im Nutzfahrzeugbereich immer staärker Fuß fassen und sich deutlich schneller entwickeln. Mit Dem Tesla Semi-Truck hat da ja auch Tesla einen Fuss in der Tür …

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