Hzwei Blogbeitrag

Beitrag von Sven Geitmann

21. August 2023

Titelbild: Vergleich von Betankungsmengen und -dauern verschiedener H2-Kraftstoffe und Fahrzeugtypen

Bildquelle: LBST/DLR

Infrastruktur für H2-Lkw im Fernverkehr

Aktueller Entwicklungsstand und Perspektiven

Im Klimaschutzgesetz von 2021 wurde für den deutschen Verkehrsbereich das Ziel einer Reduzierung der Emissionen um 85 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent (Mt CO2 äq) bis 2030 festgelegt. Dies entspricht ungefähr einer Halbierung der Emissionen in zehn Jahren. Etwa 35 Prozent der Emissionen im Verkehrssektor stammen von Nutzfahrzeugen, und wiederum mehr als die Hälfte dieser Emissionen werden im Fernverkehr verursacht. Wasserstoff gilt als vielversprechender Treibstoff, um den CO2-Ausstoß bei Nutzfahrzeugen im Fernverkehr zu verringern. Ausgewählte Inhalte einer aktuellen Studie zum Entwicklungsstand und den Perspektiven der H2-Betankungsinfrastruktur für Nutzfahrzeuge im Fernverkehr sind im Folgenden zusammengefasst.

Die derzeitigen Prototypen und Kleinflotten von Wasserstoff-Lkw verwenden meist die 350-bar-Druckspeichertechnologie. Ursprünglich wurde diese für Busanwendungen im ÖPNV entwickelt und ist dadurch bereits erprobt und schnell verfügbar. Diese Speichertechnologie ermöglicht im vorhandenen Bauraum eine Reichweite von etwa 400 km, was für viele Anwendungen (z. B. im Verteilverkehr) ausreichend ist.

Für den Lkw-Fernverkehr sind höhere Reichweiten von etwa 1.000 km gewünscht. Um diese im vorhandenen Bauraum zu ermöglichen, werden H2-Speichertechnologien mit erhöhter Energiedichte benötigt. Drei alternative H2-Kraftstoffoptionen werden aktuell diskutiert: 700-bar-Druckwasserstoff, tiefkalter Flüssigwasserstoff (sLH2) und tiefkalter Druckwasserstoff (CcH2).

Unterschiedliche Hersteller wie Nikola Motor und Toyota erproben die 700-bar-Technologie bereits in Vorserienfahrzeugen. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Technologie für den Fernverkehr zur Anwendung kommen wird. Derzeit ist, u. a. aufgrund des frühen technischen Entwicklungsstadiums, noch nicht einschätzbar, ob sich eine der beiden anderen Speichertechnologien zusätzlich am Markt durchsetzen wird.

Hinsichtlich umsetzbarer Betankungsmengen und -geschwindigkeiten unterscheiden sich die drei H2-Kraftstoffoptionen kaum. Eine Betankung von 80 kg Wasserstoff für eine Reichweite von 1.000 km kann jeweils innerhalb von 10 bis 15 Minuten durchgeführt werden (s. Abb. 1). Allerdings handelt es sich bei den erzielbaren Betankungsgeschwindigkeiten beziehungsweise den Betankungsdauern um Erwartungswerte der Industrie, die zunächst im realen Betrieb bestätigt werden müssen.

Vor der Markteinführung muss für alle drei H2-Kraftstoffoptionen noch der internationale Normierungsprozess, sowohl für den Betankungsprozess als auch für die Betankungskupplungen, durchlaufen werden. Dadurch wird die Interoperabilität zwischen Fahrzeugen und Tankstellen unterschiedlicher Hersteller und Länder gewährleistet. Erste Normierungsprozesse im Rahmen der ISO wurden bereits gestartet.

H2 per Tanklaster, Pipeline oder Elektrolyse vor Ort

Die Versorgung einer Tankstelle mit Wasserstoff sowie einer Betankungsanlage selbst unterscheidet sich für die drei H2-Kraftstoffoptionen deutlich (s. Abb. 2). Zur Bereitstellung von 700-bar-Druckwasserstoff kann der Kraftstoff gasförmig oder verflüssigt an die Tankstelle geliefert werden. Liegt er gasförmig vor, erfolgt die Bereitstellung an das Fahrzeug mittels Hochdruckverdichter und Hochdruckspeicher, die mit Drücken von bis zu 1.000 bar betrieben werden. Die Betankung erfolgt durch Überströmen beziehungsweise durch die direkte Verdichtung in die Fahrzeugtanks durch Booster-Kompressoren.

Wird verflüssigter Wasserstoff angeliefert, erfolgt die Druckerhöhung im verflüssigten Zustand mittels Kryo-Pumpe. Anschließend wird der bereits verdichtete Wasserstoff verdampft und an das Fahrzeug abgegeben. Der elektrische Energiebedarf der Tankstelle ist für den Flüssigwasserstoffpfad deutlich geringer als für die Verdichtung von gasförmigem Wasserstoff. Allerdings ist die vorgelagerte Verflüssigung von Wasserstoff mit erhöhtem Energiebedarf verbunden.

Soll sLH2– oder CcH2-Kraftstoff angeboten werden, ist die Belieferung der Tankstelle mit Flüssigwasserstoff die erste Wahl. Dieser kann aus dem Speicherbehälter der Tankstelle mittels Transfer- oder Kryo-Pumpe direkt in das Fahrzeug getankt werden.

6 Abbildung2

Die Verfügbarkeit von Flüssigwasserstoff in Europa ist derzeit sehr eingeschränkt. Europaweit bestehen drei Standorte mit Verflüssigungskapazitäten, die jedoch bereits für andere Anwendungen genutzt werden. Des Weiteren ist ihre Kapazität nicht ausreichend, um künftige Lkw-Flotten mit Kraftstoff zu versorgen. Dies wird deutlich, wenn man die Kapazitäten heutiger Verflüssiger mit den erwarteten Kapazitäten künftiger H2-Tankstellen vergleicht.

Heutige H2-Verflüssiger haben meist eine Kapazität von 5 bis 30 Tonnen pro Tag. Am einzigen Verflüssigungsstandort in Deutschland, in Leuna, beträgt die Kapazität beispielsweise 2 x 5 t/Tag. Mittelfristig werden für H2-Tankstellen je Standort Kapazitäten von 1 bis 8 t/Tag erwartet. Unterschiedliche Studien gehen für Deutschland von einer H2-Kraftstoffnachfrage in Höhe von 1,2 bis 1,8 Mt/a für das Jahr 2045 aus, was größtenteils durch die Nachfrage aus dem Bereich des Lkw-Fernverkehrs getrieben wird.

Es ist klar erkennbar, dass dafür die Kapazität für Flüssigwasserstoff deutlich ausgebaut und gegebenenfalls durch den Import von Flüssigwasserstoff ergänzt werden muss. Dies gilt auch dann, wenn ein Teil der H2-Kraftstoffnachfrage durch die Belieferung mit gasförmigem Wasserstoff gedeckt wird (z. B. zur Versorgung von Fahrzeugen mit 350- oder 700-bar-Speichertechnologie).

Abbildung 3 zeigt zwei unterschiedliche Layouts von Wasserstofftankstellen mit einer Abgabekapazität von mehr als 2 t pro Tag. Je nachdem, ob der Wasserstoff gasförmig oder verflüssigt angeliefert wird, unterscheiden sich die benötigten Hauptkomponenten. Für beide Konzepte sind Gasführungskomponenten, Ventile, Sensoren und ein Prozessleitsystem erforderlich.

6 Abbildung3

Sinkende H2-Kosten

Betrachtet man die kilometerbezogenen Kraftstoffkosten, entspricht ein Dieselpreis von 1,4 Euro/l (inkl. Steuern) einem H2-Kraftstoffpreis von etwa 5 Euro/kg. Die Metaauswertung vorliegender Studien ergibt einen Rückgang der H2-Kraftstoffkosten von über 10 Euro/kg heute auf einen Bereich von etwa 4 bis 6 Euro/kg (ohne Steuern). Studienabhängig wird dieses Kostenniveau bis 2030 oder in den darauffolgenden Jahren erwartet. Die verfügbaren Kostendaten beziehen sich dabei fast ausschließlich auf 700-bar-Kraftstoff. Kostendaten zu sLH2 und CcH2 sind nur sehr eingeschränkt verfügbar, deuten aber auf ein vergleichbares Kostenniveau hin.

Um diese Kostensenkungen zu erreichen, sind entlang der gesamten H2-Bereitstellungskette, von der H2-Erzeugung bis zur Betankungsanlage, Einspareffekte durch Massenfertigung und Skaleneffekte erforderlich. Zusätzlich muss die gesamte Bereitstellungsinfrastruktur gut ausgelastet und es müssen optimierte Versorgungs- und Logistikkonzepte eingesetzt werden. Um für den Endanwender eine kilometerbezogene Kostenparität von Diesel und H2-Kraftstoff zu erreichen, müssen differenzierte Abgaben und/oder Steuern auf beide Kraftstoffe erhoben werden.

Die Energiesteuer für Diesel beträgt derzeit 0,47 Euro/l. Hinzu kommt bis 2025 eine CO2-Abgabe von etwa 0,15 Euro/l. Mit diesen Abgaben ist perspektivisch eine kilometerbezogene Kostenparität erreichbar, solange die Steuerbefreiung von H2-Kraftstoff für Brennstoffzellenfahrzeuge erhalten bleibt. Wird künftig eine Steuer für H2-Kraftstoff erhoben, müssten parallel die Abgaben für Diesel erhöht werden, um Kostenparität der Kraftstoffe weiterhin zu ermöglichen.

Um Brennstoffzellennutzfahrzeuge im Fernverkehr zukünftig außerhalb von Förderprojekten zu etablieren, dürfen die Gesamttransportkosten maximal das Niveau für konventionelle Lkw mit Dieselantrieb erreichen. Die in der Studie betrachteten Kraftstoffkosten sind dabei nur ein Element. Kostensenkungen bei den Fahrzeugen oder entsprechend gestaltete CO2-Abgaben bzw. emissionsabhängige Mautgebühren oder Energiesteuern könnten insgesamt eine Kostenparität ermöglichen.

6 QR Code

Über die Studie

Die Studie entstand im Auftrag der e-mobil BW GmbH und wurde von der Plattform H2BW, die die Aktivitäten im Bereich der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie in Baden-Württemberg bündelt, herausgegeben. Autoren sind die Firma Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH und das Institut für Fahrzeugkonzepte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Im Rahmen dieser Studie wurden der aktuelle Entwicklungsstand und die Perspektiven der H2-Betankungsinfrastruktur für Nutzfahrzeuge im Fernverkehr erarbeitet.

Autoren:
Jan Zerhusen, Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH, München/Ottobrunn, Jan.Zerhusen@LBST.de

Mathias Böhm, DLR-Institut für Fahrzeugkonzepte, Berlin, Mathias.Boehm@dlr.de

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