Vorwort für das Buch: Wasserstoff-Autos – Was uns in Zukunft bewegt

Andreas Kessler

Der Dipl.-Ing. Andreas Kessler (Autopapst) ist Auto-Journalist und Maschinenbau-Ingenieur. Er ist u.a. aktiv als Radiomoderator beim Sender Radioein des rbb (Rundfunk Berlin-Brandenburg), als freier Motorjournalist und Vorstandsmitglied im Verband der Motorjournalisten e.V. (VdM).
Vorwort

Vor 80 Jahren war die Welt noch in Ordnung: Aus den Entwicklungsabteilungen der Automobilhersteller kam ein steter Strom von Neuentwicklungen, die bei den Autohändlern (unterbrochen von den Auswirkungen des „Black Friday“ 1929) reißenden Absatz fanden. Die Auto-Bosse verdienten gut und suchten ständig kluge Köpfe, die das Automobil noch weiter entwickeln sollten.

In dieser Zeit wurden fast alle bahnbrechenden Erfindungen der Automobiltechnik gemacht. In den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstand neben wegweisenden Automobilkonzepten auch der Entwurf der mobilen Gesellschaft, in der wir heute leben.

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Sie werden sich sicher fragen, warum ich diese Gedanken in das Vorwort eines Buches schreibe, das sich mit Wasserstoff als Energieträger für die individuelle Mobilität der Zukunft befasst.

Der Grund ist recht einfach: Die Situation von damals wiederholt sich unter geänderten Vorzeichen. In den letzten Jahren sind zahlreiche, teilweise brillante Ideen realisiert worden, die alle den Weg weg vom Erdöl und damit auch weg von Kolbenmotoren á la Otto und Diesel zeigten. Diese Realisierungen fanden in der Mehrzahl aber nur in Laboren oder auf den Bildschirmen der Konstrukteure statt. Obwohl die Nachfrage nach alternativen Antriebskonzepten stetig steigt, fahren auf den Straßen weiterhin Autos mit Motoren, die Treibstoffe aus Erdölderivaten verbrennen.

Im Gegensatz zu 1926 gibt es nämlich den für die technischen Meisterleistungen nötigen Treibstoff nicht an jeder Straßenecke zu kaufen. In der Realität sind Kraftstoffe der Hebel, mit dem Automobilität ermöglicht wird. Steht ein bezahlbarer Kraftstoff in ausreichender Menge überall zur Verfügung, bevölkern fast ausschließlich Fahrzeuge die Straßen, die genau diesen Kraftstoff konsumieren. Alternative Entwürfe können noch so leistungsfähig, sparsam und umweltfreundlich sein. Ohne ausreichende Treibstoff-Infrastruktur wird ihnen kein Erfolg zuteil.

Warum ist das so? Was hindert beispielsweise die Mineralölindustrie daran, wenigstens Teile ihrer enormen Gewinne in den Aufbau einer parallelen Infrastruktur für zukunftsträchtige erneuerbare Energieträger zu investieren? Es dürfte, wie so oft, am lieben Geld scheitern. Die Konzerne schrecken vor den zweifellos enormen Investitionen zurück, getrieben von den eigenen Controllern und vom „Shareholder-Value“. Und die Politik, die seit Jahrzehnten in Sonntagsreden den Weg weg vom Öl beschreibt, fürchtet sich vor dem Einbruch bei den Steuereinnahmen.

Trotz allem ist es den vor dem Wasserstoffhintergrund als „Übergangslösungen“ bezeichneten alternativen Treibstoffen Pflanzenöl, Auto- und Erdgas in letzter Zeit gelungen, sich am Markt zu etablieren. Das ist natürlich den explodierenden Ölpreisen, aber auch ständig besser werdenden Fahrzeugen für diese Treibstoffe zu verdanken. Immer mehr Hersteller verkaufen Erdgasautos ab Werk, die Umrüstbranche für Autogaslösungen boomt und die Freunde des Pflanzenöltankens versorgen ihre Dieselmotoren auf dem Aldi-Parkplatz mit Nachschub.

Die Politik sah diese Entwicklung bisher mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Je öfter der umweltbewusst denkende und Auto fahrende Steuerzahler an den Tankstellen vorbei zu den Gas- und Pflanzenölanbietern fährt, desto öfter entgeht Vater Staat der Mineralölsteuer-Obulus. Bislang wurden die Steuerpräferenzen auf „Biotreibstoffe“ als indirekte Subvention von Pionieren auf dem Gebiet der alternativen Antriebe bezeichnet und wohlwollend per Steuergesetz für den Zeitraum bis zum Jahr 2020 fest geschrieben. Hier zeichnet sich seit dem Antritt der großen Koalition in Berlin ein Umdenken ab: Unter dem Druck der leeren Staatskassen plant man einen „Einstieg in die Besteuerung von Biotreibstoffen“ und kippt damit das Kind mit dem Bade aus. Sollten diese Pläne durchgeführt werden, würde demnächst zum Beispiel der Alternativtreibstoff Biodiesel aus dem Tankstellenangebot, weil preislich unattraktiv, verschwinden. Ähnlich könnte es Erd- und Autogas ergehen, für deren Verwendung relativ kostspielige Zusatztechnik in ein Fahrzeug eingebaut werden muss: Bei zu hoher Steuerlast würden die Amortisationszeiten zu lang.

Auf der Strecke bleibt zunächst der Schutz der Umwelt vor Treibhaus- und anderen Abgasen und vor allem die Chance, dem Wirtschaftsdiktat der Erdölpreise zu entkommen.

Dieses Szenario lässt für die Zukunft von Wasserstoff als Energieträger in Deutschland dunkle Wolken am Horizont vermuten. Allerdings setze ich ebenso wie die Mitarbeiter an diesem Buch auf die normative Kraft des Faktischen: Erdöl wird nicht mehr billig und in beliebigen Mengen zur Verfügung stehen wie vor 80 Jahren. Die Schadstoffwerte in den Ballungszentren der aufstrebenden Wirtschaftsmächte in Asien werden weiter steigen und die Industrie wird die bisher auf dem Wasserstoffgebiet getätigten Investitionen nicht abschreiben wollen. Neben der Autoindustrie sind hier insbesondere die Anbieter technischer Gase gemeint, deren Forschungen erfreulich weit fort geschritten sind.

Deutsche Unternehmen geben auf dem Wasserstoffgebiet den Ton an, eine Tatsache, die für den Fiskus nicht ganz uninteressant sein dürfte. Hoffen wir nur, dass er mit seinen Begehrlichkeiten diese Flamme nicht zu früh erstickt …

Berlin, Februar 2006

Dipl.-Ing. Andreas Kessler

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