Wasserstoff als chemischer Energiespeicher

Wasserstoff als chemischer Speicher für eine zukünftige Energiewirtschaft – über dieses Thema haben am 8. und 9. Mai 2012 rund 150 Teilnehmer im Rahmen des Deutschen Wasserstoffkongresses diskutiert. Gastgeber in der Landesvertretung des Landes Nordrhein-Westfalen in Berlin war die EnergieAgentur.NRW, die diese Veranstaltung gemeinsam mit dem Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband (DWV) organisierte.
Das Programm war weniger technisch, sondern eher energiepolitisch ausgerichtet. Dr. Frank-Michael Baumann, Geschäftsführer der EnergieAgentur.NRW, begründete dies in seiner Begrüßungsrede mit den Worten: „Wir haben bewusst den Schwenk von der Wissenschaft in die Wirtschaft vorgenommen, denn der Wasserstoff ist unserer Meinung nach mittlerweile in der Wirtschaft angekommen.“ In diesem Sinne erhielt am ersten Veranstaltungstag insbesondere die Energiewirtschaft das Wort, um aus ihrer Sicht die Bedeutung und Einsatzmöglichkeiten von Wasserstoff als Energiespeicher darzustellen.
Als erster Referent trat allerdings zunächst Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes, an das Rednerpult. Dieser kam nicht umhin, vorauszuschieben, dass „das UBA gar nicht mehr so gegen Wasserstoff eingestellt ist“, wie es noch vor Jahren der Fall war. Anschließend befasste sich Flasbarth mit der Zielvorgabe, bis zum Jahr 2050 die CO2-Neutralität im Stromnetz zu erreichen. Dafür sei eine langfristige Planung notwendig: „35 % Erneuerbare-Energien-Anteil in 2020 werden sicher erreicht, vielleicht sogar 40 %.“ Für die Zeit danach werde aber die zentrale Frage sein: „Schaffen wir es, geeignete Energiespeicher zur Verfügung zu stellen?“ Wasserstoff und später dann auch Methan bescheinigte er dafür ein großes Potential: „Wir glauben, dass mit diesen chemischen Speichern die wesentlichen Engpässe in Deutschland zu meistern sind.“
Demgegenüber gab Dr. Oliver Weinmann, Geschäftsführer der Vattenfall Europe Innovation GmbH, zu bedenken: „Der Markt gibt es nicht her, dass heute in chemische Speicher investiert würde. Das wird sich auch in de nächsten zwei, drei oder vier Jahren nicht ändern.“ Er baut deswegen auf vier Säulen, um erneuerbare Energien noch besser ins Netz integrieren zu können, von denen die erste die Erweiterung des Stromnetzes ist: „Ohne Netzausbau wird es nicht gehen.“ Die zweite Säule ist für ihn die Optimierung konventioneller Technik. Als Drittes nannte Weinmann Smart Grids sowie Lastmanagement und als Viertes geeignete Energiespeicher.
Für den alten und neuen DWV-Vorsitzenden Dr. Johannes Töpler ist „Wasserstoff nicht nur ein Faktor in einer zukünftigen Energiewirtschaft, sondern auch ein Vektor, der die Richtung anzeigt, in die die Entwicklung geht“. Derzeit scheint allerdings noch offen zu sein, wann diese Zukunft Realität werden könnte. Erste Demonstrationsprojekte laufen zwar derzeit an, bis diese Technologie jedoch energiewirtschaftlich von Bedeutung werden kann, dürften noch etliche Jahre vergehen. Bis dahin müssen zunächst Elektrolyseure weiter erprobt und anschließend in entsprechender Stückzahl beziehungsweise Größe produziert werden.
Am zweiten Tag kam dann als Eröffnungsredner Udo Paschedag, der Staatssekretär im Klimaschutz- und Umweltministerium von Nordrhein-Westfalen, zu Wort, der erklärte: „Die NRW-Landesregierung ist davon überzeugt, dass Wasserstoff ein wichtiger Faktor in der künftigen Energiewirtschaft sein wird und wird deshalb die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie weiterhin unterstützen.“ Paschedag konkretisierte auch gleich die Art dieser Unterstützung und nannte beispielsweise Steuerbefreiungen für den Strom, der zur Wasserstofferzeugung genutzt wird: „Hier bedarf es eines Marktprogramms. […] Hier muss geklotzt, nicht gekleckert werden.“ Angesichts derartiger Äußerungen zeigte sich dann auch Frank-Michael Baumann zuversichtlich, dass seine Arbeit bei der EnergieAgentur.NRW auch nach den Wahlen vom 14. Mai 2012 unverändert fortgeführt werden könne.
Insgesamt konnte der Kongress angesehen werden als geeignete Bündelung der bisherigen Ansätze zum Thema „H2 als Energiespeicher“, die im Jahr 2008 mit der VDE-Studie ihren Anfang gefunden hatten. Seitdem hat es wiederholt Workshops, Studien sowie erste Demonstrationsprojekte gegeben, die Ende 2011 in die Gründung der Plattform performing energy mündeten. Nun gilt es, die Technik und die Geschäftskonzepte so weit zu entwickeln, dass sie den Einsatz von Wasserstoff als Energiespeicher auch wirtschaftlich interessant machen. Nach Aussage von Ulrich Bünger vom LBST ist das Erreichen dieses Ziels noch vor 2025 wünschenswert.

Grüne Intelligenz in Hannover

Grüne Technologie war bereits vor vier Jahren ein Top-Thema in Hannover. So kursierte 2008 das Schlagwort Green IT überall auf der damaligen CeBIT. Vom 23. bis 27. April 2012 wird es wieder grün in der niedersächsischen Landeshauptstadt, allerdings heißt das Schlagwort jetzt auf der Hannover Messe greentelligence. Dr. Wolfram von Fritsch, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Messe AG, erklärte: „Das Leitthema ‚greentelligence’ zieht sich durch alle Bereiche der Hannover Messe 2012. Die Industrie hat erkannt, dass nur eine intelligente Verbindung von effizienten Verfahren, umweltverträglichen Materialien und nachhaltigen Erzeugnissen in der industriellen Produktion die Wettbewerbsfähigkeit sichert.“ Als neue Leitmesse wurde dafür die IndustrialGreenTec ins Leben gerufen. Sie soll sämtlichen Umwelttechnologien entlang der industriellen Wertschöpfungskette eine Plattform bieten. Ausstellungsschwerpunkte sind neben Kreislaufwirtschaft, Nachhaltigkeit und Umweltschutz auch Techniken für eine effektive Nutzung erneuerbarer Energien.
Parallel dazu wird unter den insgesamt acht Leitmessen auch wieder die Energy stattfinden, auf der über 1 000 Aussteller erwartet werden. Der Geschäftsbereichsleiter der Hannover Messe, Oliver Frese, kündigte an, dass dort auch die Themen Energieversorgung und intelligente Netze (Smart Grids) eine wesentliche Rolle spielen werden. Elektromobilität wird zum dritten Mal auf der Leitmesse MobiliTec von über 150 Ausstellern vorgestellt. Die Schirmherrschaft dafür hat wieder der Vorsitzende des Lenkungskreises der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE), Prof. Henning Kagermann, übernommen. Eine eigene Plattform auf der MobiliTec wird das Kompetenzzentrum Energiespeicher darstellen, wo insbesondere die Batterien im Mittelpunkt des Interesses stehen.
Und natürlich wird auch der Gemeinschaftsstand Wasserstoff und Brennstoffzellen in bewährter Tradition in direkter Anbindung zum Ausstellungsschwerpunkt Renewables präsent sein. Dort hatten bis zum Jahreswechsel bereits über 100 Aussteller zugesagt, erwartet werden insgesamt etwa 150. Als Partnerland der Hannover Messe wurde für 2012 die Volksrepublik China ausgewählt.

Erdgas-Versorgungsnetze als Wasserstoffspeicher

Erdgas-Versorgungsnetze als Wasserstoffspeicher

Der Ausbau der erneuerbaren Energien erfordert einen zielgerichteten Ausbau des Stromnetzes und außerdem neue Möglichkeiten zur Speicherung von volatil verfügbarem Strom. Eine Option für die Zwischenspeicherung elektrischer Energie ist Erzeugung von Wasserstoff mit anschließender Speicherung beispielsweise im Erdgasnetz.
Der größte Anteil von erneuerbaren Energien im Strommix entfällt derzeit auf Windkraft. Der durch Windenergieanlagen (WEA) bereitgestellte Stromanteil belief sich im Jahr 2009 in Deutschland auf 7,58 % des Bruttostromverbrauches, was einer Energiemenge von etwa 40 TWh entspricht (installierte Leistung: 26 GW). Darüber hinaus sind zurzeit 32 Offshore-Windpark-Projekte mit einer Gesamtleistung von 27 GW an den Küstenregionen der deutschen Nord- und Ostsee geplant. Weiterhin werden durch technisch sinnvolle und politisch unterstützte Maßnahmen (Repowering) zusätzliche Kapazitätssteigerungen erwartet. Ähnlich verhält es sich zukünftig mit Solarstrom aus Photovoltaikanlagen, deren installierte Leistung 2009 rund 9,8 GW betrug und stetig weiter wächst.
Die Volatilität von Windenergie und Photovoltaik stellt hohe Anforderungen an das Stromnetz, die nicht allein durch Netzausbaumaßnahmen und intelligentes Lastmanagement erfüllt werden können. Die Schaffung und Einbindung großer Speicherkapazitäten für elektrische Energie sind daher dringend erforderlich. Andernfalls wäre perspektivisch der Lastabwurf von WEA und zukünftig auch Photovoltaikanlagen die verbleibende Möglichkeit, um in Phasen hoher Stromproduktion weiterhin die Netzstabilität zu gewährleisten. Dieser Weg ist aber weder sinnvoll noch politisch akzeptiert.
Überschusswindenergie, deren Einspeisung in die Stromnetze aufgrund fehlender Kapazitäten nicht möglich ist, kann chemisch in gasförmigen Brennstoffen gespeichert werden. Beispielsweise kann Wasserstoff per Elektrolyse erzeugt und anschließend in Erdgastransport- beziehungsweise -versorgungsnetze eingespeist oder in Kavernen gespeichert werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, den erzeugten Wasserstoff vor der Einspeisung zu methanisieren. Diese Umwandlung ist zwar mit Verlusten behaftet, offeriert aber die Möglichkeit zur Weiterverwertung von Kohlenstoffdioxid (z.B. aus Kraftwerks- oder Biogasanlagen) im Methanisierungsprozess.
Grundsätzlich bietet die Einspeisung von regenerativ erzeugtem Strom in das Erdgasnetz enorme Energiespeichermöglichkeiten und befördert die Konvergenz der Energieinfrastrukturen Strom- und Gasnetz im Sinne von Smart Grids. Nach Abschätzungen des Fraunhofer Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik werden bis 2050 Speicherkapazitäten für die überschüssige Energie in der Größenordnung von 20 bis 50 TWh benötigt. Die heutigen deutschen Speicherkapazitäten für Elektroenergie belaufen sich allerdings nur auf 0,04 TWh und werden fast ausschließlich durch Pumpspeicherkraftwerke dargestellt. Im Erdgasnetz ist bereits heute eine Speicherkapazität von 220 TWh vorhanden.

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