Entsetzen über den Solarausstieg von Philipp Rösler

Eigentlich wollte ich am vergangenen Freitag zur Einweihung einer Solar-Wasserstoff-Tankstelle am Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme ISE in Freiburg. Da war ich zwar auch, aber mindestens ebenso wichtig wie diese Feierlichkeiten zur Inbetriebnahme (Details dazu folgen) waren die emotionalen Äußerungen von Institutsleiter Prof. Eicke R. Weber zu einem ganz anderen Thema – und zwar zu den geplanten Kürzungen der Regierungskoalition im Photovoltaiksektor.
Bis zur Pressekonferenz am Nachmittag des 2. März 2012 verlief zunächst noch alles normal, aber bei der vorletzten Frage platzte es förmlich aus dem ausgewiesenen Solarfachmann heraus: „Das ist eine Schande für das Industrieland Deutschland.“ Gemeint war damit die von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler anvisierte Deckelung des jährlichen Photovoltaik-Zubaus in der Bundesrepublik sowie die seiner Meinung nach überhastet durchgeführte Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, ja eigentlich die ganze Vorgehensweise, wie es überhaupt zu dieser Gesetzesvorlage gekommen ist.
Gefragt worden war der ISE-Chef eigentlich nur nach einem kurzen Statement anlässlich der geplanten Änderungen im EEG, aber einmal auf dieses Thema angesprochen redete sich Weber rasch in Rage. Mit immer roter werdendem Kopf resümierte er, wie in den vergangenen Monaten ausführlich und detailliert die bisherige Entwicklung von Experten analysiert worden war, um belastbare Zahlen zu bekommen, gemäß derer ein wohl durchdachtes Gesetz verabschiedet hätte werden können. Diese Pläne und all die Zahlen seien dann aber Anfang dieses Jahres innerhalb von zwei Wochen von Rösler über den Haufen geworfen worden. Gemeinsam mit dem Bundesumweltminister ist dann auf die Schnelle ein neuer Plan erdacht worden, jedoch ohne vergleichbare Datenbasis.
„Dieses ganze Verfahren ist unfassbar“, sprudelte es aus Eicke R. Weber heraus, „Wir haben einen Wirtschaftsminister, der der Energiewende schadet.“ […] „Dabei gefährden wir nicht nur die Photovoltaikindustrie, weil wir dem Ausland signalisieren, Deutschland sei kein verlässlicher Verhandlungspartner mehr.“ […] „Rösler untergräbt das Vertrauen.“ Dabei habe doch insbesondere ein Wirtschaftsminister gemäß seinem Amtseid speziell die Wirtschaft zu schützen und zu fördern, kritisierte der Institutsleiter.
Obwohl sich er– wie er selbst feststellte – schon emotional zurücknahm, benutzte der Professor deutliche Worte: „Das ist eine entsetzliche Botschaft!“ […] „Eine Menge Schaden ist schon angerichtet.“ Er kündigte jedoch an, dies nicht tatenlos hinzunehmen. Vielmehr werde er diese Fehlentscheidungen öffentlich auf dem Podium während der heutigen Demonstration am Brandenburger Tor in Berlin (Montag, 5. März 2012, 13:00 Uhr) ansprechen, damit die Gesetzesvorlage zur EEG-Novelle nicht wie geplant nach der 1. Lesung am 8. März im Bundestag in Kraft treten könne.

NPE übergibt zweiten Bericht an Merkel

Der zweite Bericht der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) ist gestern vom Vorsitzenden des Lenkungskreises, Prof. Dr. Henning Kagermann, an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel übergeben worden. Wie bereits im Vorfeld bekannt geworden war, empfiehlt das Expertengremium in seinem 116-seitigen Bericht eine verstärkte Förderung im Bereich der Forschung und Entwicklung.
Kagermann sprach am Montag von einer „kalkulierbaren Erfolgsstory“ und sagte: „Es ist für alle klar: Elektromobilität wird sich durchsetzen.“ Er geht davon aus, dass es in Deutschland mit einer staatlichen Förderung bis zum Jahr 2014 rund 100.000 elektrische Fahrzeuge gebe, bis 2017 rund 500.000 sein und 2020 dann eine Million. Ohne Förderung sei dies Szenario jedoch nicht realisierbar.
Die Bundesregierung ließ bereits erkennen, dass bis zum Ende der Legislaturperiode eine weitere Milliarde Euro investiert werden solle. Bundesforschungsministerin Prof. Dr. Annette Schavan begründete diese Maßnahme mit den Worten: „Über den Markterfolg der Elektromobilität entscheidet […] die größte technologische Kompetenz. Darum verstärken wir jetzt unsere Forschungsförderung in diesem Bereich. Einen besonderen Schwerpunkt werden wir dabei auf die Batterieforschung legen.“
Ursprünglich hatte es geheißen, dieser zweite Bericht solle gleichzeitig der Abschlussbericht der NPE sein. Nach dem aktuellen Stand soll die Arbeit vorerst noch fortgesetzt werden. In dem Expertengremium saßen verschiedene Vertreter aus Unternehmen, Verbänden und Wissenschaft mit gesellschaftlichen Akteuren an einem Tisch saßen. Dabei wurde von unterschiedlicher Seite das Übergewicht der Industrie bemängelt. Kerstin Haarmann, Bundesgeschäftsführerin des Verkehrs-Clubs Deutschland, kritisierte: „Die Empfehlungen stellen das zwangsläufige Ergebnis dar, welches man erhält, wenn man die betroffene Automobil- und Strombranche relativ ungestört von externer Expertise ihren Subventionsbedarf für bislang unterlassene Investitionen selbst zusammenschreiben lässt.“ Auch Regine Günther, Leiterin für Klima- und Energiepolitik beim WWF Deutschland, klagte, bei dem Bericht handele es sich „fast ausschließlich um ein Industriepapier, in dem sich die beteiligten Industriezweige ihren Subventionsbedarf selbst errechnet haben“. Außerdem bemängelte sie die Intransparenz bei den Kostenberechnungen und auch den Abstimmungsprozessen.
Dennoch konnte als gemeinsamer Nenner festgehalten werden, dass Elektromobilität nur in Verbindung mit der Verwendung von erneuerbaren Energien Sinn mache. Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen sagte dazu: „Die Elektromobilität ist ein zusätzlicher Anreiz zum Ausbau der erneuerbaren Energien und ein wichtiger Beitrag zur Energiewende. Ohne Elektromobilität kann der Verkehrssektor den notwendigen Beitrag zum Klimaschutz nicht erbringen.” Der neu im Amt befindliche Bundeswirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler erklärte: „Zukunftstechnologien wie die Elektromobilität sind eine wichtige Voraussetzung dafür, dass unsere Wirtschaft erfolgreich ist. Wir wollen bei der Elektromobilität weltweit eine Spitzenstellung einnehmen. Dabei gilt der Grundsatz: Markt und Wettbewerb sind die besten Treiber für Innovationen. Deshalb muss die Hauptverantwortung bei der Wirtschaft und den Unternehmen selbst liegen.“ Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer ergänzte: „Wir setzen auf einen intelligenten Maßnahmenmix aus Forschungsförderung für die Wirtschaft und Anreizen für die Bürger. In dieser entscheidenden Phase der Marktvorbereitung ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen und Fehlentwicklungen kommt. Deshalb lehne auch ich teure Kaufprämien entschieden ab. Gerade in Zeiten knapper Kassen kann es sich kein Land leisten, in einen teuren Subventionswettlauf zu treten.“
Währenddessen hängt beispielsweise die Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast, nach wie vor an einer Prämie, die jedem Käufer eines E-Autos vom Staat gezahlt werden sollte. Auf dem hochkarätig besetzten des eMobility-Summits, der ebenfalls am Montag vom Berliner Tagesspiegel veranstaltet wurde, sagte sie, 5.000 Euro seien nötig, „weil andere es auch tun.“
Für den morgigen Mittwoch haben die beteiligten Ministerien nun die Verabschiedung eines Regierungsprogramms Elektromobilität quasi als Antwort auf diesen Bericht angekündigt, das Deutschland dem Ziel näher bringen soll, bis zum Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf den Straßen zu haben.

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