Wasserstoff in der Metropolregion Nürnberg

Wasserstoff in der Metropolregion Nürnberg

Region kann Innovationszentrum für H2-Technologien werden

Die Stadt Nürnberg verfolgt das Ziel, sich als Standort für grüne Wasserstofftechnologie aufzustellen. Mit der Studie „Wasserstoff in der Metropolregion Nürnberg – Analyse der Kompetenzen, Chancen und Herausforderungen“, welche vom Referat für Wirtschaft und Wissenschaft der Stadt beauftragt wurde, sollten Handlungsempfehlungen für regionale Akteure gegeben werden, die dann als Leitfaden dienen sollen.

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Wasserstoff in verschiedenen Formen wird bei der zukünftigen Energieversorgung eine wesentliche Rolle spielen. Grüner, aus erneuerbarer elektrischer Energie erzeugter, Wasserstoff bietet in zahlreichen Anwendungsfällen Vorteile gegenüber einer direkten Nutzung von elektrischer Energie. Hinzu kommt, dass Wasserstoff in vielen verfahrenstechnischen Prozessen entweder direkt oder in weiterverarbeiteter Form fossile Stoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas ersetzen wird. Wasserstoff stellt daher eine wichtige komplementäre Technologiekomponente dar, die zur Realisierung einer nachhaltigen Energiewende erforderlich ist.

Da auch die Europäische Metropolregion Nürnberg (EMN) von diesem grundlegenden Wandel betroffen sein wird, geht es den Franken darum, für die aufstrebende Wasserstoffwirtschaft möglichst gut vorbereitet zu sein, um sowohl nachhaltige als auch wirtschaftliche Ziele zu erreichen.

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Wasserstoff-Potenzial der EMN

Die beauftragte Studie wurde vom Energie Campus Nürnberg in Zusammenarbeit mit weiteren Projektpartnern, wie zum Beispiel der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Technischen Hochschule Nürnberg, durchgeführt. Es geht darin ausschließlich um grünen Wasserstoff. Die Autoren verfolgten dabei drei wesentliche Ziele: Es sollte ermittelt werden, welche Potenziale und welche Wertschöpfungsketten in der Region vorhanden sind. Eine weitere Frage war, welche Geschäftsmodelle geschaffen werden können. Auch ein Vergleich mit anderen Metropolregionen sollte durchgeführt werden. Gefragt werden sollte zudem, woher grüner Wasserstoff kommen und wo er eingesetzt werden könnte.

EMN als Technologie-Export-Region

Dr. Sebastian Kolb, Arbeitsgruppenleiter der Forschungsgruppe Energiesysteme und Energiewirtschaft am Lehrstuhl für Energie- und Verfahrenstechnik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, erklärte: „In der Region gibt es eine breite Basis von kleinen und mittleren Unternehmen sowie Industrieunternehmen. Viele von ihnen sind bereits heute aktiv in der Wasserstoffwirtschaft tätig. Andere bringen Kompetenzen mit, die sehr gut in die Domäne Wasserstoff eingebracht werden können. Außerdem verfügt die EMN über eine starke, wasserstoffaffine Industrie- und Grundlagenforschung. Auch Netzwerkstrukturen sind vorhanden. Die zentrale Chance für die Region besteht somit eher nicht in der Rolle als Erzeuger oder Anwender, sondern im Export von Wasserstoffschlüsseltechnologien.“

Eine wesentliche Herausforderung bestehe in der Tatsache, dass Wasserstoff in der Metropolregion als Energieträger bislang nicht sehr präsent sei. Es gebe dort wenig Anwendungspotenzial sowie wenig industrielle Großverbraucher von Wasserstoff, heißt es.

IST-Zustand, Potenzial, Chancen

Wesentliche Inhalte der Studie sind die Beschreibung des Ist-Zustands, eine Analyse des Potenzials, unter anderem hinsichtlich Anwendung und Erzeugung, Simulationen und die Nutzung der Chancen. Ein Anwendungspotenzial von grünem Wasserstoff in der EMN sehen die Autoren der Studie in der Papier- und Glasindustrie, der Eisengießerei und Nichteisengießerei sowie im Bereich der Mobilität.

Im Klimaschutzfahrplan Nürnberg wird für den Sektor Mobilität und Logistik im Jahr 2030 ein Wert von 18 Prozent am Gesamtenergieverbrauch prognostiziert. In der Studie werden vor allem schwere Nutzfahrzeuge mit Brennstoffzellen als Anwendung für Wasserstoff im Sektor Mobilität und Logistik betrachtet. Die Szenarien gehen ausschließlich vom Bedarf für diese Verkehrsmittel aus, schließen aber die deutlich kleineren Bedarfe anderer Verkehrsmittel ein. Das Ergebnis dabei war, dass schwere Nutzfahrzeuge das größte Potenzial für die Anwendung von wasserstoffbasierten Antriebssystemen in der Europäischen Metropolregion Nürnberg haben. Bis 2030 könnten zehn Prozent aller schweren Nutzfahrzeuge einen Wasserstoffantrieb haben. Dieser Anteil könnte bis 2050 auf 20 Prozent steigen. Im Bereich Bahn- und Flugverkehr sowie in der Schifffahrt spielt die H2-Technologie in der EMN, so das Ergebnis der Studie, hingegen kaum eine Rolle.

Ergebnisse und Handlungsempfehlungen

Die Studie gibt am Ende Handlungsempfehlungen, welche in drei Kategorien eingeteilt sind:

  1. Es gilt den Aufbau der erneuerbaren Energien massiv zu beschleunigen, zum Beispiel durch eine Photovoltaik-Pflicht auf Gebäuden oder die Förderung von Bürger-Windenergieanlagen.
  2. Bei den H2-Schlüsseltechnologien muss die sektorübergreifende Forschung unterstützt werden. So sollen die Vernetzung und die Kontaktstellen für Wasserstoff verbessert werden. Zudem ist eine Cluster-Förderung notwendig.
  3. Es sollte eine geeignete Versorgungsstruktur – trotz bislang geringer Erzeugung und Nachfrage – geschaffen werden. Koordiniert werden könnte sie beispielsweise durch eine zentrale Anlaufstelle für Versorger und Abnehmer. „Hier muss weiter konkretisiert werden: Wo wird Bedarf nach Wasserstoff entstehen? In welcher Form wird er benötigt? Wo soll der Wasserstoff in der EMN produziert werden?“, sagt Kolb.

Und weiter: „Was die künftige Rolle von Wasserstoff in der Region anbelangt, so sind Anwendung und Erzeugung dort untergeordnet. Der Schwerpunkt der geringen Anwendungspotenziale liegt auf der Prozesswärmebereitstellung.“ Eine Erzeugung empfehle sich da, wo bereits Infrastruktur vorhanden sei, beispielsweise in der Nähe von Windkraftparks oder bei Kraftwerken direkt vor Ort.

„Die Metropolregion Nürnberg wird keine Export- oder Großverbraucher-Region für Wasserstoff, aber sie kann zentrales Know-how und Schlüsseltechnologien für die Wasserstoffwirtschaft zur Verfügung stellen. Dennoch wird es auch in der EMN Verbraucher geben, welche auf Wasserstoff angewiesen sind – insbesondere zur Prozesswärmeerzeugung. Für diese wird eine geeignete Versorgungsstruktur in der Region benötigt“, so Kolb.

Was das Anwendungspotenzial anbelangt, so sei eine Ansiedlung von Gewerbe mit hohem Wasserstoffbedarf nicht sehr wahrscheinlich, da der Wasserstoff aufwändig über eine entsprechende Infrastruktur importiert werden muss. Wasserstoff kann in der Metropolregion zudem zur Langzeitspeicherung von Strom verwendet werden.

Die EMN könne zu einem Innovationszentrum für die Entwicklung, Herstellung, den Vertrieb und Export von spezifischen Wasserstoffschlüsseltechnologien werden. Im Vergleich mit den anderen Metropolregionen zeige sich, dass die EMN eine hohe Unternehmensansiedlung von wasserstofftechnologieassoziierten Unternehmen hat.

Ein Landkreis wird zum H2-Pionier

Ein Landkreis wird zum H2-Pionier

Ein früherer Sportfernsehsender hat einmal mit dem Slogan „Mittendrin statt nur dabei“ für sich Werbung gemacht. Wären diese Worte deswegen nicht urheberrechtlich blockiert, könnte der Kreis Düren überlegen, sie für sich zu reklamieren. Denn noch mehr mittendrin im Rheinischen Revier zu liegen, ist nicht möglich. Die drei Braunkohletagebaue Inden, Hambach und Garzweiler befinden sich wenigstens zu großen Teilen innerhalb des Kreisgebietes. Was die Geschwindigkeit angeht, mit der Ideen für eine saubere Energietechnologie umgesetzt werden, ist der Kreis Düren nicht nur mittendrin, sondern ganz vorne mit dabei. Wasserstoff spielt dabei von Anfang an eine Schlüsselrolle.

Das größte kreiseigene Projekt ist der Umstieg der kompletten Bahn- und Bus-Flotte auf grünen Wasserstoff. Der nachhaltige Kraftstoff soll ab Anfang 2025 mit einer 9-MW-PEM-Elektrolyse direkt vor Ort hergestellt werden. Darüber hinaus werden derzeit immer mehr Wasserstoffprojekte überdurchschnittlich schnell sichtbar, die dem Kreis dabei helfen, sein Ziel, bis 2035 klimaneutral zu sein, zu erreichen (s. S. 26). Sie taugen außerdem auch als gutes Vorbild für andere. Produktionsanlagen für grünen Wasserstoff im industriellen Maßstab, wie sie bei Jülich entstehen, gibt es noch nicht viele. Laut der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien IRENA waren weltweit 2021 nur vier Prozent des hergestellten Wasserstoffs grün.

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„Wir brauchen Pioniere, die vorangehen“, sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing, als er im Mai 2023 Förderbescheide über 81,6 Mio. Euro überreichte. Das Geld fließt unter anderem in den Aufbau der Elektrolyse, in die Anschaffung von 17 H2-Triebwagen, die bis 2026 die bisherigen Dieseltriebwagen ersetzen sollen, und in die Installation einer H2-Zugtankstelle auf Kreisgebiet. In einem anderen Projekt rüstet der Kreis die Flotte der Rurtalbus GmbH um. Aktuell fahren fünf H2-getriebene Busse durch den Kreis. Bis Ende des kommenden Jahres sollen 20 weitere über die Straßen des Kreises rollen.

Die Pionierleistung im Kreis Düren sieht Minister Wissing vor allem darin, dass nicht nur mit Wasserstoff angetriebene Züge auf die Schiene gesetzt werden, sondern die klimaneutrale Produktion des grünen Wasserstoffs gleich mit realisiert wird. „Wasserstoffprojekte sind wunderbar. Aber wo soll der grüne Wasserstoff herkommen? Klug ist es, wenn man diese Frage direkt beantwortet und sagt: Am besten ist, wenn wir ihn selbst herstellen.“

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Vor den Fördergeldern angefangen

Dass ein solches Vorzeigeprojekt schon jetzt im Kreis Düren sichtbar wird, liegt daran, dass Landrat Wolfgang Spelthahn (s. Abb. 3) sehr früh angefangen hat, die Zukunft mit der Nutzung von Wasserstoff zu planen. Die 2020 im Strukturstärkungsgesetz festgelegten 14,8 Mrd. Euro Fördergelder für den Strukturwandel im Rheinischen Revier, der den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung bedeutet, standen noch gar nicht in Aussicht, als er das Ziel formulierte, den Kreis Düren zu einer H2-Modellregion zu machen. „Wir haben schon früh die Vorteile von grünem Wasserstoff erkannt und mit Weitblick in die Zukunft investiert. So konnten wir uns einen erheblichen Vorsprung aufbauen“, sagt Landrat Spelthahn.

2020 hat der Bund den Ausstieg aus der Braunkohle bis 2038 beschlossen und die Förder-Milliarden zugesagt. Ein Jahr später war der damalige NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart im Kreis Düren zu Besuch. Damals bezeichnete er das Rheinische Revier als „größtes Klimaschutzprojekt der Welt“. Die Aussage steht bis heute faktisch auf solidem Fundament: Das Rheinische Revier ist das größte Abbaugebiet für Braunkohle in Europa und damit zwangsweise ein großer Emittent für klimawirksame Gase wie CO2.

Was Pinkwart (FDP) nicht wissen konnte: Die schwarz-grüne Nachfolgeregierung sollte die Schlagzahl im Strukturwandel ein Jahr später noch einmal deutlich verschärfen. Nicht 2038 wird die letzte Braunkohle in Deutschlands Westen gefördert, sondern schon 2030.

Danach ist viel Kritik lautgeworden, beispielsweise aus der Industrie. Die bemängelt, dass der Ausstieg zu schnell sei, weil der Aufbau der neuen Technologien zu langsam funktioniere. So weigerte sich die Industrie- und Handelskammer Köln im Frühsommer, den sogenannten Reviervertrag 2.0 zu unterzeichnen. Beweggrund war eine einfache Rechnung: Um die mit dem Braunkohleausstieg wegfallende Energie auszugleichen, müssten im Revier 1.500 Windräder zusätzlich aufgebaut werden. Aktuell dauere es laut IHK Köln viel zu lange vom ersten Plan für ein Windrad bis zur Inbetriebnahme, nämlich sieben Jahre. Die Schlussfolgerung: Nicht nur die energieintensive Industrie im und um das Revier herum fürchtet um die Versorgungssicherheit.

Schon jetzt sichtbar

Aus diesem Szenario sticht der Kreis Düren mit seinen H2-Aktivitäten heraus. Denn ein Großteil der Projekte, die im Revier trotz alldem schon jetzt sichtbar werden, sind dort beheimatet. Der Solarpark mit einer Leistung von bis zu 9,2 MW, der einen Großteil der grünen Energie für die Elektrolyse liefern soll, ist schon installiert. Die 18.200 Solarmodule erreichen eine Leistung, mit der knapp 3.000 Haushalte versorgt werden können. Die CO2-Ersparnis pro Jahr liegt bei 4.604 Tonnen.

Die gewonnene Energie reicht allerdings nicht, um dauerhaft die angestrebte Zahl von 162 Kilogramm Wasserstoff pro Stunde bei angepeilten 4.000 bis 5.000 Volllaststunden pro Jahr herzustellen. Deswegen plant der Kreis, weitere regenerative Quellen zu nutzen. Errichtet und betrieben wird der Elektrolyseur von der HyDN GmbH, einer Gesellschaft, an der die Beteiligungsgesellschaft Kreis Düren mbH und die Messer Industriegase GmbH aus Bad Soden beteiligt sind.

Zeigen, was Wasserstoff kann

Ein wichtiges Anliegen des Kreises ist es, den Menschen zu zeigen, was Wasserstoff kann. Seit Ende 2022 ist ein sogenannter Kommandowagen bei der Rettungsdienst Kreis Düren AöR (Anstalt öffentlichen Rechts) mit Wasserstoffantrieb im Fuhrpark. Mit ihm, einem Hyundai Nexo, fahren die Führungskräfte zu ihren Einsätzen. Außerdem ist das Notwendigste an Bord, um Unfallopfer zu versorgen.

Noch in diesem Jahr soll auch ein erster Rettungswagen mit Wasserstoffantrieb in Dienst gestellt werden. Das Fahrzeug wird eine Spezialanfertigung, für die mehrere Unternehmen zusammenarbeiten. „Wenn wir einen mit Wasserstoff betriebenen Rettungswagen auf die Straßen im Kreisgebiet bringen, dann sehen die Menschen, dass diese Antriebsform in der alltäglichen Praxis funktioniert. Das sendet genau das richtige Signal an die Öffentlichkeit“, schilderte Landrat Wolfgang Spelthahn bei der Unterzeichnung der Absichtserklärung (Letter of Intent) für die Fertigung des H2-Rettungswagens.

Die Vorteile von Wasserstoff liegen laut Spelthahn auf der Hand: Anstelle der längeren Ladezyklen für Elektrofahrzeuge wird Wasserstoff getankt. Rund acht Minuten dauert der gesamte Vorgang bei diesem Fahrzeug. Die Reichweite ist höher als bei einem batteriegetriebenen Rettungswagen. Kurzum: Der Rettungswagen steht länger und flexibler zur Verfügung. Erst recht mit dem Aufbau der Wasserstofftankstellen im Kreisgebiet. Die erste in direkter Nähe zur Autobahn A4 wurde im September 2022 eröffnet und befindet sich seit dem Sommer im Gewerbegebiet „Im Großen Tal“ in Düren im Regelbetrieb.

Dass der Kreis auf Wasserstoff setzt, wird auch im sogenannten Welcome-Center in Düren sichtbar. Teil des Welcome-Centers ist ein H2-Infozentrum. Dieses bietet ab Oktober 2023 eine frei zugängliche Ausstellung, in der auf interaktive Art und Weise das Thema Wasserstoff von den Grundlagen über die Wertschöpfungsketten bis hin zur Anwendung aufgezeigt wird.

Eine H2-Messe fördert das Netzwerk

Eine weitere Botschaft transportiert der Kreis Düren einmal im Jahr auf seiner Wasserstoffmesse, die im August 2023 zum dritten Mal stattfindet: Ein Akteur allein kann zwar viel erreichen, aber die Energiewende mit Wasserstoff als wesentlicher Schlüsseltechnologie gelingt nur, wenn viele gemeinsam daran arbeiten. Die H2-Messe in der Jülicher Kulturmuschel bringt Expertinnen und Experten zusammen und bietet auch Bürgerinnen und Bürgern umfassende Informationsmöglichkeiten. Neue Ideen, Netzwerke und Kooperationen entstehen. Am Vorabend der eigentlichen Messe verleiht der Kreis den „Hygo“. Der Wasserstoff-Preis in den Kategorien Young Researchers, Start Up Innovation und Hydrogen Champion zeichnet Persönlichkeiten aus, die die Energiewende vorantreiben und dabei Wasserstoff als Energieträger der Zukunft im Fokus haben.

Von Anfang an Bestandteil dieser Ausstellung ist das Forschungszentrum Jülich. Die Grundlagenforschung, die hier zum Beispiel zur Elektrolyse oder zur Brennstoffzelle betrieben wird, findet seit vielen Jahren weltweit Beachtung. Das Forschungszentrum gehört zu den großen Triebfedern im Strukturwandel im Rheinischen Revier. Das wird ganz besonders an seinem jüngsten Institut deutlich.

Seit knapp zwei Jahren befindet sich das Institut für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft (INW) im Aufbau, das im sogenannten Brainergy Park bei Jülich wächst, einem Gewerbepark, dessen Versorgungsinfrastruktur nach dem neuesten Stand der Technik angelegt wird. Der Kreis Düren, der am Rand des Gebiets mit Partnern seine PEM-Elektrolyse aufbaut, gehört zu den Gesellschaftern des Parks. Das INW betreibt Grundlagenforschung zu den Themen Speicherung und Transport von Wasserstoff. Es bildet aber auch den Kern eines Clusters, in dem Forschungsergebnisse direkt in die Anwendung gebracht werden sollen.

Das Helmholtz-Cluster Wasserstoff (HC-H2) ist das größte Förderprojekt beim Strukturwandel im Rheinischen Revier mit einem Volumen von etwas mehr als einer Milliarde Euro. Und es ist das größte H2-Infrastrukturprojekt in Deutschland. Es soll eine Sogwirkung entwickeln und mit dem eigenen Wachstum auf über 500 Mitarbeitende dafür sorgen, dass sich in der Umgebung weitere Firmen ansiedeln, die mit Wasserstoff in die klimaneutrale Zukunft gehen wollen.

„Es hilft sehr, dass wir im Kreis Düren in einer Region angesiedelt sind, die so schnell ist, wenn es darum geht, Wasserstoff in die Anwendung zu bringen“, sagt INW-Direktor Andreas Peschel. „Es bringt das Thema Wasserstoff stark voran, wenn die Menschen beispielsweise sehen, wie Züge mit Wasserstoff rollen und Rettungswagen fahren.“

AutorInnen: Guido Jansen, Forschungszentrum Jülich GmbH, Institut für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft (INW) / Anne Schüssler, Kreis Düren

Grenzen überwinden – Strukturen wandeln – Wissen schaffen

Grenzen überwinden – Strukturen wandeln – Wissen schaffen

Die HyExperts-Region AachenPLUS steht vor der Herausforderung, den Strukturwandel durch den Braunkohleausstieg nachhaltig zu gestalten. Der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft soll dafür genutzt werden, um regionale Wertschöpfung zu erhalten, eine nachhaltige Energieversorgung aufzubauen und die Verkehrswende umzusetzen. Im Mittelpunkt stehen dabei der Austausch und die Vernetzung der unterschiedlichen Wasserstoffprojekte, um diese Erfahrungen für eine schnelle Umsetzung in der Region zu nutzen.

Im Westen gibt es viel Neues! Ob im industriellen Mittelstand, im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und Schienenpersonennahverkehr (SPNV), in Quartierslösungen sowie in der Forschung wird im Südwesten Nordrhein-Westfalens zwischen der Rheinschiene im Osten und der Grenze zu Belgien sowie den Niederlanden im Westen Wasserstoff genutzt. Die HyExperts-Region AachenPLUS umfasst die Stadt und Städteregion Aachen, die Kreise Düren, Euskirchen und Heinsberg sowie die Kolpingstadt Kerpen und bringt alle Voraussetzungen mit, eine starke und nachhaltige Wasserstoffwirtschaft aufzubauen. Diese Vielzahl von Akteuren sorgt auch für eine große Zahl unterschiedlicher Ansätze und Bedarfe.

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Mit der RWTH Aachen, der FH Aachen und dem Forschungszentrum Jülich verfügt die Region über herausragende Forschungskompetenzen. Gleichzeitig gibt es einen innovativen und agilen industriellen Mittelstand, der nahezu die gesamte Wasserstoffwertschöpfungskette von der Grünstromerzeugung über H2-Produktion und -Speicherung bis hin zur Anwendung abdeckt. Zudem nutzen auch die beteiligten Gebietskörperschaften der Region Wasserstoff, um ihren öffentlichen Nahverkehr CO2-neutral zu entwickeln.

Auftakt im Mai 2021

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Ziel des HyExperts-Projekts war es, eine Strategie zu entwickeln, wie die Region die verschiedenen Ansätze für einen erfolgreichen Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft nutzen kann. Da die Region ein Strukturwandelgebiet mit den Braunkohletagebauen Garzweiler, Hambach und Inden ist, kommt dem Erhalt und der Schaffung von Wertschöpfung ebenfalls große Bedeutung zu. Schon vor Projektbeginn wurde erkannt, dass eine regionale Koordination der Aktivitäten vorteilhaft ist. Daher wurde bereits im Mai 2021 die Initiative „Hydrogen Hub Aachen“ gegründet.

Im Rahmen dieser Initiative koordiniert ein Projektbüro, das bei der Industrie- und Handelskammer Aachen angesiedelt ist, die regionalen Wasserstoffaktivitäten der Kreise Düren, Euskirchen und Heinsberg sowie von Stadt und StädteRegion Aachen. Unterstützt wird es dabei durch die Aachener Gesellschaft für Innovation und Technologietransfer (AGIT).

Der Blick auf eine zukünftige Wasserstoffversorgung macht deutlich, dass für einen erfolgreichen Markthochlauf in der Region AachenPLUS ein Zusammenspiel aus verschiedenen Versorgungspfaden notwendig ist. Die Region AachenPLUS bietet für eine Region im Binnenland gutes Potenzial für den Ausbau der erneuerbaren Energien im Bereich Wind und Photovoltaik. Der Kreis Heinsberg beispielsweise erweitert aktuell sein eigenes Grünstromportfolio, um in naher Zukunft lokale Elektrolysekapazitäten zu schaffen. Ein erster Elektrolysestandort ist bereits in Heinsberg-Oberbruch auf den Weg gebracht worden. Weitere dezentrale Standorte sollen folgen.

H2-Pipelines als Lebensadern

Trotz dieses Potenzials bleibt die Region mit ihrer energieintensiven mittelständischen Industrie und dem Durchgangsverkehr auf den großen Autobahnen eine Wasserstoffsenke, die ihren H2-Bedarf nicht aus eigener Produktion decken kann. Darum muss die Region neben lokaler Produktion auch auf Importe von Wasserstoff setzen. Hier erweist sich die Grenzlage zu Belgien und den Niederlanden mit der Nähe zu den dortigen Häfen als Standortvorteil: Die Planungen des Wasserstoffkernnetzes sehen den Neubau einer H2-Pipeline vor, die vom Grenzübergangspunkt Eynatten (B) kommend die Region von West nach Ost quert. Seitens Thyssengas bestehen Planungen für die Umstellung der Leitung Weisweiler-Düren auf Wasserstoff ab 2027.

Neben diesem sehr wahrscheinlichen Anschluss an den geplanten H2-Backbone bietet der Delta-Rhein-Korridor eine weitere Option, die Region AachenPLUS mit Wasserstoff zu versorgen. Die bisherigen Planungen sehen zwar einen Bau dieser Pipeline nur bis Sittard (NL) vor, es wird jedoch Aufgabe der Region sein, sich für eine Weiterführung dieser Leitungsinfrastruktur stark zu machen. In diesem Zusammenhang wird es für die Region bedeutsam sein, sinnvolle Ausspeisepunkte für die Versorgung lokaler Verbraucher zu schaffen und grenzüberschreitende Aktivitäten auszubauen.

Zahlreiche Einzelvorhaben

Die Chancen, die sich durch den Anschluss an das Wasserstoffkernnetz bieten, dürfen jedoch nicht den Blick auf dezentrale und lokale Lösungen verhindern. Hierzu gibt es in der Region eine Vielzahl von Ansätzen: Am Brainergy Park Jülich wird ein Solarpark mit angeschlossener Elektrolyse zur Versorgung der zukünftigen Brennstoffzellenzüge der Rurtalbahn sowie der Brennstoffzellenbusse der Rurtalbus gebaut. In Hellenthal ist ein Elektrolyseprojekt zur Stromspeicherung geplant. In Mechernich entsteht ein Projekt zur Gewinnung von Wasserstoff aus Grünabfällen. In Aachen ist eine Elektrolyse zur Versorgung des öffentlichen Nahverkehrsbetreibers ASEAG geplant und in Herzogenrath plant die Firma Saint-Gobain den Aufbau von Elektrolysekapazitäten für die Energieversorgung der Glasproduktion.

Mit den Projekten „Speicherstadt“ und dem „Mobilitätshafen“ wird zudem in Kerpen an der Wasserstoffversorgung des ÖPNV gearbeitet. In Heinsberg entsteht mit dem Projekt H2HS ein komplettes Wasserstoffökosystem. Hier soll der Wasserstoff zur Versorgung von Gewerbe und Industrie, ÖPNV, Logistik und Schwerlastverkehr sowie für die Versorgung des Wohnsektors dienen. Des Weiteren ist geplant, die Abwärme des Elektrolyseurs in ein Nahwärmenetz einzuspeisen und den Sauerstoff in einer nahegelegenen Kläranlage zu nutzen.

Weitere Anwendungsbeispiele in der Region gibt es überraschenderweise im Wärmesektor. In Linnich wird Wasserstoff über ein Inselnetz zur Wärmeerzeugung eingesetzt und in Euskirchen als saisonaler Energiespeicher für ein Wohnquartier.

All diese Projekte bieten Lösungsmöglichkeiten, die einen wertvollen Beitrag zum Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft leisten. Hier können Business-Cases geschaffen und noch offene technische Fragestellungen geklärt werden. Zudem können wichtige Erfahrungen in Bezug auf Genehmigungsverfahren und rechtliche Rahmenbedingungen gesammelt werden. Darüber hinaus können aus diesen Projekten langfristige Lösungen für Wasserstoffsenken abseits der Backbones entwickelt werden.

Für die Weiterentwicklung der HyExperts-Region AachenPLUS wird es von entscheidender Bedeutung sein, die in diesen Projekten gewonnenen Erkenntnisse nutzbar zu machen. Dies soll dadurch geschehen, dass im Kontext des Hydrogen Hubs ein Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer zwischen den Projekten organisiert werden soll. Gleichzeitig gilt es, ein Matchmaking zwischen Erzeugern und potenziellen Abnehmern zu schaffen, um weitere Projekte zu initiieren und die Wirtschaftlichkeit geplanter Projekte sicherzustellen.

Ein weiteres Anwendungsfeld zeichnet sich in der Mobilität ab. Alle regionalen ÖPNV-Anbieter haben entweder bereits Brennstoffzellenbusse angeschafft oder planen eine Anschaffung. Im Kreis Düren wird zudem das Schienennetz der Rurtalbahn in Kürze mit Brennstoffzellenzügen betrieben. Die entsprechenden Förderbescheide wurden im Mai 2023 von Verkehrsminister Wissing übergeben. Weitere Informationen zu den Projekten des Kreis Düren finden Sie auf Seite 28.

Die im Rahmen des HyExperts-Projekts erstellte Studie hat ergeben, dass auch in der Logistik Flottenumstellungen auf Brennstoffzellenfahrzeuge zu erwarten sind. Um den Bedarf dieser Fahrzeuge zu decken, wird es notwendig sein, bis 2035 mindestens 13 H2-Tankstellen in der Region installiert zu haben. Es ist daher angedacht, die im HyExperts-Projekt etablierte Arbeitsgruppe aus ÖPNV und Logistik weiterzuführen, um diese Infrastruktur zielgerichtet und koordiniert zu planen.

Suche nach geeigneten Fachkräften

Ein wichtiges Feld für die Implementierung ist die Sicherung von Fachkräften zur Umsetzung sowie eine Inwertsetzung der Forschungs- und Entwicklungskompetenzen für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft vor Ort. Hierzu soll der über die Netzwerkaktivitäten des Hydrogen-meet&connect-Netzwerks initiierte Austausch zwischen mittelständischer Wirtschaft und Wissenschaft intensiviert werden. Damit eine flächendeckende Aus- und Weiterbildung sichergestellt ist, sollen Informationsformate an Schulen geschaffen werden. Darüber hinaus müssen neue spezialisierte Berufsbildungszentren und Berufsschullehrgänge, zum Beispiel für den sicheren Umgang mit Wasserstoff, H2-Heizungen, -Transport, Brennstoffzellen und H2-Mobilität initiiert werden. Da die Ausbildung neuer Fachkräfte den Personalbedarf allein nicht bedienen kann, sollen zusätzlich umfängliche Weiterbildungsmaßnahmen beispielsweise über die Handwerks- oder Industrie- und Handelskammern koordiniert und angeboten werden.

Ballard Power – Plattformpartnerschaft mit Ford

Ballard Power – Plattformpartnerschaft mit Ford

Die Bilanzpressekonferenz zum zweiten Quartal hat eine Reihe von Erkenntnissen geliefert, die einen sehr optimistischen Ausblick auf die Zukunft des Unternehmens zulassen. Ballard positioniert sich perfekt in seinen wichtigsten Märkten: Bus und Lkw, Schienenfahrzeuge, Schifffahrt und stationäre Energie. Da geht es um die Optimierung der Produktionsprozesse aller wichtigen Komponenten, Kostenreduktionen (Skalierung), Local-for-Local-Strategien (Lieferketten in den jeweiligen Ländern, wo Ballard eine Produktion unterhält) und den Hochlauf in den verschiedenen Weltregionen, in denen das Unternehmen tätig ist. Ein paar Beispiele:

Bei Bussen haben die Kanadier in Sachen Brennstoffzelle „die Nase vorn“ mit einem gefühlten Marktanteil von noch über 70 Prozent. Kürzlich kam der größte weltweite Einzelauftrag des Kunden Solaris für 96 BZ-Busse rein (davon 52 für Rebus in Güstrow bei Rostock). In den kommenden zwei Jahren geht es um beachtliche 10.000 BZ-Busse (Europa und USA), von denen sich Ballard einen großen Anteil verspricht. In den USA fängt es gerade diesbezüglich erst an und Ballard sieht sich auf gutem Wege, u. a. von New Flyer (haben Marktanteil von rund 66 Prozent bei Citybussen) größere Bestellungen entgegenzunehmen. Einzelaufträge von Kommunen ziehen nun mit Stückzahlen von 1, 2, 5 auf 50 bis 100 BZ-Bussen an.

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China-Karte

In China tut sich nun endlich auf Regierungsebene sehr viel in Sachen Wasserstoff (s. o.). Die Chance auf ein umfassendes Förderprogramm der Regierung ab 2024/25 steigt. Wird China da kleckern oder vergleichbar der US-Regierung mit dem IRA ein Mammutprogramm in Sachen Wasserstoff (Investitionsanreize, Zuschüsse für die H2-Produktion) auf den Weg bringen? China könnte den Themenkomplex Wasserstoff wie ein klimafreundliches Konjunkturprogramm für sich einsetzen, gibt es doch derzeit Probleme im Bausektor und bei Infrastrukturprogrammen. Zudem lassen sich neue Märkte in der Elektromobilität aufbauen, so dass die batterieelektrische ergänzt bzw. ersetzt werden könnte, was dem Weltmarkt für Brennstoffzellen einen Turboeffekt verabreichen würde.

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Für Ballard und sein Joint Venture mit Weichai (49:51) lässt dies sehr viel Fantasie zu. CEO Randy MacEwen sagte: „W.“

Wisdom Motor liefert 147 BZ-Lkw nach Australien

Mit Wisdom Motor – Sitz ist Fujian in China – hat Ballard bereits im Mai 2022 eine strategische Partnerschaft abgeschlossen, wozu auch die Firmen Templewater Group und Bravo Transportation (Lkw & Busse) zählen. Wisdom Motor hat wiederum im November 2022 mit den australischen Pure Hydrogen und HDrive eine Kooperationsvereinbarung (MoU) abgeschlossen, wonach Wisdom über einen Zeitraum von fünf Jahren 12.000 schwere wasserstoffbetriebene Lkw (u. a. Müllfahrzeuge) liefern wird.

Nun wurde der erste Auftrag abgeschlossen, der die Auslieferung von 147 wasserstoffbetriebenen Abfallsammelfahrzeugen zum Inhalt hat. Auftragswert: 63 Mio. US-$. Der Lieferant der Module/Stacks: das Joint-Venture von Ballard und Weichai in China – und zwar exklusiv. Könnte dies bereits bedeuten, dass Ballard via China-JV hier nun allein aus diesem Deal 2.400 BZ-Module pro Jahr liefert? Die BZ-Kapazitäten des JV liegen bei 20.000 Einheiten pro Jahr, so dass dieser Auftrag perspektivisch ein sehr guter Anfang ist.

Investments in China werden angepasst

Ursprünglich wollte Ballard eine eigene MEA-Produktion mit einem Investitionsvolumen von 130 Mio. US-$ in China aufbauen, u. a. um Importzöllen entgegenzutreten. Dieses Investment wird vorerst aufgeschoben, bis Klarheit über das Förderprogramm besteht. Man hält an den Plänen fest, will aber vorerst noch nicht in Grund und Boden investieren, bis der BZ-Markt dort in Fahrt kommt. Dazu habe man aber, was die Lieferketten angeht, bereits alle wichtigen Kontakte beisammen und kann schnell reagieren, wenn es denn sinnvoll ist. Anders ausgedrückt lässt dies die Interpretation zu, dass Ballard erst verstärkt in den Märkten (USA, Europa) investiert, wo man sich zeitnah die besseren Chancen auf Aufträge verspricht. All das kann aber auch schnell geändert werden, wenn China Gas gibt, was deren Wasserstoffstrategie (Förderung, Anreize) angeht.

Plattformpartnerschaften als Turbo

Ballard arbeitet schon lange am Aufbau von sogenannten Plattformpartnerschaften. Hiermit sind Kunden gemeint, die das Brennstoffzellen-Know-how (Stacks & Module) für sich zu nutzen wissen und dies in deren eigene Wasserstoffstrategie integrieren und die BZ-Module exklusiv von Ballard beziehen. Man setzt da voll auf Ballard und deren Erfahrungen wie auch die Qualität der BZ-Produkte. Für Ballard bedeutet dies, zukünftig große Mengen an Modulen/Stacks an diese Partner ausliefern zu können. Im Bussektor sind dies Firmen wie Van Hool oder Solaris und bei Schienenfahrzeugen Siemens Mobility und Stadler, um ein paar Beispiele zu nennen. Es könnten wohl 30 und mehr solcher Partnerschaften entstehen, was mittel- bis langfristig ein gewaltiges und vor allem sicheres Absatzpotenzial bedeutet.

Auswahlverfahren von Ford spricht für Ballard

Ford Truck hat sich nach umfassender Marktanalyse entschlossen, Ballard für deren BZ-Module für Lastwagen der Baureihe F-MAX zum Einsatz zu bringen. Jeweils zwei 120 kW leistende FCmove-XD-Module kommen pro Lkw zum Einsatz. Erst einmal wurde eine Absichtserklärung (LoI) abgeschlossen und die Lieferung einiger Module für Testzwecke vereinbart. Daraus wird dann eine Großserie. Man kann dies vergleichen mit Bosch und Nikola, wo Bosch die BZ-Module liefert.

Dies ist ein Ritterschlag für Ballard, der deren Kompetenz unterstreicht. Ford Truck baut neben schweren Lkw auch viele andere Fahrzeuge wie Baumaschinen und Trecker, in denen dann Ballard-inside perspektivisch zum Einsatz kommen kann. Die Lkw-Produktion in der Türkei soll hierbei Standort für den ersten BZ-Einsatz sein. Über 10.000 Fahrzeuge rollen hier jährlich vom Band.

Ford kann die Ballard-Module selbst perfekt auf den eigenen Lkw-Chassis verbauen, so der Plan. Sicherlich wird es noch ein bis zwei Jahre dauern, bis nach Testläufen erste Großaufträge an Ballard vergeben werden. Der Grundstein ist aber nun gelegt. Was wäre, wenn Ballard hier 1.000, 5.000, 10.000 und mehr BZ-Module im Jahr zuliefert – nur für diese eine Plattformpartnerschaft? Von Ballard hieß es dazu: „Wir gehen davon aus, dass sich diese Partnerschaft mit zunehmender Reife der F-MAX-Brennstoffzellen-Lkw-Plattform von Ford zu einer langfristigen Vereinbarung über Modulbestellungen und -lieferungen in größerem Umfang entwickeln wird.“

Auch Canadian Pacific hat für die konzerneigene Produktionsstätte von CPKC in Kansas City 20 BZ-Module für den Einsatz in verschiedenen Lokomotivvarianten geordert, um im Testbetrieb Erfahrungen zu sammeln. Das Bahnunternehmen arbeitet auch mit der Eisenbahngesellschaft CSX zusammen, Lokomotiven H2-ready zu machen bzw. vom Dieselbetrieb abzuschalten. Hieraus kann ein sehr großer Auftrag entstehen. Weitere Aufträge werden im weiteren Jahresverlauf 2023 erwartet.

Zahlenwerk

Der Verlustausweis bei Ballard lag wie erwartet pro Aktie bei minus 0,10 US-$ pro Quartal. Der Auftragsbestand hat sich wertmäßig stark auf 147,5 Mio. US-$ erhöht und wird dies auch weiterhin tun. Auf der Bank liegen noch gut 815 Mio. US-$ an liquiden Mitteln. Das Verhältnis der Umsatzentwicklung im ersten und dem zweiten Halbjahr wird mit 30:70 Prozent beschrieben, so dass das aktuelle zweite Halbjahr hier positive Überraschungen verspricht. Richtig spannend wird es dann erst in 2024/25.

Fazit: Die Ruhe in der Kursentwicklung bei Ballard sollte spätestens in 2024 zu Ende gehen und in einen allmählichen Kursanstieg münden, der seine Grundlagen in steigenden Aufträgen der BZ-Produkte in all den verschiedenen Plattformpartnerschaften, Märkten und Regionen findet. Ein Turbo könnte China sein, wenn hier Klarheit über die Förderung geschaffen ist. Deshalb: Kaufen und liegen lassen. Kein Schnellschuss. Denken Sie an Facebook, Amazon und Google in den ersten Jahren: Da gab es nur „logische“ riesige Verluste – bis die Geschäftsmodelle ins Fliegen kamen – die Aktien auch.

Risikohinweis

Jeder Anleger muss sich immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bei der Anlage in Aktien bewusst sein und auch eine sinnvolle Risikostreuung bedenken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien sind aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, d. h., es handelt sich nicht um Standardwerte, und ihre Volatilität ist auch wesentlich höher. Es handelt sich bei diesem Bericht nicht um Kaufempfehlungen – ohne Obligo. Alle Angaben beruhen auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen, was die Einschätzung angeht, ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, der seinen Fokus auf eine mittel- und langfristige Bewertung und nicht auf einen kurzfristigen Gewinn legt. Der Autor kann im Besitz der hier vorgestellten Aktien sein.

Plug Power – Noch keine Kaufempfehlung

Plug Power – Noch keine Kaufempfehlung

Plug Power berichtet über eine Vielzahl an Projekten rund um Wasserstoff, dessen Produktion, den Einsatz und die zukünftigen Märkte, in denen man aktiv ist und sich als Frontrunner empfindet. Da sprechen Unternehmensvertreter von einer H2-Produktionsstätte in Georgia, die die größte ihrer Art in den USA sei. Man sei überall aktiv – bei den Stacks, den Kryo-Technologien (Verflüssigung), den Elektrolyseuren und wasserstoffbasierten Fahrzeugen.

Die Zahlen sprechen indes noch eine ganz andere Sprache: Der Umsatz zog zwar um beachtliche 70 Prozent auf über 260 Mio. US-$ im zweiten Quartal an. Nur stieg der Quartalsverlust ebenfalls um 58 Prozent auf minus 236,4 Mio. US-$ bzw. minus 0,40 US-$ pro Aktie (minus 0,26 US-$/Aktie war die Erwartung für das zweite Quartal). Die Liquidität nahm spürbar auf nur noch circa 1 Mrd. US-$ ab, wobei der CFO erwartet, dass Plug in den kommenden 12 bis 18 Monaten zwischen 1 und 1,5 Mrd. US-$ an neuer Liquidität benötigt.

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Kommt da demnächst ein Offering (Aktienplatzierung) oder wird ein Kredit im Rahmen des IRA durch das Department of Energy (DoE) in Höhe von über 1 Mrd. US-$ aufgenommen? Am besten würde sich eine Wandelanleihe im Volumen von 1 bis 2 Mrd. US-$ anbieten, da große Fonds vor allem auf „grüne Anleihen“ setzen, die dem Thema Nachhaltigkeit entsprechen sollen und auch das Kapital ausreichend vorhanden ist. Die Börse ist indes skeptisch aufgestellt und ließ den Aktienkurs einbrechen.

„Bis Ende 2023 wollen wir 1,4 Mrd. US-$ Umsatz erzielen, mehr als 200 Tonnen flüssigen grünen Wasserstoff in Betrieb nehmen und der größte Global Player werden, mehr als 400 Mio. US-$ an Elektrolyseurverkäufen überschreiten, 30 Megawatt an stationären Stromerzeugungsprodukten in Betrieb nehmen, die als substanzielle Quelle für wiederkehrende Einnahmen für Plug dienen werden, und schließlich den Weg der Rentabilität für alle unsere Investoren klar aufzeigen.“

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Plug-Quartalsbericht

Für mich alles Worthülsen – aber realistisch? Die Prognosen werden aufrechterhalten: 1,2 bis 1,4 Mrd. US-$ Umsatz gelten als Ziel für das Gesamtjahr 2023. Die Pläne sind gewaltig. Allein im Unternehmensfeld Elektrolyse wird eine Leistung von 7,5 GW erwartet. Die aktuellen Zahlen (Auftragsbuch mit einem Gegenwert von circa 224 Mio. US-$ für Elektrolyse) sprechen eine andere Sprache. Die Zielgrößen entsprechen einem Umsatzpotenzial von bis zu 5 Mrd. US-$. Realistisch? Wann?

Es gibt viele neue Standorte in der Welt für den Einsatz von Wasserstoff in Gabelstaplern, wie dies ja die Geschäftsgrundlage mit Kunden wie Amazon und Walmart ist. Nur müsste Plug den verflüssigten Wasserstoff selbst produzieren und daran Geld verdienen, statt diesen sogar mit Verlust von Dritten einzukaufen, so meine Einschätzung. Jeder Neukunde bringt dann ein Verlustgeschäft mit, so meine subjektive Sichtweise.

Plug kalkuliert den Preis für Wasserstoff basierend auf 0,03 US-$ pro kWh in den USA mit 2,75 US-$ pro kg. In Europa aufgrund von Auflagen und dem Strompreis circa 0,75 US-$ pro kg höher. Bezieht man indes Kosten wie die Verflüssigung und den Transport mit ein, dann gelten 4,50 bis 5 US-$ pro kg als realistische Grundlage. Hier wird dann der Zuschuss via IRA in Höhe von 3 US-$ pro kg seinen positiven Einfluss haben (Gewinnmarge).

Fazit: Plug Power wird noch länger brauchen, bis die Aktie zum Kauf empfohlen werden kann. Nach der Platzierung einer Wandelanleihe (Erwartung/Vision) und dann ausreichender Liquidität für all die ehrgeizigen Pläne muss neu nachgedacht werden. Das Unternehmen hat sehr gutes Potenzial, ein Top-Player in Sachen Wasserstoff zu werden. Kritisch sollte man aber noch sein, da Plug an sehr vielen Projekten (Aufbau von Kapazitäten) parallel arbeitet, sich eventuell zu breit aufstellt und dies an vielen unterschiedlichen Baustellen zur selben Zeit und dann auch noch international unterwegs ist. Weniger ist mehr, würde ich da sagen. Das Unternehmen ist für mich – nach Studium des 10-Q (Quartalsbericht) – zu wenig transparent. Ab 7 US-$ setze ich auf den Einstieg.

Risikohinweis

Jeder Anleger muss sich immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bei der Anlage in Aktien bewusst sein und auch eine sinnvolle Risikostreuung bedenken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien sind aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, d. h., es handelt sich nicht um Standardwerte, und ihre Volatilität ist auch wesentlich höher. Es handelt sich bei diesem Bericht nicht um Kaufempfehlungen – ohne Obligo. Alle Angaben beruhen auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen, was die Einschätzung angeht, ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, der seinen Fokus auf eine mittel- und langfristige Bewertung und nicht auf einen kurzfristigen Gewinn legt. Der Autor kann im Besitz der hier vorgestellten Aktien sein.

 

 

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