Wasserstoff auf der Schiene

Wasserstoff auf der Schiene

Polen hat sich in Sachen einer aktuell entstehenden Wasserstoffwirtschaft für eine außergewöhnliche Vorgehensweise entschieden: Im Gegensatz zu Deutschland liegt der Schwerpunkt nicht auf der Produktion und der Speicherung von grünem Wasserstoff. Hintergrund ist, dass Polen ohnehin große Mengen konventionellen Wasserstoffs produziert, der vor allem als Abfallprodukt in der Industrie entsteht. Als strategisch wichtiger erachtet das osteuropäische Land den Aufbau funktionierender und tragfähiger Leitungs- und Vertriebsstrukturen. Sobald die notwendige Skalierung erreicht ist und grüner Wasserstoff bereitsteht, könnten derartige Strukturen von entscheidender Bedeutung auf einem europäischen H2-Markt sein.

In Polen scheint es andere Überlegungen hinsichtlich der Anwendbarkeit von Wasserstoff zu geben als in Deutschland. Ideologische und klimapolitische Paradigmen spielen kaum eine Rolle. Umsetzbarkeit und Rentabilität sind dagegen wesentlich wichtiger.

Auf der diesjährigen Konferenz zur Zukunft des Wasserstoffeinsatzes bei der polnischen Bahn wurde das besonders deutlich, als der Vertreter des wichtigsten polnischen Güterbahnunternehmens PKP Cargo eine sehr nüchterne und sachliche Betrachtung vornahm. Er präsentierte eine praxisnahe Machbarkeitsanalyse, in der alle Einsatzformen, von Personenbeförderungsverkehr, Land- und Kurzstrecken, über Güterverkehr bis hin zur Güterbahnhof- und Terminalinfrastruktur, untersucht und die Vor- und Nachteile der Brennstoffzelle im Vergleich zum Elektroantrieb vorgestellt wurden. Dabei zeigte sich, dass die Brennstoffzelle nur da Vorteile bringt, wo Bahnstrecken nicht elektrifiziert sind und große dieselgetriebene Rangierloks arbeiten. Nicht elektrifizierte Strecken sind in Polen seltener zu finden als in Deutschland, was den dortigen Einsatz von Wasserstoffzügen einschränkt.

Anders sieht es hingegen bei den Rangierloks aus, die auf den vielen polnischen Bahnhöfen und den gerade neu entstehenden Terminals und Hafenanlagen dringend benötigt werden. Diese Anlagen sind auch wegen der internationalen Konkurrenz sehr darum bemüht, ihre Klimabilanz zu verbessern. Ein gutes Beispiel ist die PKP Cargo selbst, die als mit Abstand größter polnischer Güterverkehrsanbieter auch der größte Abnehmer von Wasserstoffloks sein wird, die in Polen gebaut werden.

Die erste H2-Lok gibt es schon

Das wichtigste polnische Unternehmen, das sich explizit mit dem Bau von Zügen und Lokomotiven beschäftigt, ist die PESA in Bydgoszcz. PESA hat schon vor Jahren mit der Entwicklung von Brennstoffzellen für die Eisenbahn begonnen. Das aussichtsreichste H2-Projekt entwickelte PESA gemeinsam mit dem größten polnischen Mineralölkonzern PKN Orlen, der gleichzeitig auch der wichtigste Produzent Polens im Bereich des konventionellen Wasserstoffs ist. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit wurde auf der Innotrans 2022 in Berlin vorgestellt. PESA stellte in Berlin die Rangierlok SM42-6Dn samt einem Betankungskonzept von Orlen vor.

„Unsere beiden Unternehmen haben soeben eine strategische Vereinbarung geschlossen und beabsichtigen, den Kunden ein gemeinsames Produkt anzubieten – die Lieferung von Schienenfahrzeugen zusammen mit Betankungsdienstleistungen und Wasserstofflieferungen. Ein potenzieller Betreiber eines Gleisanschlusses oder einer Verladestation erhält ein einziges Paket: ein Fahrzeug, eine Tankstelle und Wasserstoff”, erklärte Krzysztof Zdziarski, Vorsitzender von PESA, gegenüber der Presse.

Zdziarski sprach bei der Gelegenheit auch davon, dass nicht nur polnische Unternehmen interessiert seien. Demnach hätten auch Häfen im Süden Europas Interesse an dem Konzept von Pesa und Orlen. Darüber hinaus sind die Erfahrungen, die die Entwickler im Zusammenhang mit der SM42-6Dn gesammelt haben, eine gute Ausgangssituation, um als Nächstes einen H2-Personenzug zu entwickeln. PESA beabsichtigt, den ersten polnischen Personenzug auf Brennstoffzellenbasis 2025/2026 bauen zu können.

Die Aussagen Zdziarskis sind aber mit Vorsicht zu bewerten. PESA erfüllt zwar bereits die ersten Rahmenbedingungen für ein interessantes Wasserstoffprodukt, aber von einer Marktreife ist man noch weit entfernt. Aktuell kann der Hersteller weder einen konkreten Preis nennen, noch konnte die Rangierlok SM42-6Dn in der Praxis zeigen, was sie kann.

Verbindung von Tradition und Hightech

Das PESA-Werk in Bydgoszcz könnte schon bald nicht mehr der einzige polnische Hersteller von Brennstoffzellenantrieben für Schienenfahrzeuge sein. Auf der diesjährigen Konferenz zur Zukunft des Wasserstoffeinsatzes bei der polnischen Bahn in Poznań kam es zur Unterzeichnung eines Memorandums zwischen der Posener Polytechnischen Hochschule, den Werken H. Cegielski – FPS und der Firma Impact. Alle drei Partner haben bereits Erfahrungen in der Forschung und Entwicklung im Zusammenhang mit Wasserstoff gemacht. Impact liefert bereits Batteriesysteme an Bahnausrüster wie Stadler und Siemens.

„Wir haben über zehn Jahre weltweite Erfahrung in der Bereitstellung von Lösungen für Batterie- und Wasserstofffahrzeuge sammeln können. Wir betrachten Wasserstoff als den Energieträger der Zukunft. Die Rentabilität von Wasserstoff als Kraftstoff und Energiespeicher setzt eine Größenordnung voraus, das heißt, er muss von Elektrolyseuren aus erneuerbaren Quellen hergestellt werden, damit die Wirtschaft so weit wie möglich auf Wasserstoff umgestellt werden kann. Die Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff ist ein Prozess von 10 bis 15 Jahren, es sei denn, die EU-Maßnahmen verkürzen diesen Zeitraum. Ein gemeinsames Projekt zur Anwendung der Wasserstoffzelle auf Schienenfahrzeuge könnte das Wachstum dieser vielversprechenden Branche erheblich beschleunigen”, sagte der Vorsitzende von Impact, Bartłomiej Kras.

Das Posener Traditionsunternehmen H. Cegielski und Impact arbeiten schon seit über einem Jahr an der Idee eines H2-Zuges. Der erste Schritt zu einer neuen Zugreihe ist auch mit der neuen Plattform PLUS gemacht worden. Für mehr wissenschaftliches Know-how und Forschungskapazitäten soll jetzt die Partnerschaft mit Łukasiewicz – Poznański Instytut Technologiczny an der Polytechnischen Hochschule sorgen. Hierbei handelt es sich um ein Technologieinstitut, an dem 700 Wissenschaftler arbeiten, die auf sechs Forschungszentren verteilt sind. Eines der Forschungszentren, das Instytut Pojazdów Szynowych TABOR, beschäftigt sich ausschließlich mit Schienenfahrzeugen.

„Das Łukasiewicz-Institut arbeitet seit vielen Jahren an H2-Energielösungen. Ich glaube, dass diese Absicht, die wir heute in diesem Dokument zum Ausdruck gebracht haben, bald zu einer Revolution auf dem Eisenbahnmarkt führen wird, die vor allem im Zusammenhang mit der Klimakrise und den Energiemärkten so notwendig ist“, sagte Arkadiusz Kawa, Direktor des Łukasiewicz – Poznań Institute of Technology, beim Auftakt der Konferenz.

Autorin: Aleksandra Fedorska
Bilder:1 H2-betriebene Rangierlok SM42-6Dn, 2 Schematischer Aufbau der SM42-6Dn
Quelle: PESA

Nicht nur auf eine Technologie setzen

Nicht nur auf eine Technologie setzen

Lars-Peter Thiesen, Opels Leiter Einführungsstrategie Wasserstoff und Brennstoffzelle, hat die Entwicklung des Brennstoffzellenantriebs in Deutschland von Anfang an begleitet und maßgeblich mitgeprägt. Im Interview mit HZwei plädiert er für ein technologieoffenes Zusammenspiel von batterie- und wasserstoffbasierter Elektromobilität, das sich an Markt und Bedarf orientiert und nicht an Direktiven. Zugleich sieht er den Wasserstoff als Transportspeicher der Zukunft für erneuerbare Energien und wirft den Wirkungsgrad-Kritikern eine beschränkte Sichtweise vor.

HZwei: Dr. Thiesen, können Sie die Vorteile des Brennstoffzellenantriebs in drei, vier Punkten benennen?

Thiesen: Ein Brennstoffzellenauto ist ein Null-Emissions-Fahrzeug. Es fährt elektrisch, und aus dem Auspuff kommt nur Wasserdampf. Zweiter Punkt ist die Betankungszeit. Man kann die Autos bei 700 bar in drei Minuten betanken. Übrigens ein standardisierter Prozess, der anders als bei der Batterieelektrik, wo es ja große Unterschiede gibt, international gilt. Dann die hohe Reichweite. Und ein vierter Punkt, der speziell auf unsere Anwendung im Vivaro-e Hydrogen zutrifft: Wir erhalten den vollen Laderaum im Vergleich zu Verbrenner oder batterieelektrischem Antrieb, was bei einem Brennstoffzellenantrieb keine Trivialität ist.

Wie gelingt Ihnen das?

Durch das sogenannte Mid-Power-Konzept. Dabei ist die Brennstoffzelle nur etwa halb so groß wie die Maximalleistung des Elektromotors, mit dem Vorteil, dass das System unter die Motorhaube passt. Die Wasserstofftanks ersetzen im Unterboden die große Traktionsbatterie des batterieelektrischen Antriebs, und eine zusätzliche kleinere Batterie unter den Sitzen dient als Leistungspuffer und Energiereserve. So gibt es weder Einschränkungen beim Packaging noch in der Anwendung.

Und wo liegen die Nachteile des Brennstoffzellenantriebs?

Es gibt im Wesentlichen drei Herausforderungen, vor denen wir noch stehen: Die erste ist die Tankstelleninfrastruktur. Wir haben in Deutschland zwar ein weltweit einzigartiges System mit rund 100 Tankstellen, aber für Kunden, die komplett auf Wasserstoff setzen, sollte das Tankstellennetz weiter ausgebaut werden. Zweitens sind die Kosten für die Fahrzeugkomponenten noch relativ hoch, weil die Stückzahlen noch überschaubar sind. Der Schlüssel zum Erfolg lautet hier ‚economies of scale‘, um die Kosten weiter zu reduzieren. Und dann gibt es noch die dritte Herausforderung, dass wir mittelfristig genügend grünen, also nachhaltig und klimaneutral produzierten Wasserstoff brauchen.

Warum hat sich die Technologie nicht längst schon durchgesetzt? Sie sind immerhin seit mehr als zwanzig Jahren am Thema dran. Die Technik scheint doch ausgereift beziehungsweise kalkulierbar, oder?

Das stimmt. In der technischen Entwicklung haben wir die wesentlichen Hürden genommen. Das hat aber seine Zeit gebraucht. Beispielsweise bei der Kaltstartfähigkeit. Der Brennstoffzellenantrieb produziert ja Wasserdampf, der bei Minusgraden gefrieren kann, wenn er im System verbleibt. Hätten Sie mich 1999 gefragt, hätte ich gesagt: In zwei, drei Jahren haben wir das als Industrie im Griff. Es hat dann aber zehn Jahre gedauert. Opel hatte dann das erste Brennstoffzellenauto, das bei minus 20 °C Außentemperatur ohne Hilfsaggregate abgestellt werden konnte.

Der andere Punkt ist: Durch die E-Offensive trat die Wasserstoffentwicklung in den Hintergrund. Dazu gab es noch großen Abstimmungs- und Einigungsbedarf unter den industriellen Partnern, mit je unterschiedlichen Interessenslagen, wie etwa: Soll der Wasserstoff, mit dem die Brennstoffzelle fährt, direkt getankt oder an Bord aus Benzin oder Methanol reformiert werden? Wie soll der Wasserstoff im Auto gespeichert werden: flüssig oder unter Druck? Nach umfangreichen Tests mit beiden Technologien haben wir uns für Druckwasserstoff entschieden. Dann: welches Druckniveau ist sinnvoll, 350 oder 700 bar? Wir hatten als erster Hersteller ein Auto mit der 700-bar-Technologie auf der Straße. Über lange Sicht war das ein Multi-Stakeholder-Projekt, bei dem viele ins Boot mussten: die anderen Hersteller, die Öl- und Energiebranche, die Anlagenhersteller und die Tankstellenbetreiber. Nach diesem langen Weg freue ich mich, dass wir mit dem Opel Vivaro-e Hydrogen jetzt das erste Serienprodukt anbieten können, das auch schon bei ersten Kunden wie etwa Miele im Einsatz ist.

Sie saßen von Anfang an mit im Boot. Wie wurde das Brennstoffzellenprojekt vorangetrieben?

1999 saß ich schon mit den anderen Herstellern, der Energieindustrie und dem Verkehrsministerium zusammen, und wir haben uns auf Wasserstoff als Zukunftskraftstoff geeinigt. 2002 haben wir die Clean Energy Partnership gegründet, ein Demonstrationsprojekt, das in Berlin und anderen großen Städten lief, um der Politik, Öffentlichkeit und Kunden zu zeigen, dass Wasserstoff als Kraftstoff für Autos funktioniert. Wir haben das Ministerium von einer gesamtheitlichen Strategie überzeugen können. Daraufhin wurde 2008 die Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW) gegründet, mit dem Ziel, nicht nur F&E-Projekte, sondern den Markthochlauf mit entsprechender Infrastruktur zu fördern. Der nächste Meilenstein war 2015 die Gründung der H2 Mobility, um das Henne-Ei-Problem zu lösen, indem mal mindestens 100 Tankstellen aufgebaut werden. Und schließlich 2020 die Nationale Wasserstoffstrategie, mit dem Ziel, einen schnellen Markthochlauf für grünen Wasserstoff zu schaffen.

Wobei Kritiker hier einwenden würden, man solle den grünen Wasserstoff nicht im Individualverkehr verbrennen, sondern industriell einsetzen.

Wohl wahr. Da wird dann gesagt, wir brauchen ihn vornehmlich für bestimmte Industriezweige wie die Stahlindustrie. Das kann ich auch alles verstehen. Nur wird es dort vielleicht auf einen geforderten Kilopreis von ein, zwei Euro hinauslaufen. Im Verkehrssektor sind aber deutlich höhere Preise zu erzielen. Unsere Haltung dazu ist ganz klar: Man soll es dem Markt überlassen und nicht per Direktive anordnen, welche Branche den grünen Wasserstoff bekommt. Nur so kann es funktionieren.

Geht das ohne staatliche Förderung?

Wir sind jetzt nach 20 Jahren an dem spannendsten Punkt. Wir sind nicht mehr bei Demonstration, aber auch noch nicht bei Massenproduktion. Wir machen jetzt den Hochlauf. Hier sind die Stückzahlen noch relativ gering, und die Komponenten kosten noch viel. Deshalb braucht es hier noch staatliche Unterstützung, um den Marktzutritt zu gewährleisten. Mit der Förderung, die komplett den Endkunden zugutekommt, können wir diesen dann entsprechend interessante Leasingraten anbieten.

Sie konkurrieren mit der Brennstoffzellentechnologie ja mit der Batterie? Oder sehen Sie das nicht als Konkurrenz?

Es ist kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Für den Kunden und für uns als Unternehmen brauchen wir beides – die Technologien sind komplementär. Ein Beispiel: Wir haben viele Kunden, in deren Betriebsmodell der Mitarbeiter das Auto mit nach Hause nimmt, zum Beispiel bei Monteuren oder Servicetechnikern, wie etwa aktuell bei Miele, die den Vivaro-e Hydrogen im Einsatz haben. Die Mitarbeiter haben häufig kein Eigenheim, die können schlichtweg nicht laden. Das Auto parkt auf der Straße, und am nächsten Morgen fahren sie wieder los. Da braucht es das klassische Tankstellenmodell. Damit will ich sagen: Wenn wir in der Mobilität zukünftig hundert Prozent Null-Emissionen wollen, dann gibt es viele Kunden, die batterieelektrisch nicht bedient werden können, aber sehr wohl mit der Brennstoffzelle. Deshalb brauchen wir beide Technologien, weil es gewerbliche Bereiche gibt, die nicht auf Basis von Batterieelektrik ihrem Geschäft nachgehen können.

Also Batterie für Privatleute und Brennstoffzelle für Business?

Mit der weiteren Verbreitung der batterieelektrischen Fahrzeuge wird die Nutzung immer klarer werden – und wo ihre Begrenzung liegt. Wir wissen beispielsweise, dass 44 Prozent der Stellantis-Lieferwagen-Kunden täglich nicht weiter als 300 Kilometer fahren. Das heißt im Umkehrschluss aber, dass 56 Prozent auch weiter fahren. Und da ist es wichtig, sich nicht lange an einer Ladestation aufzuhalten. Selbst wenn in absehbarer Zeit das Laden vielleicht schneller geht, kann es dann immer noch sein, dass viele Leute an der Ladesäule vor mir sind. Und da ist das Tanken von Wasserstoff in drei Minuten klar im Vorteil – so, wie wir das von den bisherigen Kraftstoffen kennen.

Wann wird es die Brennstoffzelle für Pkw in nennenswerten Stückzahlen geben?

Wir konzentrieren uns im Moment erst mal auf das wichtige Segment der Lieferwagen. In zwei Jahren wird es auch noch ein größeres Modell geben. Dazu wollen wir die Produktionskapazität von jetzt 1.000 auf 10.000 Autos in 2024 hochfahren. Beim Pkw müssen wir sehen, wie sich der Markt und die Situation an sich entwickeln.

Der politische Mainstream favorisiert gerade die batterieelektrische Mobilität, nicht zuletzt mit dem Hinweis auf den besseren Wirkungsgrad gegenüber Wasserstoff. Was entgegnen Sie Ihren Kritikern?

Wenn ich immer die Zeit und die Möglichkeit habe und sich immer ein Windrad dreht, wenn ich laden will, dann ist es am sinnvollsten, die Energie batterieelektrisch zu nutzen. In puncto Praktikabilität aber gibt es, wie ich schon sagte, Branchen, wo das nicht geht. Viel entscheidender ist aber das größere Bild: Wir werden in Zukunft viel, viel mehr erneuerbare Energie brauchen, weil Europa und die Welt sich das Ziel gesetzt haben, CO2-neutral zu werden. Die wird aber nicht vor unserer Haustür gewonnen, sondern dort, wo es günstig ist. Beispielsweise in Australien, wo die Entstehungskosten für Windkraft ein bis zwei Cent pro Kilowattstunde betragen. Das ist weit weg vom Ort des Verbrauchs und muss irgendwie transportiert werden. Hier wird Wasserstoff als Speichermedium für erneuerbare Energien eine wichtige Rolle spielen. Und wenn ich diese Energie erst mal per Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt habe, um sie speicherbar und transportfähig zu machen, dann ist es natürlich sinnvoll, den Wasserstoff auch gleich im Brennstoffzellenfahrzeug zu nutzen und nicht wieder zu verstromen, um damit ein Batterieauto zu laden.

Von daher ist die Wirkungsgraddiskussion mit dem Tanken und Laden des einzelnen Autos viel zu eng gefasst. Das große Bild muss man sehen und nicht das kleine, wie der Wirkungsgrad hier gerade vor meiner Haustür ausfällt. In dem Zusammenhang ist es viel zu kurz gesprungen, nur auf die eine Technologie zu setzen. Wir haben den Vivaro-e Hydrogen entwickelt, weil wir sehen, dass es für bestimmte Gruppen und für die Zukunft sinnvoll ist.

Autor: Frank Wald
Bild: Dr. Lars-Peter Thiesen

DZM-Konzept wird überarbeitet

DZM-Konzept wird überarbeitet

Die Ungewissheit darüber, was aus dem geplanten Mobilitätszentrum in München wird, bleibt bestehen. Vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hieß es dazu gegenüber HZwei lediglich: „Das BMDV hat, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, das Konzept zum Deutschen Zentrum Mobilität der Zukunft (DZM) aus der vergangenen Legislaturperiode einer umfassenden Überprüfung und Neuausrichtung unterzogen. Ein Konzept zur Neuausrichtung des Zentrums befindet sich aktuell in der Abstimmung. […] Die Aktivitäten des ITZ werden unabhängig vom Deutschen Zentrum Mobilität der Zukunft (DZM) durch das BMDV vorangetrieben.“

Einzige neue Kunde war im Februar 2023, dass Gera nicht als neuer Standort infrage kommt. Die Verkehrsrundschau hatte darüber berichtet, dass die ostthüringische Stadt „nicht länger im Rennen als Außenstandort und Testraum für das in München geplante Zentrum, in dem auch digital vernetzte Logistik erforscht werden soll“, sei.

Im Vorfeld war deutlich geworden, dass München voraussichtlich zwar nicht länger als Standort in Erwägung gezogen wird, aber weiterhin an der Idee eines deutschlandweiten Mobilitätszentrums festgehalten wird. So berichtete im April 2022 die TZ: „Das Aus für das Deutsche Zentrum für Mobilität (DZM) in München scheint besiegelt. Wie unsere Zeitung vom Obmann der CDU/CSU im Haushaltsausschuss des Bundestages, Florian Oßner, erfahren hat, hat die Ampel München als Standort abgesetzt. ‚Die Kollegen haben heute nicht nur unseren Antrag auf Mittelerhöhung abgelehnt, sondern zudem beschlossen, München aus dem Gesamtkonzept zu streichen‘, sagt Oßner.“

Nachdem der damalige Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zunächst Fördermittel in Höhe von 400 Mio. Euro versprochen hatte (s. HZwei-Heft Juli 2021), strich die Ampel-Regierung erst einmal diese Gelder. Es hieß damals wie heute, das Konzept werde entsprechend der Koalitionsvereinbarung überarbeitet.

Wasserstoff als Messe-Highlight

Wasserstoff als Messe-Highlight

Vom 17. bis zum 21. April findet in diesem Jahr die weltweit größte Industrieschau in Hannover statt. 2023 dürfte die Hydrogen + Fuel Cells Europe, die einmal als kleiner Gemeinschaftsstand gestartet ist, eines der Zugpferde dieser Technologieschau werden. Die Messe auf der Messe hat sich über mittlerweile drei Jahrzehnte hinweg zu einem Branchen-Highlight des H2– und BZ-Sektors entwickelt und wird dieses Mal auf rund 10.000 m2 Bruttofläche eine umfassende Übersicht über neuste Entwicklungen und verschiedenste Technologiepfade bieten.

Das Motto der diesjährigen Hannover Messe lautet: „Industrial Transformation – Making the Difference“. Inhaltlich soll es um die industriellen Veränderungen gehen, die erforderlich sind, um den CO2-Ausstoß spürbar und im großen Maßstab zu reduzieren. Zahlreiche international führende Unternehmen aus dem Maschinenbau, der Elektro- und Digitalindustrie sowie der Energiewirtschaft (insg. über 4.000 Aussteller) wollen passend dazu ihre Lösungen für eine ressourceneffiziente, klimaneutrale und resiliente Produktion zeigen.

Dr. Jochen Köckler, Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Messe AG, erklärte: „Konzerne, Mittelstand, Start-ups sowie Wissenschaft, Politik und Gesellschaft sind gemeinsam gefordert. Nur im Zusammenschluss kann es gelingen, die industrielle Produktion und damit unseren Wohlstand und unsere Zukunft nachhaltig zu sichern und gleichzeitig den Klimaschutz voranzutreiben.“

Aufbau einer globalen H2-Wirtschaft

In Vorbereitung auf die Industrieschau veranstaltete die Deutsche Messe für die Wasserstoff-Community – wie schon 2022 – einen Networking-Event in Berlin. Am 23. Januar 2023 präsentierten zehn Vertreter unterschiedlicher Firmen ihre aktuellen Projekte und Lösungen rund um Wasserstoff und Brennstoffzellen in jeweils dreiminütigen Pitches in der Vertretung des Landes Niedersachsen beim Bund. Die sogenannten 3minutes2talk standen unter dem Motto „Aufbau einer globalen Wasserstoffwirtschaft“ und wurden vom niedersächsischen Wirtschaftsminister Olaf Lies eröffnet.

Neben Gastgeber Dr. Jochen Köckler waren unter anderem Vertreter der FEST Gruppe, von Iberdrola Energie Deutschland, von ThyssenKrupp Nucera und von Ørsted anwesend. Außerdem sprach S.E. Arif Havas Oegroseno, Botschafter der Republik Indonesien, als Vertreter des diesjährigen Partnerlandes ein Grußwort. Der indonesische Staatspräsident Joko Widodo hat seine persönliche Teilnahme an der HM23 zugesagt und wird sowohl auf der Eröffnungsfeier am 16. April sprechen als auch am Messemontag mit Bundeskanzler Olaf Scholz am Kanzlerrundgang teilnehmen.

Wasserstoff wird dann eines von fünf Trendthemen sein – neben CO2-neutraler Produktion, künstlicher Intelligenz, Energiemanagement und Industrie 4.0. Nach Auskunft der Deutschen Messe werden in diesem Jahr „mehr als 500 Unternehmen“ Wasserstoff- und Brennstofftechnologien auf dem Messegelände in Hannover präsentieren. Allein auf der Fachmesse Hydrogen + Fuel Cells, die ihre Ausstellerzahl sowie die Fläche um 25 Prozent erweitert, werden rund 270 Institutionen erwartet. Damit belegt sie die Hälfte von Halle 13.

H2Eco Award erneut ausgeschrieben

Nach der positiven Resonanz aus dem Vorjahr gibt es 2023 auch wieder einen H2Eco Award – wieder unter der Schirmherrschaft des Bundeswirtschaftsministers. Der Deutsche Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband (DWV) e.V. und die Deutsche Messe AG werden diese Auszeichnung gemeinsam an Unternehmen verleihen, die sich in herausragender Weise für eine H2-Marktwirtschaft einsetzen – insbesondere hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Klimaschutz.

Die feierliche Verleihung dieses mit 5.000 Euro dotierten Preises erfolgt am 18. April 2023 auf dem Public Forum in Halle 13 durch Wirtschaftsminister Robert Habeck.

Stark vertreten wird wieder mal die Elektrolyseurfraktion sein – voraussichtlich mit über 20 Firmen. Besondere Freude bereitet Organisator Tobias Renz, dass „die Chinesen wieder zurück sind“. Allein aus der Volksrepublik werden mit Refire und mehreren Elektrolyseurherstellern rund 20 Akteure auf dem orangefarbigen Teppich vertreten sein. Außerdem wird es einen 145 m2 großen norwegischen Pavillon mit Firmen wie Nel, Teco 2030 sowie Yara geben.

Emerson zeigt Automatisierungstechnik

Emerson Electric Co., ein US-amerikanischer Spezialist für Automatisierungstechnik, stellt – zum zweiten Mal nach 2022 – in Hannover aus und wird sein gesamtes Produktportfolio präsentieren. Dazu gehört unter anderem der Aufbau kompletter Fertigungsanlagen für Elektrolyseure und Brennstoffzellen. Ursprünglich kommt das 1890 gegründete Unternehmen aus der Öl- und Gasbranche, widmet sich mittlerweile aber stark nachhaltigeren Themenfeldern. Allein in Deutschland beschäftigt der weltweit agierende Konzern über 3.500 Mitarbeitende.

Nach Aussage von Tassilo Gast, Development Manager bei der Emerson Process Management GmbH & Co. OHG, gegenüber HZwei bietet das in Langenfeld ansässige Unternehmen ein sehr viel umfangreicheres Dienstleistungsspektrum als vergleichbare Mitbewerber (z. B. Siemens, ABB, Honeywell) an, da auch vor- und nachgelagerte Produktionsschritte inklusive der gesamten Dokumentation mit eingebunden werden.

Autor: Sven Geitmann


Bild. 1: Messe-Chef Dr. Jochen Köckler bei den 3minutes2talk in Berlin

Hyzon Motors – Unsicherheiten belasten

Hyzon Motors – Unsicherheiten belasten

Hyzon Motors hätte spätestens am 13. Februar 2023 die bereinigten Zahlen für das Geschäftsjahr 2022 abliefern müssen, um die Börsennotierung an der NASDAQ aufgrund bestehender Vorgaben und Regeln nicht zu gefährden. Nun hat das Unternehmen um eine Vorladung für ein neues Hearing gebeten, da man seitens Hyzon auch das komplette Zahlenwerk für das erste Geschäftsjahr 2021 einer umfassenden neuen Prüfung zusammen mit KPMG unterwirft. Nach unserer Kenntnis gibt es da eine weitere Duldungsfrist von 40 bis 60 Tagen. Ein Hearing-Termin wurde für den 16. März angestrebt und bestätigt.

Der aktuelle Kursrückgang ist meines Erachtens Investoren geschuldet, die Angst haben, dass die Börsennotierung eingestellt werden könnte. Hyzon war vor den Bilanzunregelmäßigkeiten finanziell gut aufgestellt. Lkw werden öffentlichkeitswirksam zur Auslieferung gebracht und man sucht Personal, während wichtige Managementpositionen neu besetzt wurden. Im Extremfall würde die Notierung an einer anderen Börse, dem Freiverkehr (OTC), weitergehen, da dort weniger Regulatorik vorhanden ist.

So wie die Pressemitteilungen klingen, gehe ich davon aus, dass Hyzon Klarheit schafft und sein Listing an der Nasdaq wird halten können. Klar ist aber auch, dass die Shortseller – circa 18,5 Mio. Aktien wurden leer verkauft und damit über 20 % des free float – die aktuelle Unsicherheit für sich nutzen werden. Aber selbst die Shortseller könnten geneigt sein, in Richtung des 16. März ans Eindecken zu denken, denn bei dem von mir (ohne Obligo) erwarteten positiven Ausgang der Prüfungen wird die Aktie viel Terrain an der Börse wieder gutmachen können, so dass das Unternehmen völlig neu bewertet werden wird.

Auch für Trader werden die kommenden drei Wochen sehr spannend, da von einer hohen Volatilität (Kursausschlägen von 5, 10 oder gar 20 % in nur einer Börsensitzung, je nach Nachrichtenlage) in der Kursentwicklung ausgegangen werden muss. Hyzon adressiert – wie Nikola Motors – genau den richtigen ersten großen Markt in Sachen Wasserstoff in der Mobilität: Nutzfahrzeuge. Wer da als Anleger Sorgen hat, sollte sich verabschieden und dann wieder neu einsteigen, wenn alle Unklarheiten beseitigt sind. Hartgesottene kaufen sogar zu.

Risikohinweis

Jeder Anleger muss sich immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bei der Anlage in Aktien bewusst sein und auch eine sinnvolle Risikostreuung bedenken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien sind aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, d. h., es handelt sich nicht um Standardwerte, und ihre Volatilität ist auch wesentlich höher. Es handelt sich bei diesem Bericht nicht um Kaufempfehlungen – ohne Obligo. Alle Angaben beruhen auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen, was die Einschätzung angeht, ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, der seinen Fokus auf eine mittel- und langfristige Bewertung und nicht auf einen kurzfristigen Gewinn legt. Der Autor kann im Besitz der hier vorgestellten Aktien sein.

Autor: verfasst von Sven Jösting am 5. März 2023


Bild: Hyzon Motors hat eine Zusammenarbeit mit Hyliion, einem führenden Anbieter elektrifizierter Antriebsstränge bekanntgegeben

Ballard Power – Ab 2024 setzt überdurchschnittliches Wachstum ein

Ballard Power – Ab 2024 setzt überdurchschnittliches Wachstum ein

Bei Ballard ist es PR-mäßig noch ruhig, auch wenn da sicherlich an vielen Projekten und Piloten gearbeitet wird. Neuigkeiten erwarte ich am 17. März 2023, wenn die Zahlen für das Geschäftsjahr 2022 veröffentlicht werden, da dann der Vorstand immer auch eine Prognose und einen Ausblick präsentiert. Der Hochlauf der Brennstoffzelle, zum Beispiel in Lkw und Bussen und auf der Schiene, steht gerade erst am Anfang, wobei es da schon Indikationen gibt. Ballard ist da ganz vorne dabei.

Zum Beispiel im europäischen Bussektor: Der Informationsdienst Sustainable Bus meldete jüngst: 2022 wurden 4.152 batterieelektrische Busse in Europa neu in Dienst gestellt sowie 370 BZ-Busse. Von diesen 370 H2-Bussen kamen wohl 292 Stück von Ballard Power, da man wichtige OEMs mit den Modulen beliefert (106 für Van Hool, 104 für Solaris und 82 für Wrightbus). Das ist ein sehr guter Indikator für die Zukunft.

Ballard-Konkurrent Toyota hat kürzlich für 60 Busse des portugiesischen Busherstellers Caetano den Zuschlag für die Zulieferung der Brennstoffzelle an den Kunden DB Regio bekommen. Das zeigt, dass nun Einzelaufträge immer größer werden, da Kunden wie Busflottenbetreiber auf Skalierungseffekte setzen und aus dem Stadium der Pilotprojekte heraus sind. Dieser Markt beginnt gerade erst, zumal die H2-Infrastruktur nun verstärkt in Europa, in den USA sowie in Asien angegangen wird. Ballard ist hier sehr gut aufgestellt und kann liefern.

CrossWind setzt auf Ballard-BZ für 1-MW-BZ-System

Dieses Projekt wird meines Erachtens die Blaupause für viele ähnliche werden: CrossWind ist eine Kooperation zwischen Shell und Eneco. Es geht hierbei um ein Windparkprojekt an der Nordsee mit der Bezeichnung The Hollands Kust Noord offshore wind project (Gesamtleistung: 759 MW, Energiemenge: 3,3 TWh pro Jahr). Damit sollen dann nach Inbetriebnahme 1 Million Haushalte mit grüner Energie versorgt werden.

CrossWind setzt auf viele sich ergänzende Technologien, die grüne Energie so effizient wie möglich zum Einsatz bringen. Überschussstrom wird in Batterien und Wasserstoff gespeichert – je nach Verfügbarkeit und Kapazität. Mittels der Brennstoffzellen von Ballard wird dieser Wasserstoff dann effizient in Strom für eine sichere Versorgung gewandelt. Dieses Projekt hat Vorzeigecharakter und dürfte in den kommenden Jahren sicherlich weitere Aufträge zur Folge haben. Leider wurde kein Auftragswert in Euro genannt.

Short-Seller-Attacke hat keinen Einfluss auf Ballard

Noch vor ein paar Wochen klang es so, als wenn der indische Milliardär Gautam Adani Interesse daran haben könnte, sich an Ballard zu beteiligen und dessen BZ-Stacks in unterschiedlicher Weise in Indien in den Einsatz zu bringen (da gibt es ein MoU als Basis). Er plant(e), wie auch sein Milliardärskollege Ambani (Reliance Group), mehr als 50 Mrd. US-$ über einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren in den Themenkomplex Wasserstoff zu investieren. Dies ist nun nicht mehr wahrscheinlich, da Adani und sein Firmenkonglomerat von dem Shortseller-Newsletter Hindenburg Research (s. u.) mit einem für Adani desaströsen Bericht ins Visier genommen worden sind. Über 100 Mrd. US-$ Wertverlust sind die Folge. Für Ballard ist dies indes von nebensächlicher Bedeutung, da Adani weiterhin Interesse haben wird, die verschiedenen BZ-Anwendungen (Nfz, Lokomotiven, Schiffe u. a.) zum Einsatz zu bringen.

Konkret hat Adani als erstes Projekt ausgewählt, einen Minentruck H2-ready zu machen, wobei der Konzern zwar selbst der Auftraggeber für diese Umrüstung ist, aber Ashok Leyland als Tochter der Hinduja-Group das Fahrzeug stellt. Das ist eigentlich die viel bessere Nachricht, könnte Asok Leyland doch geradezu ein idealer Partner für Ballard in Indien sein. Eine gemeinsame Stack-Produktion, vergleichbar mit dem Joint Venture von Ballard und Weichai Power in China, würde sich auch idealerweise für Indien anbieten. Denn Ashok Leyland ist die Nr. 4 in der Welt für Busse, Nr. 19 bei Lkw und Nr. 2 bei kommerziell genutzten Kfz in Indien. So gesehen sind die Negativ-News zu Adani für Ballard überhaupt kein Thema. Adani ist aber natürlich weiterhin als Großkunde für Ballard interessant. Somit zeigt sich auch hier mal wieder: Alles hat zwei Seiten.

Der Fall Adani – die Macht der Shortseller

Hindenburg Research ist Ihnen schon bekannt: Das US-amerikanische Investment-Research-Unternehmen mit Sitz in New York City hat es vor allem auf börsennotierte Firmen aus dem Bereich Wasserstoff abgesehen. Hindenburg setzt via Leerverkauf auf fallende Aktienkurse der betroffenen Unternehmen und befeuert den Abwärtstrend durch eigene negative Wertpapieranalysen. Gewünschte Kurseinbrüche sind absehbar die Folge. Das ist eine Form der Kursmanipulation, da Hindenburg selbst durch eigene im Vorwege der Veröffentlichung durchgeführte Leerverkäufe partizipiert und Leerverkaufspositionen in Aktien wie auch Anleihen des Zielunternehmens, kombiniert mit Verkaufsoptionen, aufbaut – und eben dies vor Veröffentlichung des eigenen Newsletters.

Ich würde dies mit dem Begriff Frontrunning versehen, da es fast wie ein Insidergeschäft erscheint. Insider haben besonderes Wissen, dürfen dies aber nicht zum Einsatz bringen. Für mich ein klarer Interessenkonflikt. Nichtsdestotrotz hat Hindenburg (der Name soll an das gleichnamige Luftschiff erinnern) mit mancher Recherche durchaus recht, wenn dies auch im eigenen Interesse ausgeschlachtet wird und manche Interpretation fraglich ist. So wurden ja Unternehmen wie Nikola Motors (deren Lkw, der ohne Motor einen Berg herunterfuhr) bereits ins Visier genommen, woraufhin dessen Gründer das Unternehmen verlassen musste.

Im Fall Adani geht es Hindenburg um das „undurchsichtige“ Firmengeflecht, um Beteiligungen und die Finanzierung (die Höhe der Schulden) wie auch denkbare Vorteilsnahme durch die Nähe zum indischen Ministerpräsidenten Modi. Beide stammen aus derselben Provinz und gehören derselben Kaste an. Zudem könnten Zuschläge für den Bau von Flugplätzen oder Häfen ohne öffentliche Ausschreibungen erfolgt sein, so eine Annahme von Hindenburg.

In welcher Weise Hindenburg da selbst durch Leerverkäufe von Aktien der diversen börsennotierten Adani-Firmen oder Anleihen profitiert hat, wird leider verschwiegen. Klar ist, dass der Schaden für Adani nicht nur materiell gewaltig ist, sondern auch psychologisch auf ganz Indien und sein politisches System ausstrahlt. Am Ende des Tages hinterlässt all dies natürlich Spuren, wenn auch davon ausgegangen werden kann, dass Adani mit der richtigen Kommunikationsstrategie hier Informationen präsentieren wird, da das Unternehmenskonglomerat als Ganzes systemrelevant für Indien ist.

Gerade Unternehmer wie Adani können und werden Indien in Sachen regenerativer Energien und Wasserstoff nach vorne bringen. Da mag zwar ein Widerspruch darin bestehen, einerseits Kohle zu fördern und andererseits auf grüne Energien zu setzen, allerdings erfolgt hierdurch auch eine Transformation: Die Gewinne aus dem einen Bereich werden als Re-Invest für den anderen genutzt. Fortescue Future Industries des australischen Milliardärs Forrest verdient sein Geld auch mit Erzen und Rohstoffen, reinvestiert die Gewinne aber in erneuerbaren Energien. Die meisten Ölunternehmen verhalten sich ähnlich oder planen, dies zu tun, und wollen hohe Gewinne aus der Ölproduktion verstärkt in den Themenkomplex regenerativer Energien und Wasserstoff umlenken.

Glückliches Händchen bei der Beteiligung an Forsee Power

Die von Ballard 2021 eingegangene Beteiligung an dem französischen Spezialbatteriehersteller Forsee Power zahlt sich schon aus. Beachtliche 58 Prozent Umsatzzuwachs meldet Forsee für das Geschäftsjahr 2022 (111 Mio. Euro). In wenigen Jahren will man mehr als 500 Mio. Euro Umsatz machen. Ballard hatte hier bis zu 40 Mio. US-$ via Aktienkauf beim IPO investiert und hält 10 bis 20 Prozent – ohne Obligo.

Ballard und Forsee arbeiten sehr eng zusammen. Forsee ist bei allen Ballard-Busmodullieferungen der Lieferant der ergänzenden Batterien und bedient den gleichen Kundenstamm wie Ballard. Das sind echte Synergien. Beide investieren in neue Produktionsstätten in den USA, um vom IRA zu profitieren. Forsee meldet einen Auftragsbestand, der dem entspricht, was man 2022 umgesetzt hat. 2023 sollen die Batterien für 1.000 Busse (wasserstoff- und batterieelektrische) geliefert werden. Forsee beginnt zudem, die Batterien auch für Züge (steht hier Ballard über Siemens Mobility Pate?) und demnächst auch für Lkw zu liefern.

Am Rande noch dieser Hinweis: Es ist immer wieder zu hören, dass es bei Ballard so lange dauere, bis nennenswerte Umsätze oder gar ein Gewinn auszumachen seien. Das wird alles kommen. Ballard baut zielgerichtet Produktionsstätten auf (in den USA, Kanada, Europa, China). Die Auslastung der Anlagen ist nur eine Frage der Zeit. Ich erwarte diese ab 2024. In China stehen wichtige Förderprogramme für die Wasserstoffwirtschaft in den Startlöchern. Werden diese kleiner ausfalle,n als es die USA und Europa planen? Mitnichten. Ballard baut die Basis für hohes Wachstum auf.

Das ist vergleichbar mit der Entwicklung einer Mine: Erst geht es um den Standort (geologische Gutachten, Probebohrungen), dann wird in die Infrastruktur investiert und erst nach Abschluss dessen an den Rohstoffabbau herangegangen. Das dauert oft ein, zwei oder drei Jahre, bis es richtig losgeht. Bei Ballard ist die Entwicklung der Stacks bzw. der MEA die Basis. Der Bau von Produktionsstätten folgt und dementsprechend die Skalierung der Produktion. Parallel laufen Pilotprojekte. Am Ende des Tages wird die Produktion hochgefahren, das Unternehmen bedient die neu entstehenden Märkte und verdient Geld damit.

Bei Bussen und Lkw fängt es weltweit gerade erst an, dass CO2-freie (batterie- und/oder wasserstoffbetriebene) Fahrzeuge produziert werden. Ballard verfügt über die umfassendste Erfahrung in diesem Bereich, nämlich durch BZ-Busse, die weltweit schon erfolgreich im Einsatz sind (Ballard inside). Behalten Sie diese Sicht bitte im Auge, denn Börse antizipiert die Zukunft, auch wenn es mal länger dauert, bis es zum Durchbruch kommt. Schwächephasen im positiven Sinne im Kurs nutzen und step by step zukaufen, um damit einen guten Durchschnittskurs zu erzielen, bietet sich als die richtige Strategie an.

Risikohinweis

Jeder Anleger muss sich immer seiner eigenen Risikoeinschätzung bei der Anlage in Aktien bewusst sein und auch eine sinnvolle Risikostreuung bedenken. Die hier genannten BZ-Unternehmen bzw. Aktien sind aus dem Bereich der Small- und Mid-Caps, d. h., es handelt sich nicht um Standardwerte, und ihre Volatilität ist auch wesentlich höher. Es handelt sich bei diesem Bericht nicht um Kaufempfehlungen – ohne Obligo. Alle Angaben beruhen auf öffentlich zugänglichen Quellen und stellen, was die Einschätzung angeht, ausschließlich die persönliche Meinung des Autors dar, der seinen Fokus auf eine mittel- und langfristige Bewertung und nicht auf einen kurzfristigen Gewinn legt. Der Autor kann im Besitz der hier vorgestellten Aktien sein.

Autor: verfasst von Sven Jösting am 5. März 2023

Bild: Forsee Power Standort in Poitiers, Frankreich

Quelle: Forsee Power

preloader