Hzwei Blogbeitrag

Beitrag von Sven Geitmann

26. August 2021

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Greenwashing in der Gasbranche?

Kommentar zum Einfluss von Lobbyverbänden

Zukunft Gas
Verflechtungen und Einflüsse bei Zukunft Gas

Interessenverbände übernehmen eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Nicht ohne Grund werden Lobbyisten als die fünfte Macht im Staat bezeichnet – neben der Legislative, Exekutive, Judikative und der Presse. Mit ihrer Expertise aus den Mitgliedsunternehmen verfügen Verbände über wertvolles Know-how, das im Regierungsapparat nicht immer vorhanden ist. Dieses Expertenwissen kann dazu beitragen, Gesetzesvorschläge so zu optimieren, dass gute Regelungen geschaffen werden. Wie bei fast allem kommt es jedoch auch hier auf die Dosierung an: Maßvolle, konstruktive Verbesserungsvorschläge können hilfreich, zu viel Einfluss kann hingegen giftig sein. Hinzu kommt, dass Verbände in der Regel nur Vorschläge anbieten. Ob diese dann vom Gesetzgeber angenommen werden, steht auf einem anderen Blatt.

In der HZwei finden sich – neben Berichten, Meldungen und Fachbeiträgen – immer wieder auch Kommentare zur jeweiligen politischen Lage oder zu den Aktivitäten von Verbänden. Derartige Stellungnahmen mögen der einen oder anderen Leserin oder dem Leser sauer aufstoßen, sollte deren bzw. dessen Sichtweise eine andere sein, aber sie erleichtern mitunter die Einordnung der aktuellen Entwicklungen, die für Außenstehende manchmal schwierig zu bewerten sind. Auch für Personen mit abweichenden Ansichten gilt, dass solche Kommentare zur Meinungsbildung beitragen – in welche Richtung auch immer. Aus gegebenem Anlass soll hier jetzt geschildert werden, was anderswo kommentiert wurde, um auf diesem Wege den HZwei-Leserinnen und -Lesern eine einfachere Einordnung zu ermöglichen. Ich erwähne dies vorab, weil gerade jüngst die Gasbranche von LobbyControl aufs Korn genommen wurde. Dazu sei gesagt, dass es in diesem Kommentar nicht um Lobbyisten-Bashing geht, sondern um Transparenz.

Kritik von LobbyControl an Zukunft Gas

Die LobbyControl-Initiative für Transparenz und Demokratie e.V. widmet sich nach eigener Aussage der Aufgabe, Missstände aufzudecken und Transparenz herzustellen, um eine demokratische Kontrolle zu ermöglichen. In einem ausführlichen Bericht hat dieser Verein den Lobbyverband Zukunft Gas e.V. unter die Lupe genommen. Der Vorwurf lautet, dieser 2013 gegründete Verband der deutschen Gaswirtschaft verwässere die deutsche Klimapolitik. Konkret heißt es: „Die Bundesregierung lässt sich eng von einem PR-Lobbyverband der Gasindustrie beraten – zulasten des Klimaschutzes.“

Detailliert listet Nina Katzemich auf, auf welchem Wege dieser zuvor unter dem Namen „Zukunft Erdgas“ agierende Verein mit seinen mittlerweile über 140 Mitgliedsunternehmen Einfluss auf das politische Geschäft nimmt. Die in Köln ansässige LobbyControl-Mitstreiterin widmet sich unter anderem den Plattformen, die Zukunft Gas ins Leben gerufen hat. Dies ist neben der Initiative Brennstoffzelle auch die LNG-Taskforce (Liquid Natural Gas, dt. Flüssigerdgas).

Katzemich legt dar, dass im Jahr 2015 die LNG-Taskforce von der dena, dem Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) und Zukunft Gas ins Leben gerufen wurde – anscheinend „im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums“. Resultate waren 2020 diverse Vergünstigungen (Kaufprämien, Steuervergünstigungen, Mautbefreiung) für LNG-Lastwagen, obwohl das Umweltbundesamt (UBA) kurz zuvor empfohlen hatte, die Mautbefreiung für LNG-Lkw nicht zu verlängern, da diese Maßnahme aus Klimaschutzgründen „kaum zu rechtfertigen“ sei. Wegen des entweichenden Methans seien die Emissionen bei LNG nur geringfügig niedriger als bei einem Diesel-Lkw, hieß es.

Seit 2016 vermitteln die Lobbyisten die Botschaft, ohne Gas könnten die Klimaziele nicht erreicht werden. Manifestiert wurde dieses Ansinnen in der Gasstrategie 2030, in der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier Deutschland einen steigenden Gasbedarf bescheinigte und den Ausbau der Gasinfrastruktur forderte. Katzemich geht davon aus, dass sich Altmaier dabei auf eine Studie der Nord Stream 2 AG berufen habe, wie Recherchen der Deutschen Umwelthilfe hervorgebracht hätten.

Neben zahlreichen Stadtwerken und Versorgungsunternehmen sind auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sowie Firmen wie Gazprom, Shell, Uniper und Wintershall Dea bei Zukunft Gas aktiv.

Timm Kehler

Geschäftsführer der in Berlin ansässigen Zukunft Gas GmbH ist Timm Kehler. Kehler ist zudem gemeinsam mit Andreas Lücke, der bis September 2021 Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) war, Sprecher der Zukunft-Gas-Plattform „Initiative Brennstoffzelle“. Ende 2020 wurde Kehler zudem zum Präsidenten der Natural Gas & Bio Vehicle Association Europe (NGVA) gewählt.

In Bezug auf Wasserstoff kritisiert LobbyControl, dass sich die Gasindustrie dafür ausspreche, auch blauen Wasserstoff als klimaneutral anzuerkennen, was bislang in Deutschland nicht geglückt ist, aber in Brüssel. Zukunft Gas mache deshalb weiter Druck für die Förderung des aus Erdgas hergestellten Wasserstoffs, bei dem das CO2 abgetrennt wird und auf Dauer im Untergrund gelagert werden soll (CCS-Verfahren). Das Zauberwort ist hierbei „Brückentechnologie“ und passt sowohl für den Übergang von Kernenergie und Kohle zu Gas als auch für den Übergang von Erdgas zu grünem Gas, also zu einer komplett CO2-freien Energiewelt.

Der Industrieverband setzt sich in diesem Zusammenhang für einen möglichst umfassenden Einsatz von Wasserstoff ein – sowohl im Verkehr als auch in der Hausenergieversorgung, während der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU – s. HZwei-Heft Juli 2021) anmahnte, dass Wasserstoff auf Branchen beschränkt werden solle, in denen keine Alternativen bereitstünden (z. B. Chemie-, Zement-, Glas-, Stahlindustrie). Nina Katzemich weist darauf hin, dass die Bundesregierung das eigentlich in ihrer Wasserstoffstrategie anerkannt habe, aber die Gasindustrie nicht lockerlasse. So läuft derzeit eine neue PR-Veranstaltungsreihe von Zukunft Gas unter dem Titel: „Bei Wasserstoff voll aufdrehen“. Erst kurz zuvor hatte der DVGW in ähnlicher Weise „Wasserstoff-Wochen“ ausgerufen, während derer täglich die Vorzüge von grünem Gas thematisiert wurden.

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