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Beitrag von Sven Geitmann

3. November 2020

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Revolutionierung der Land- und Energiewirtschaft mit Regionalwert-Methode

Christian Hiß
Christian Hiß: „Bodenfruchtbarkeit ist Betriebsvermögen – und muss in die Bilanz.“

Wie bemisst man den Wert nachhaltiger Bewirtschaftungsverfahren? Wie wertvoll ist das Fachwissen von Land- und Energiewirten? Bislang finden nur finanziell quantifizierbare Werte den Weg in die Unternehmensbilanzen. Soziale oder ökologische Aspekte bleiben unberücksichtigt – sehr zum Nachteil von nachhaltig wirtschaftenden Firmen. Die Regionalwert AG hat eine Methode entwickelt, die die Buchhaltung im Agrar- und auch im Energiesektor revolutionieren könnte. Jetzt steht ihr Gründer Christian Hiß mit seinem Konzept kurz vor dem Durchbruch und will aus dem bisherigen Nischendasein heraustreten. Gemeinsam mit dem Software-Giganten SAP möchte er auf die große Bühne. Dies könnte speziell für die Energiewirtschaft weitreichende Folgen haben, denn die Regionalwert-Nachhaltigkeitsanalyse könnte dabei helfen, den „wahren“ Wert von grünem Wasserstoff zu ermitteln.

Christian Hiß ging schon vor Jahren der Frage nach, wie sich der tatsächliche Wert landwirtschaftlicher Arbeit ermitteln lässt. Der Grundgedanke dahinter war damals wie heute, dass es insbesondere im Agrarsektor viele Leistungen und viel Wissen gibt, die sich nicht in der Bilanz abbilden lassen, obwohl für ihre Erbringung beziehungsweise ihr Erlangen ein teils erheblicher Aufwand betrieben wird, ohne dass dieser zu beziffern wäre.

Sozio-ökologische Bewertung

Dem gelernten Gärtner war vor mehr als fünfzehn Jahren bei der Erstellung seiner jährlichen Bilanz klargeworden, dass eine allein auf Euro-Beträge ausgerichtete Buchhaltung nicht alle Werte korrekt wiedergibt. Er machte sich daher daran, eine mehrstufige Methodik zu entwickeln, die auch andere Leistungsfaktoren, die für eine nachhaltige Bewirtschaftung von Bedeutung sind (Bodenfruchtbarkeit, Fachwissen, Mitarbeiterzufriedenheit usw.), berücksichtigt.

Gemäß dieser Methodik werden soziale, ökologische und personalwirtschaftliche Leistungen zunächst erfasst und dann angemessen bewertet. In der dritten Stufe werden die so gewonnenen Daten interpretiert und anschließend monetarisiert. Im fünften Schritt ergibt sich daraus ein Nachhaltigkeits-Index beziehungsweise eine auf nachhaltige Werte ausgerichtete Bilanz. Hiß selbst bezeichnete diesen Ansatz als „spektakulär“.

„Die gewöhnliche Buchhaltung und Bilanzierung setzt viele Vermögensarten wie Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität und Wissen einfach als gegeben voraus und bewertet sie in der Bilanz der Betriebe mit null. Die Verantwortlichen der Regionalwert AG halten dies für fatal und für eine Ursache für die vielfältigen ökologischen Schäden und Risiken sowie soziale Ungerechtigkeiten.“

Regionalwert Unternehmensprofil

Das Ziel des Vordenkers ist, dass in die Bilanz der Zukunft aufseiten der Aktiva im Anlagevermögen fortan auch die sozial-ökologischen Vermögen aufgenommen werden. Bei den Passiva müssten demnach dann auch beispielsweise die Rückstellungen für Nachhaltigkeit integriert werden. „Wenn man Hybridsorten verwendet, ist das ein betriebswirtschaftliches Risiko“, nennt Hiß als Beispiel.

Ihm geht es darum zu zeigen, dass Nachhaltigkeitsleistungen einen betrieblichen Mehraufwand erfordern, der bisher in der Buchhaltung nicht differenziert ablesbar ist und in der finanziellen Erfolgsrechnung nur kostenseitig erscheint, obwohl ein Mehrwert erbracht wird, der Umwelt und Gesellschaft sowie dem Aufbau eines resilienten regionalen Wertschöpfungsraums zugutekommt.

Neue Blickwinkel

Von Juni 2018 bis November 2019 erarbeiteten die Mitarbeiter und Forscher der Regionalwert AG Freiburg in Kooperation mit den Agronauten e. V. das Grundgerüst ihres Konzepts im Rahmen des Projekts „Richtig Rechnen in der Landwirtschaft“. Auf den daraus hervorgegangenen Ergebnissen basiert die Regionalwert-Nachhaltigkeitsanalyse. Hierbei handelt es sich nach Angaben der Entwickler um das „erste marktfähige Instrument zur Sichtbarmachung und Bewertung sozialer, ökologischer und regionalwirtschaftlicher Leistungen in landwirtschaftlichen Betrieben auf Grundlage von Buchhaltungsdaten“.

Die im Freiburger Raum aktive Regionalwert AG hat dafür ein zunächst kompliziert anmutendes Verfahren zur Bewertung bislang nicht quantifizierter Faktoren ausgearbeitet. Dabei werden über 170 sozio-ökologische und regionalwirtschaftliche Leistungskennzahlen analysiert (z. B. samenfestes Saatgut, Stickstoffsaldo, Blühflächen, CO2-Rückbindung, Azubiquote, Mitarbeiterfluktuation, faire Löhne, gesellschaftliches Engagement, regionale Wertschöpfung). Diese können dann anhand eines ausgefeilten Systems auf einer Internetplattform vergleichsweise übersichtlich dargestellt werden. Das Nachhaltigkeits-Level weist dann aus, auf welchem Niveau sich der entsprechende Betrieb gerade befindet.

4 Kommentare

  1. Franz Zehendmaier

    Ist das Politischer Unwille oder der Einfluß von Lobbiisten?
    Man schaltet die Windräder wegen Überstrom einfach ab!!!!
    Mit dem Strom der durch Windkraft erzeugt wird kann man kostenlos sauberen Wasserstoff herstellen. Wo bleibt hier die vernunft
    Franz Zehendmaier der innivative Elektro Fahrzeug Bauer

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  2. Anonymous

    Ich bedanke mich für diese Wichtigen Informationen.
    Seit Jahren arbeite ich an selbst entwickelten Kleinfahrzeugen, wobei mir Nachhaltigkeit am wichtigsten ist.
    siehe auch auf Youtube “Roller Zehendmaier”.
    inzwischen habe ich ein Elektro Dreirad entwickelt für 2 Personen. Sämtliche Anfragen zur Unterstützung für eine Weiterentwicklung wurden von Regierungsseite abgeschmettert oder überhaupt nicht beantwortet.
    Ich freue mich auf eine konstruktive Zusammenarbeit für eine saubere Zukunft.

    Antworten
  3. Joe Schmidt

    “Dies könnte speziell für die Energiewirtschaft weitreichende Folgen haben, denn die Regionalwert-Nachhaltigkeitsanalyse könnte dabei helfen, den „wahren“ Wert von grünem Wasserstoff zu ermitteln.”
    Ja, der Ansatz ist wirklich revolutionär und sinnvoll. In Bezug auf Wasserstoff frage ich mich allerdings wie das heute (>95% grauer Wasserstoff, vorwiegend aus importiertem Erdöl /Erdgas) bzw. morgen aussieht, wenn wir lt. vorherrschender Meinung die EE-Energie für grünen Wasserstoff oder gleich den kompletten Wasserstoff importieren wollen /sollen.
    Der Ausbau der EE-Nutzung und vor allem die Stärkung der dezentralen, kleinen Energieerzeuger in Deutschland ist der Schlüssel zu grünem Wasserstoff für Deutschland!
    Denn nur wenn durch die dezentrale Eigenversorgung mit el. Energie (Übertragungs-)Netzkapazitäten und EE-Erzeugerkapazitäten frei werden, kann sinnvoll (zentral) grüner Wasserstoff produziert werden.
    Dass kleine dezentrale Elektrolyseure für Überschussstrom an jedem Windpark nicht realistisch sind (viel zu geringe Jahresauslastung) sollte jedem einleuchten. Es braucht große. effiziente Elektrolyseure – und Übertragungsnetzkapazitäten für den Strom …
    Leider sehe ich diesen Trend nicht und daher auch keine positive Bewertung von Wassestoff nach dem neuen Ansatz.

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