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Beitrag von Sven Geitmann

15. September 2020

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Grüner Wasserstoff aus Biogas

Kosten
Stromgestehungskosten von Neuanlagen 2018

Wasserstoff gilt als der Zukunftsrohstoff, der eine nachhaltige und sektorübergreifende Energiewende ermöglicht. Offen ist indessen die Frage: Woher kommt der Wasserstoff? Wird mittel- und langfristig grauer, blauer, türkiser oder grüner Wasserstoff verwendet? Als grüner Wasserstoff gilt jener, welcher auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt wird. Im Fokus bei seiner Herstellung liegt derzeit die Wasserelektrolyse.

Insbesondere was den Einsatz dieses Wasserstoffs im Verkehrssektor betrifft, ist einer der größten Kritikpunkte die mangelnde Energieeffizienz: Von 100 Kilowattstunden erneuerbaren Stroms kommen nur circa 32 kWh im Auto an. Der Rest geht während der Wasserelektrolyse, der Komprimierung, des Transports und schließlich der Umwandlung in der Brennstoffzelle verloren. Im Vergleich dazu können in einem batterieelektrischen Auto circa 73 kWh verwendet werden. [4] In diesem Beitrag wird die Herstellung grünen Wasserstoffs auf der Basis von Biogas über die Dampfreformierung als eine weitere Herstellungsroute diskutiert. Das Argument der mangelnden Energieeffizienz ist für diese Route nicht mehr gültig – und darüber hinaus hat diese Route noch weitere Vorteile gegenüber der Wasserelektrolyse.

In Biogasanlagen werden biogene Reststoffe und nachwachsende Rohstoffe für die Produktion von Biogas herangezogen. Das Biogas wird aktuell zu circa 90 Prozent in Blockheizkraftwerken dezentral zu Strom und Wärme umgewandelt und zu circa 10 Prozent zu Biomethan aufbereitet. Auf diese Weise wurden 2019 etwa 31,9 Terawattstunden Strom in rund 9.500 Biogasanlagen in Deutschland dezentral produziert und ins Stromnetz eingespeist. [1, 3]

Anstatt das Biogas zu verstromen oder zu Biomethan aufzureinigen, kann es auch direkt zur Herstellung von grünem Wasserstoff verwendet werden. In dieser Umwandlungsroute wird das Biogas, welches zu einem hohen Anteil Methan enthält, über Dampfreformierung mit anschließender Wasserstoffabtrennung katalytisch veredelt. Die Dampfreformierung von Erdgas mit Druckwechseladsorption zur Abtrennung des Wasserstoffs ist das weltweit häufigste Verfahren zur Wasserstofferzeugung. [8] Kleine Dampfreformer, wie sie dezentral an Biogasanlagen benötigt werden, sind heute bereits kommerziell erhältlich. Damit steht ein ausgereifter Prozess zur Produktion von grünem Wasserstoff aus Biogas bereit.

Biogas birgt hohes H2-Produktionspotenzial

Durch die stoffliche Nutzung des Biogases können hohe Wirkungsgrade erzielt werden. Anstatt der 31,9 Terawattstunden Strom können jährlich etwa 58 TWh oder 1,7 Mrd. Kilogramm Wasserstoff über die Dampfreformierung von Biogas in Deutschland erzeugt werden (s. Abb. 1). Im Vergleich dazu beträgt das Potenzial der gesamten Photovoltaikproduktion (PV), die in Deutschland im Jahr 2019 circa 47,5 TWh Strom betragen hat, etwa 33 Terawattstunden Wasserstoff. [2, 3]

Das Potenzial der Produktion von grünem Wasserstoff aus Biogas ist in Deutschland sehr groß. Aus den heute vorhandenen Biogasanlagen könnte bereits mehr Wasserstoff über Dampfreformierung hergestellt werden als mit sämtlichen Photovoltaikanlagen über die Wasserelektrolyse. Insgesamt beträgt das Wasserstoffproduktionspotenzial aus Biogas etwa 40 Prozent des Produktionspotenzials aller anderen erneuerbaren Stromquellen (Windkraft, Wasserkraft, Photovoltaik, Geothermie, biogener Abfall). [2, 3] Dabei wird durch die Produktion von grünem Wasserstoff aus Biogas das vorhandene Primärenergiepotenzial nicht verringert, wie es bei der Produktion mittels Wasserelektrolyse der Fall wäre.

weiterlesen im HZwei Juli-Heft

Kategorien: Allgemein

9 Kommentare

  1. Ignaz Mellmer

    Hallo, Hr. Baldo!
    Vorweg, bitte diesen Kommentar nicht als persönliche Rüge verstehen, er gilt eher Ihren politischen Branchenverband “einfach zum Nachdenken”.
    Für mich ist nicht nachvollziehbar, wie eine ökologisch bedenkliche, mit großem Aufwand, ineffizient gewonnene erneuerbare, im besonderen saisonal verlustfrei speicherbare Energieform, das Biogas, achtlos NUR Verstromt vermarktet wird.
    Das A u. O der Energiewende ist die effiziente Nutzung jeglicher Energie in allen Sektoren bez. Wirtschaftsbereichen!
    Mich beschäftigt das ineffiziente Verstromen von Agrargas als Grundlaststrom, aber auch das nur verbrennen beim Endkunden für Raum- und oder Prozesswärme.
    Meine Daumen*pi Betrachtung von Biogas:
    Ich benenne es Agrargas, weil die derzeitige Produktion NICHTS mit BIO u. ÖKO zu tun hat; dazu ineffizient, da der jährliche Ertrag nur ca. 2,4Kwh Gas bez. 1,4Kwhel je m2 Acker beträgt.
    (Jahreserträge von 1m² PV je nach Standort 160-200Kwhel, 1m² Solarthermie bis zu 400-600 Kwh therm., PV-Thermie 150Kwhel und 450-550Kwh thermisch)

    Im J. 2019 wurden 45Twhel, vorwiegend als Grundlast, ineffizient, da ohne KWK, ausgen. die zum Gärungsprozess benötigte Wärme, aus Biogas bereitgestellt.
    Da Gas, im besonderen Agrargas, von der Co2-Problematik gesehenen Wertigkeit, nach Strom die 2.höchste Energieform ist, ist deren Einsatz NUR zur thermischen oder NUR zur Stromwandlung Ressourcenverschwendung.
    Es ist ohne Wandlungsverluste saisonal speicherbar und daher für BHKW dezentral in der Heizsaison als Erdgasersatz einzusetzen.

    Im Jahr 2018 wurden Primär 853Twh Erdgas in D verbraucht, das Agrargas könnte bei Speicherung und intelligenter Verstromung, schon heute 30Twh Erdgas im Wärmesektor, bei gleichem Strombeitrag wie bisher, jedoch in der Heizsaison u. dezentral, ersetzen.
    Bei dieser Betrachtung könnten zusätzlich 6,9Mil.t Co2 (Steuerlicher Co2 Verkehrswert 2021 €172,5Mil.) alleine durch den “Bio”gassektor bezogen auf Erdgas im Wärmesektor eingespart werden.

    Wo sind die politischen und wirtschaftlichen verantwortlichen die eine Realisierung dieser Effizienzmaßnahme vorantreiben und den entbehrlichen H2-Ambitionen der Biogaslobby Einhalt gebieten?

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  2. Jonas Sturmowski

    Ein elementares Problem stellt in diesem Erzeugungspfad in meiner Hinsicht der Energieeinsatz zur Durchführung der Dampfreformation dar. Da es sich dabei um einen allothermen Prozess handelt.
    Natürlich kann man teile des Biomethans dazu nutzen die nötige Wärmeenergie bereitzustellen. Jedoch würde das den Umsetzungsgrad CH4 zu H2 beeinträchtigen. Das Zurückgreifen auf fossile Energieträger wäre für mich ein Zeichen, dass die ganze Idee leider doch einen Haken hat.
    Diesem Aspekt scheint mir in dem Artikel wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden zu sein.

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  3. Karl

    Zitat Ewald: “nicht die Herstellung von H2 mittels Biomasse und der damit einhergehende Wiederfreisetzung von CO2, das bereits gebunden war”
    Diese Herangehensweise ist leider nicht sinnvoll, denn mit oder ohne Biogasanlage, gebundenes C wird in jedem Fall wieder frei gesetzt. Ist ja nicht so, dass die Pflanzen für immer leben und niemals allein vergären. Langfristige Bindung funktioniert auf diesem Wege nicht.
    Das spannende an dem Biogas Weg ist doch gerade, dass das Potential der vorhandenen Biogasanlagen nicht verloren geht sondern mit maximalem Hebel in die Mobilität geht. Auf absehbare Zeit ist es illusorisch zu glauben, dass grüner Strom für die Elektrolyse verwendet wird. In 10 bis 20 Jahre sieht das möglicherweise anders aus. Ein weiterer Pluspunkt des Biogas-H2 Weges ist, dass der H2 anfällt wo er gebraucht wird, ohne aufwändigen, teuren, und ökologisch zweifelhaften Straßentransport.

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  4. Maximilian S.

    Wieso den Umweg über Wasserstoff nehmen? Wenn schon Biogas vorhanden ist, kann auch gleich der Schritt zur Veredelung zu Biomethan eingeschlagen werden. Der CO2-Ausstoß ist am Ende der Gleiche. Wasserstoff ist zwar der effizientere Brennstoff für die Mobilität, Gaskraftwerke etc. sind aber immer noch besser mit Methan bedient und müssen ihren Rohstoff zukünftig auch “grün” beziehen. Dafür ist der Weg über Biogasanlagen deutlich effizienter als über PtG. Für die Gewinnung aus Strom ist wiederum Wasserstoff die bessere Wahl, da der Schritt der Methanisierung entfällt. Diesen kann man dann für die Mobilität nutzen.

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    • Matthias Baldo

      Warum ist Wasserstoff der effizientere Brennstoff? Wir produzieren in unserer Biogasanlage Bio LNG. Damit wir den ökologischeb Kreislauf schliessen, haben wir auch in die Veredelung des abgetrennten CO2 investiert und beliefern nun damit die Getränkeindustrie. Weltweit sind es nur eine Handvoll Anlagen die sich diese Mühe machen, doch es wird sich lohnen.

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      • Maximilian S.

        Zu der Frage, warum Wasserstoff der effizientere Brennstoff für die Mobilität ist, ganz einfach, weil H2 den Weg durch die Brennstoffzelle geht und damit einen Wirkungsgrad von über 50% hat (Tendenz zukünftig steigend). Erdgas wird jedoch verbrannt und bleibt damit irgendwo bei 30% Wirkungsgrad hängen.
        Dabei ist der Weg zum Erhalt der verschiedenen Gase natürlich nicht berücksichtigt.
        Die Veredelung von CO2 finde ich eine gute Sache und wird meiner Meinung nach zukünftig auch eine sehr wichtige Rolle spielen.

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  5. Dennis Steiner

    Im Prozess der Dampfreformierung wird C zu CO und in weiterer Folge CO2. Warum wird das außer Acht gelassen? Das kann doch nicht zielführend sein…
    Sollte es nicht eher in Richtung Methanpyrolyse gehen?

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  6. Wolfgang Jaske

    9.500 Biogasanlagen produzieren übern dicken Daumen ca. 95.000.000 to/a wassergefährdender Abfälle, genannt Gärrest. Der Umweltschaden ist extrem hoch, die Grundwasserqualität schlecht. Warum wird das immer des schnöden Mammons wegen ausgeblendet?

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  7. Ewald Perwög

    Dass das in der Biomasse gebundene CO2 dann vermutlich wieder in die Atmosphäre gelangt, wird in dem Artikel nicht weiter erwähnt. Die Freisetzung des bereits gebundenen CO2 kann zwar als Kreislauf betrachtet werden, jedoch bleibt der aus Sicht der Klimakrise entscheidende Nachteil, das das bereit gebundene CO2 wieder freigesetzt wird! Nachdem die Reduktion der in die Atmosphäre eingebrachten CO2-Mengen ein immer drängenderes Problem wird, sollte nicht alleine auf die größere Effizienz des Biomasse-H2-Pfades hingewiesen werden, sondern auch deren Nachteil Erwähnung finden. Die Herstellung von H2 aus Biomasse mag einen Effizienzvorteil enthalten, das interessiert die Klimakrise jedoch nicht. Interessant ist der höhere Wirkungsgrad lediglich für Investoren, die durch dieses Verfahren höhere Renditen bzw. schnellere Amortisationen erreichen. Sobald aber eine meines Erachtens nach korrekte Bepreisung des CO2 aus Biogasanlagen erfolgen wird, sieht die Rechnung wieder anders aus. Deshalb ist der Königsweg aus der Klimakrise meiner Meinung nach die Erzeugung von Grünstrom und dessen Elektrolyse und nicht die Herstellung von H2 mittels Biomasse und der damit einhergehende Wiederfreisetzung von CO2, das bereits gebunden war. Sollte dieser Pfad gefördert werden, wäre im Sinne des Hauptzieles der Energiewende (Absolute CO2-Reduktion in der Atmosphäre) nichts gewonnen!

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