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Beitrag von Sven Geitmann

28. Mai 2020

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Welche Farbe bekommt die Nationale Wasserstoffstrategie?

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Peter Altmaier beim BEE-Neujahrsempfang 2020

Wenn das so gewollt war, könnte es eine strategische Meisterleistung werden: Hinauszögern der Präsentation der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) bis zum Juni 2020 – bis kurz vor der Jahresmitte Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Dann auf europäischer Ebene den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft zu einem Schwerpunktthema machen und gemeinsam mit der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen Green Deal aushandeln, der die Wirtschaft – und vielleicht auch die Umwelt – wieder auf die Beine bringt. Sollte hierbei ein halbwegs nachhaltiges Energiekonzept für Europa herauskommen, könnte sich diesen Erfolg die deutsche Regierungskoalition auf die Fahnen schreiben und damit merklich gestärkt in den Bundestagswahlkampf 2021 ziehen, ohne sonderlich viel Angst vor den Grünen haben zu müssen.

Immerhin haben diese Verzögerungen dazu geführt, dass die Wasserstoffstrategie inzwischen sehr viel umfangreicher und fundierter geworden ist. Aus dem anfänglich nur sechs Seiten umfassenden Entwurf sind inzwischen 28 Seiten geworden, weil nicht nur zahlreiche Bundesländer, sondern auch verschiedenste Verbände und Forschungseinrichtungen eigene Konzepte mit unterschiedlichsten Ideen und teils berechtigten Kritikpunkten eingebracht haben.

Gedauert hat es jetzt aber auch wirklich lange genug, hatte die NWS doch eigentlich schon vor Weihnachten 2019 im Bundeskabinett diskutiert und beschlossen werden sollen. Aber das wurde nichts, auch nicht Anfang 2020 und erst recht nicht während der heißen Phase der Corona-Krise. Dabei hatte sich Thomas Bareiß, Parlamentarischer Staatsekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, gemeinsam mit seinem Kollegen vom BMVI, Steffen Bilger, und dem damaligen NOW-Geschäftsführer Dr. Klaus Bonhoff schon Anfang 2019 getroffen und die Notwendigkeit einer nationalen Strategie festgestellt.

Nachdem es nun auch weder Mitte noch Ende Mai geklappt hat, wartet die Energiewelt jetzt auf den 3. Juni und auf die nächste Kabinettssitzung.

Die H2-Farbenlehre

Ein wesentlicher Streitpunkt ist nach wie vor die Farbe des Wasserstoffs und ob blaues Gas auch in irgendeiner Form gefördert werden sollte. Der alternative Energieversorger Greenpeace Energy hatte sich bereits Anfang 2020 mit einem Papier positioniert und deutlich gegen blauen Wasserstoff ausgesprochen (s. HZwei-Heft Apr. 2020). Unterstützung dafür hatte das Hamburger Unternehmen vom Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband (DWV) bekommen. Ende April veröffentlichte auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ein Positionspapier und stellte klar, dass „Wasserstoff und andere synthetische Energieträger das Erreichen der Klimaziele nur dann unterstützen können, wenn sie vollständig aus zusätzlich generierten erneuerbaren Energien und unter strikten Nachhaltigkeitsstandards produziert werden.“ Demgegenüber schade blauer Wasserstoff dem Klima. Zudem würden fossile Geschäftsmodelle verlängert, so der Umweltverband.

Sascha Müller-Kraenner, einer der zwei DUH-Bundesgeschäftsführer, betonte zudem, dass nur grüner Wasserstoff zur regionalen Wertschöpfung beitrage. Weiter sagte er: „Zum Einstieg in die Technologie muss in einem ersten Schritt der Aufbau einer Elektrolyseleistung in Deutschland über geeignete Förderinstrumente ermöglicht werden. Dafür ist aber ausreichend erneuerbarer Strom notwendig. Die Abstandsregeln für Wind müssen vom Tisch und der Deckel für Photovoltaikanlagen muss sofort abgeschafft werden.“ Diese beiden letzten Forderungen sind ja inzwischen von der Koalition abgehakt worden: Die Abstände zu Windparks regeln jetzt die Bundesländer und der PV-Deckel ist Makulatur.

Bleibt noch das Farbproblem: Viele Industrievertreter ebenso wie der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (s. Foto) und auch Franz Timmermans, Vizepräsident und Kommissar für Klimaschutz der Europäischen Kommission, zeigen sich bei der Farbwahl ganz offen, votieren teils sogar direkt für die Nutzung von blauem Wasserstoff. Die niedrigen Akzeptanzwerte der CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) werden dabei weitestgehend ignoriert, da die Einlagerung ja größtenteils weit entfernt in Norwegen erfolgen soll, so wird vermittelt.

Für blauen Wasserstoff spricht der Zeitfaktor, da die großen erforderlichen H2-Mengen kurzfristig nicht mit erneuerbaren Energien zu produzieren sein dürften, da ja noch keine ausreichenden Elektrolysekapazitäten vorhanden sind. Dagegen spricht, dass zunächst sehr viele Finanzmittel in fossile Energien und CCS-Technologie investiert würden. Dieses Geld würde dann dem grünen Wasserstoff sowie der Solar- und Windbranche fehlen.

„Ich glaube, dass wir alle Farben des Wasserstoffs brauchen. Auch Grauschattierungen sind für den Übergang erlaubt.“

Thomas Bareiß, Parlamentarischer Staatsekretär im BMWi

Absehbar war die Marschrichtung im Mobilitätssektor, dass die Pkw-Sparte bei Politik und Wirtschaft zunächst nicht im Fokus steht, sondern vorrangig der Nutzfahrzeug- und Schienenbereich sowie die Luft- und Schifffahrt. Größte Abnehmer für Wasserstoff dürfte aber die Industrie werden (Stahl, Zement, Raffinierung usw.).

Wettbewerb der H2-exportierenden Länder

Förderlich wäre sicherlich, wenn ein Wettbewerb darüber entstehen würde, wo der günstigste, nachhaltig erzeuge Wasserstoff herkommt. Derzeit reden sowohl Wissenschaftler als auch Politiker viel von Nordafrika, dem Nahen Osten und Australien, wo viel Sonne ist und somit gute Rahmenbedingungen für großskalige H2-Produktion vorliegen. Es gibt aber auch noch andere Regionen in der Welt (z. B. Argentinien oder Schottland), wo viel Wind herrscht, so dass Strom aus erneuerbaren Energien extrem günstig hergestellt werden kann. Windparks in der Nordsee vor der britischen Küste hätten zudem den Vorteil relativ kurzer Entfernungen nach Mitteleuropa. Insbesondere Energiegewinnungsgebiete weit draußen auf See, die über keinen Netzanschluss verfügen, könnten zunächst als Testgebiete für die H2-Produktion und später für den H2-Export genutzt werden.

Ebenso wie Großbritannien verfügt Deutschland heute über eine installierte Leistung von 8 Gigawatt in Offshore-Windparks – mit dem Unterschied, dass es vor der britischen Küste bis 2030 30 GW werden sollen, vor der deutschen nur 20 GW. Dass dies noch nicht ausreiche, stellte der Bundesverband der Windparkbetreiber Offshore (BWO) bei einem parlamentarischen Abend in der britischen Botschaft in Berlin bereits Ende 2019 fest: „Es ist eine Notwendigkeit, mehr Windkraft offshore zu erzeugen.“ Andreas Feicht, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, sagte dazu: „Offshore-Windenergie hat das Potential, einen großen Anteil des Energiebedarfs für Deutschland, Großbritannien und die Welt zu liefern.“ Weiter erklärte er: „Ein signifikanter Import von grünem Wasserstoff wird notwendig sein, aber auch der hiesige Ausbau ist wichtig.“

Offshore-Windkraft

Mitte Mai 2020 beschlossen der Bund mit den Küstenländern und Übertragungsnetzbetreibern eine Beschleunigung des Offshore-Ausbaus. Das neue Ziel ist, dass im Jahr 2030 Windkraftanlagen mit einer installierten Gesamtleistung von mindestens 20 Gigawatt (Heraufsetzung dieses Zielwerts um 5 GW) in der deutschen Nord- und Ostsee am Stromnetz angeschlossen sein sollen. Gemäß Bundesnetzagentur sollen in den Jahren 2021 bis 2030 insgesamt 14 neue Offshore-Anbindungsleitungen realisiert werden (eine in Schleswig-Holstein, fünf in Mecklenburg-Vorpommern, acht in Niedersachsen). Die Grünen fordern indes, die Ausbauzahlen für Offshore-Windkraftanlagen auf 35 GW bis 2035 zu erhöhen.

3 Kommentare

  1. Joe Schmidt

    Ob sie es wissen?
    Selbst wenn – es interessiert nicht, denn es geht um Pfründe und Machterhalt.
    Wer hier schreibt:
    “Die Abstandsregeln für Wind müssen vom Tisch und der Deckel für Photovoltaikanlagen muss sofort abgeschafft werden.“ Diese beiden letzten Forderungen sind ja inzwischen von der Koalition abgehakt worden …”
    der weiß scheinbar nicht, dass mit der Abgabe an die Länderhoheit der Windkraftausbau in Bayern dast komplett verhindert wird und das angebliche “Abhaken” lediglich ein fauler Interessensausgleich mit Bayern war – zu Lasten der Energiewende.
    Ohne mehr EE-Strom kein grüner Wasserstoff.
    Zumindest dieser Realität müssen sich die Befürworter zunehmend stellen. Da könnten die Lobbyisten für H2 ihr Gewicht in die Waagschale werfen. Wer heute noch von “Grauschattierungen” schwafelt, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden …
    Grünen Wasserstoff zu importieren wir wohl auf längere Zeit ein Wunschtraum bleiben. Denn selbst wenn die avisierten Länder zügig mit dem Aufbau von EE-Stromerzeugung und Elektrolyseanlagen voranschreiten – werden diese Länder auf absehbare Zeit ihre grünen Energien selbst benötigen …

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    • Arno A. Evers

      Danke für diesen Kommentar, Joe Schmidt. Es ist alles so etwas von traurig.
      Das die Schweigende Mehrheit das alles mit sich machen lässt.

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  2. Arno A. Evers

    Normalerweise zitiere ich nie dritte Quellen, aber diesmal muss es einfach sein.
    Siehe dieser Artikel aus der FAZ online
    „Utopischer“ Karliczek-Plan? : Wasserstoff wird ausgebremst
    Von Christian Geinitz, Berlin -Aktualisiert am 27.05.2020-12:47
    https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/digitec/wasserstofftechnik-wasserstoff-als-gruener-konjunktur-motor-16787360.html
    Meine ergänzende Frage: Weiß eigentlich irgend jemand “von denen…” in Berlin, was sie da tun bzw. welchen immensen Schaden sie durch ihr Handeln immer wieder anrichten?

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