Hzwei Blogbeitrag

Beitrag von Sven Geitmann

15. November 2018

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CO2 als wertvoller Rohstoff

thyssenkrupp

Kohlendioxid kann für verschiedene Anwendungen eingesetzt werden, ©: thyssenkrupp


Die Idee hört sich großartig an: So genannte Hüttengase aus der Stahlproduktion, die bislang größtenteils einfach nur verbrannt werden, sollen als Ausgangsstoff für die unterschiedlichsten chemischen Produkte genutzt werden. Und gleichzeitig soll das darin enthaltene Kohlenstoffdioxid, das bisher an die Umgebung abgegeben wurde, gebunden werden. Der Pferdefuß ist lediglich, dass es bis zur industriellen Umsetzung aller Voraussicht nach noch rund fünfzehn Jahre dauern wird. Ein Anfang wird aber Mitte September 2018 gemacht, wenn thyssenkrupp sein Carbon2Chem®-Projekt in Duisburg startet.
Die thyssenkrupp AG ist ein Konzern für Stahl- und Zementproduktion, der Umweltauflagen erfüllen muss. So sahen die Pläne der EU-Kommission und des EU-Umweltrates ursprünglich einen herabgesetzten CO2-Grenzwert von 1.328 Kilogramm pro Tonne erzeugten Roheisens vor, während Anfang 2017 noch 1.630 kg CO2 ausgestoßen werden durften, weshalb die Stahlbranche revoltierte. Die EU verzichtete daraufhin auf die Einführung neuer Grenzwerte, verschärfte aber die Regeln für die freie Zuteilung von CO2-Zertifikaten.
Nachdem die Stahlindustrie bei der Einführung des Emissionshandels noch kostenlos CO2-Zertifikate erhalten hatte, wurde nun eine Benchmark festgelegt, bis zu der die CO2-Emissionen kostenlos sind. Wer jedoch mehr emittiert, muss Zertifikate kaufen. Bisher wurde diese Benchmark durch die effizienteste verfügbare Hochofentechnik vorgegeben. Jetzt hat man sich aber entschlossen, die kostenlosen Zuteilungen weiter zu reduzieren (um 20 %). Gegen diese Verschärfung wehrt sich derzeit die Stahlindustrie, weil es aktuell keine technisch und wirtschaftlich realisierbaren Lösungen gebe, so heißt es.
Der DWV-Vorsitzende Werner Diwald erläuterte gegenüber HZwei: „Das Problem für die Stahlindustrie ist, dass die Anlagen bis zu 50 Jahre Lebensdauer aufweisen. Das bedeutet, dass die anstehenden Investitionen nicht auf die kurzfristigen Herausforderungen der EU ausgerichtet werden müssen, sondern auf die Ziele von 2050. Aus diesem Grunde möchte die Branche lieber entsprechende Technologien einführen. Hierzu ist jedoch ein entsprechend faires Marktregime erforderlich, ansonsten würden die verantwortungsbewussten und nachhaltigen Marktplayer finanziell abgestraft werden.“ Klar ist, dass sich die Stahlkonzerne mehr und mehr gezwungen sehen, ihre CO2-Bilanz transparenter darzustellen und den CO2-Ausstoß zu reduzieren.
Dr. Reinhold Achatz, Technologiechef bei thyssenkrupp, spricht hierbei allerdings nicht von „Dekarbonisierung“, weil er dieses Wort für „Quatsch“ hält. Es gehe nicht darum, Kohlenstoff zu vermeiden, da „es eine Welt ohne Karbon nicht gibt“. Stattdessen brauche man für Kohlenstoff „einen Kreislauf, so wie es die Natur vormacht“. Das Kohlenstoffdioxid solle daher nicht länger in die Luft gebracht, sondern zukünftig gebunden werden. In diesem Sinne spricht er von „Defossilisierung“, womit gemeint ist, dass zukünftig weniger fossile Energieträger verwendet werden sollen.
Achatz hat hier insbesondere die Hüttengase im Fokus. Diese während des Produktionsprozesses von Stahl (z. B. in der Kokerei) entstehenden Gase enthalten auch Wasserstoff, sind darüber hinaus aber „ein echter Cocktail an Rohstoffen“. Anstatt diese Hüttengase wie bisher einfach zu verbrennen, könnten sie zukünftig chemisch genutzt werden, um „Kohlenstoff im Kreis zu führen und daraus nützliche chemische Stoffe zu erzeugen“, so der Manager.
Carbon2Chem ist nicht die Lösung, aber ein wichtiger Mosaikstein im Bündel der Lösungen.“

Dr. Reinhold Achatz, thyssenkrupp

Chemieprodukte aus Hüttengas
Hüttengase entstehen während der Stahlproduktion im Hüttenwerk an verschiedenen Stellen: im Hochofen, im Konverterstahlwerk sowie in der Kokerei. Sie enthalten Wasserstoff, Stickstoff und Kohlenstoff – Letzteren in Form von Kohlenmonoxid, Kohlendioxid und auch Methan. Aus Stickstoff und Wasserstoff lässt sich beispielsweise Ammoniak herstellen, woraus dann wiederum im so genannten Haber-Bosch Verfahren Mineraldünger erzeugt wird.
Kohlenmonoxid und -dioxid sowie Wasserstoff sind die Grundbestandteile für Methanol, woraus weitere Chemikalien und auch Kraftstoff hergestellt werden können. Methanol ist eine der meistgenutzten organischen Chemikalien, allerdings wird der dafür benötigte Kohlenstoff bislang überwiegend aus fossilen Energieträgern (z. B. Erdgas) gewonnen.
Der Grundgedanke bei Carbon2Chem ist, Kohlenstoff mehrfach zu nutzen und so die insgesamt emittierte CO2-Menge deutlich zu verringern …
 
weiterlesen im HZwei-Heft Oktober 2018
 

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