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Beitrag von Sven Geitmann

13. September 2018

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Stahlerzeugung mit grünem Wasserstoff

ArcelorMittal

Reduktionsanlage von ArcelorMittal, © M. Hölling


Um die sehr ambitionierten Klimaziele der Bundesregierung und der EU bis 2050 zu erreichen, wird eine Umstellung der Stromerzeugung alleine nicht ausreichen. In allen Wirtschaftszweigen bedarf es einschneidender Veränderungen, damit die Transformation in eine CO2-freie Zukunft gelingen kann. So steht auch die Stahlindustrie, die rund sechs Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland erzeugt, vor großen Herausforderungen, um innerhalb der EU überleben zu können. Eine Option zur Reduktion ihres CO2-Fußabdrucks könnte die Nutzung von grünem Wasserstoff und Strom aus erneuerbaren Quellen sein, und diese scheint durchaus technisch machbar. Aus heutiger Sicht wäre dies aber mit sehr hohen Kosten verbunden, die ohne Förderung von keinem Stahlwerk getragen werden können.
Konventionelle Stahlerzeugung
Zur Herstellung hochwertiger Stahlgüter, wie sie zum Beispiel im Automobilsektor benötigt werden, ist eine Produktion auf Basis von Eisenerzen, die einen hohen Anteil an Eisenoxiden aufweisen, erforderlich. Nur so kann die geforderte Reinheit gewährleistet werden, um leichte und gleichzeitig hochfeste Stahlsorten herstellen zu können. Die Reduktion von Erz zu Eisen erfolgt heute zum Großteil in Hochöfen, die Koks als Reduktionsmittel einsetzen. Trotz einer sehr hohen Effizienz ist dieser Vorgang mit Emissionen von mehr als einer Tonne CO2 pro Tonne Stahl verbunden. Ein alternativer Prozess, der beispielsweise bei der ArcelorMittal Hamburg GmbH genutzt wird, ist die sogenannte Direktreduktion. Hierbei wird Erdgas anstelle von Koks als Reduktionsmittel eingesetzt. Über einen Dampfreformer wird aus dem Erdgas ein Reduktionsgas erzeugt, dass zu rund 60 % aus Wasserstoff besteht. Es stehen somit schon heute Prozesse zur Verfügung, die einen hohen Wasserstoffanteil verwenden.
In Kooperation mit der ArcelorMittal Hamburg GmbH hat die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg untersucht, wie sich der Prozess der Direktreduktion von Eisenerz auf 100 % Wasserstoff umstellen lässt (s. Abb. 1). Als Energiequelle kann Strom aus erneuerbaren Energien genutzt werden, so dass in diesem Fall von einem CO2-freien Vorgang ausgegangen werden kann. Über eine Power-to-Gas-Anlage kann Wasserstoff erzeugt werden, der in den Prozess eingespeist wird. Nach einer Vermischung mit rezykliertem Wasserstoff wird dann eine Aufheizung auf rund 900 °C, die für die chemische Reaktion erforderlich sind, erfolgen.
Im Schachtofen erfolgt dann die Reduktion von Erz zu metallischem Eisen und die anschließende Brikettierung. Zur Kenntlichmachung, dass es sich bei dem Ergebnis um ein neues Produkt handelt, wird der Begriff H2BI (= Hydrogen Hot Briquetted Iron) eingeführt. Bei der Reaktion wird Wasserstoff zu Wasserdampf oxidiert, was aufgrund eines chemischen Gleichgewichts aber nicht vollständig geschieht. Aus dem Schachtofen tritt somit eine Mischung aus Wasserstoff und Wasserdampf aus. Der Wasserdampf kann anschließend über Kondensation abgeschieden werden, so dass der verbleibende Wasserstoff wiederverwendet werden kann. Lediglich ein kleiner Anteil wird zur Vorwärmung des Reduktionsgases verbrannt.
Dieser zunächst hypothetische Gesamtprozess ist stark an einen klassischen Direktreduktionsprozess angelegt, wie er bei ArcelorMittal Hamburg seit 1971 in Betrieb ist. Der Hauptunterschied zum bisherigen Verfahren ist, dass der Dampfreformer durch einen Elektrolyseur ersetzt wird, so dass reiner Wasserstoff verwendet wird. Eine technische Umsetzung erscheint aus heutiger Sicht möglich.

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Autor: Prof. Dr.-Ing. Marc Hölling, Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg
Kategorien: Allgemein
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16 Kommentare

  1. Lisa Weber

    Stahlgüter werden auf jeden Fall immer gebraucht werden. Da ist die Automobilindustrie auch nur ein Bereich von mehreren großen Industrien. Wir arbeiten beispielsweise schon lange in der Metallverarbeitung ( Stahlerzeugung ). Hochwertige Stahlsorten benötigen eben auch eine gewisse Reinheit. Normalerweise geschieht die Produktion ja auch auf Basis von Eisenerz, was ja in Hochöfen passiert. Wenn man an dieser Stelle auch nur wenig Umweltfreundlicher agieren würde, hätte man schon einen relativ großen Effekt. Solch die neue LOHC Technologie, welche die CO2 Emissionen verringert ist also ein sehr spannendes Thema. Da bleibt es nur abzuwarten, ob sie in der Realität auch wirklich umsetzbar und effektiv ist.

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  2. Tim Klein

    Sehr spannendes Thema!

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  3. Railfriend

    @Hydrogeit, die Aussage der TU Dresden, Fachrichtung Schienenfahrzeugtechnik finden Sie in:
    Eisenbahn Ingenieur EI Spezial 9/2017, Dr.-Ing. Kache, Martin und Mitverfasser: BZ in Schienenfahrzeugantrieben, S. 28, Tab. 1

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    • Hydrogeit

      Laut TU Dresden stammen deren Zahlen aus einer Studie des DLR von 2014.
      “Potentials of alternative propulsion systems for railway vehicles”
      Ich schlage vor, Sie schauen sich nochmals die genauen Rahmenbedingungen an, was darin wirklich verglichen wurde. Zunächst nur soviel:
      Seit 2014 haben sich die Preise merklich geändert.

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      • Hydrogeit

        Genauer gesagt fand im März 2014 die Konferenz statt, auf der diese Zahlen präsentiert wurden. Somit dürften die Zahlen aus einer Studie stammen, die noch mehr oder weniger weit vor 2014 angefertigt worden war. Damals hatte aber weder Alstom noch Ballard oder Siemens einen Fokus auf BZ-Schienenfahrzeuge.
        Die Aussage “der H2-Bahnantrieb ist nach Aussage der TU Dresden aktuell 10 mal teurer” dürfte somit als nicht ganz korrekt bezeichnet werden. Wenn überhaupt könnte diese Aussage für die Zeit vor fünf Jahren gelten.

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        • Railfriend

          Vielen Dank für die Info. In meinem zitierten Beitrag aus 2017 steht, die Zahlen seien aktuell, was dann wohl nicht ganz stimmt. Aktuell ist darin aber der Verweis auf den Alstom iLint (Tab. 2), Stand 2016.
          Sicher werden die Preise von BZ-Antrieben in Zukunft fallen. Allerdings bleibt da noch viel zu tun, wenn man die lebensdauerbezogenen Kosten vergleicht: Hier besteht laut der o.g. Zahlen ein Kostenvorsprung mit Faktor 40.
          Eine andere Abhandlung kommt zu dem Schluss, dass der BZ-Antrieb bei derzeitiger H2-Bereitstellung aus Erdgas und Elektrolyse mehr Klimabelastung erzeugt als Dieselantrieb. (Blassmann, Jürgen und Mitverfasser: Das zukünftige Antriebskonzept für Schienenfahrzeuge, ZEVrail 141, 2017, S. 106 ff)

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          • Hydrogeit

            Auch hierzu sei darauf hingewiesen, dass Jürgen Blassmann für MTU Friedrichshafen arbeitet, was erklären würde, warum er den bisherigen H2-Herstellungspfad über Erdgas als Vergleichsgrundlage nimmt. Ich denke, es dürfte klar sein, dass es darum geht, Wasserstoff mittelfristig per Elektrolyse mit Hilfe von erneuerbaren Energien zu erzeugen, so dass dann die Züge quasi mit Solar- bzw. Windstrom fahren würden, also weitestgehend schadstofffrei wären.

          • Railfriend

            @Hybrogeit,
            in der Abhandlung werden Wirkungsgrad und CO2-Emission von Bahnantrieben auf überwiegend fossiler Energiebasis verglichen. Dabei schneidet der BZ-Antrieb am schlechtesten ab.
            Herr Blassmann vergleicht hier, was derzeit real ist, weist aber auch auf zukünftige grünstrombasierte Energieträger hin. Diese sind in Oberleitungs-, Diesel-Hybrid- und BZ-Hybridantrieben einsetzbar. Als elektrische, E-Fuel oder H2-Energie.

  4. Railfriend

    Herr Molwitz,
    der H2-Bahnantrieb ist nach Aussage der TU Dresden aktuell 10 mal teurer in der Anschaffung als ein Bahndiesel bei zugleich 4 mal geringerer Lebensdauer.
    Auch die Reichweite eines H2-Bahnfahrzeugs ist wesentlich geringer.
    Daher spricht einiges für den Einsatz von E-Fuels in Bahndieselantrieben. Sie basieren ja ohnehin auf grünem H2, der als E-Fuel viel einfacher lager- und transportierbar ist.
    Die Gesamtwirkungsgrade beider Systeme sind unter Berücksichtigung eingebauter Bremsenergiespeicher etwa gleich.

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    • Hydrogeit

      10mal teurer? Gibt es dafür eine konkrete Quelle?
      Bislang gilt diese Aussage: “Nach Angaben von Alstom sind derzeit rund 20.000 km Schienenstrecke deutschlandweit nicht elektrifiziert. Wie Hans‐Joachim Menn, Sprecher der LNVG-Geschäftsführung, hierzu mitteilte, seien Dieselfahrzeuge auf diesen Verbindungen mittelfristig nicht wirtschaftlich, weshalb sie seiner Meinung nach im Eisenbahnverkehr mehr und mehr vom Markt verdrängt würden. Deswegen habe sich sein Unternehmen bereits Optionen für weitere BZ-Züge gesichert.”
      Auszug aus dem HZwei-Heft Januar 2018

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  5. Railfriend

    Mit dem HyRec-Verfahren wird Wasserstoff auch für Dieselloks nutzbar. Die Bremsenergie wird an Fahrzeugbord in H2 gespeichert und bei Bedarf dem Dieselmotor zugeführt:
    https://mahara.hm.edu/view/view.php?id=9713
    E-Fuels für Dieselloks basieren auf Wasserstoff und werden ab 2020 im Industriemaßstab mit Grünstrom produziert:
    http://www.fr.de/wirtschaft/blue-crude-wettlauf-um-den-sprit-der-zukunft-a-1519050,0#artpager-1519050-1
    Für eine klimaneutrale Eisen- und Stahlerzeugung kommt auch Biokohle in Frage:
    https://www.tib.eu/de/suchen/id/tema%3ATEMA20130602195/Einsatzmöglichkeiten-von-Biokohle-in-metallurgischen/
    https://www.stahleisen.de/stahl-und-eisen/stahl-online/ssab-biokohle-fuer-stahlproduktion/

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  6. Wolfgang Molwitz

    Neue E Locks mit H2 Hybrid elektrisch zur Überwindung von Strecken ohne elektischen Fahrdraht. Z.B. Hindenburgdamm nach Sylt. Fahrdraht- Itzehoe bis Niebüll. Weiter mit e- H2 Hybrid Locks. Technisch eine klar machbare saubere Sache.
    1) „Coradia iLint“, fährt nun im Linienverkehr zwischen Bremervörde, Cuxhaven, Bremerhaven und Buxtehude:
    https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/gesellschaft/weltpremiere-wasserstoffzug-niedersachsen-100.html
    2) Die EU-Ratsvorsitzende für Energiefragen, Österreichs Ministerin Elisabeth Köstinger für Nachhaltigkeit und Tourismus, wirbt alle Energieminister der EU: Nur mit „grünem“ Wasserstoff wird die Stahlerzeugung von Koks auf schadstoffarme Energie umgestellt. Nur wenn die Eisen- und Stahlindustrie diesen Sprung schafft, wird es gelingen, das Klimaschutzziel von minus 80 Prozent Treibhausgasausstoß bis 2050 zu erreichen.
    Moin, moin …
    Wer kann H2 in großen Mengen produzieren? Offshore!

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      • Hydrogeit

        Wenn es danach geht, dürften wir Benzin und Diesel jetzt gar nicht verwenden, da dies ebenfalls Gefahrstoffe sind, sogar mit sehr viel mehr Gefahrstoffhinweisen:
        Dibenzyltoluol
        H- und P-Sätze H: 304​‐​413
        P: 273​‐​301+310​‐​331​‐​405​‐​501
        insgesamt 1 GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
        Benzin:
        H- und P-Sätze H: 224​‐​304​‐​315​‐​336​‐​340​‐​350​‐​361​‐​411
        P: 201​‐​210​‐​273​‐​280​‐​301+310​‐​331​‐​403+233
        insgesamt 4 GHS-Gefahrstoffkennzeichnungen
        Diesel:
        H- und P-Sätze H: 226​‐​304​‐​332​‐​315​‐​351​‐​373​‐​411
        P: 210​‐​260​‐​273​‐​280​‐​301+310​‐​331
        insgesamt 4 GHS-Gefahrstoffkennzeichnungen
        Quelle: Wikipedia
        Damit will ich nichts bagatellisieren, ich möchte nur darauf hinweisen, dass Dibenzyltoluol kein Teufelszeug ist, sondern dass der Umgang damit einfach neu gelernt werden müsste.
        Auch Wasserstoff kann gefährlich sein, so wie jeder Stoff, der Energie speichern kann. Trotzdem kann es sinnvoll sein, solche Stoffe für die ein oder andere Anwendung einzusetzen.
        Wasserstoff:
        H- und P-Sätze H: 220​‐​280
        P: 210​‐​377​‐​381​‐​403
        insgesamt 2 GHS-Gefahrstoffkennzeichnungen

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