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Beitrag von Sven Geitmann

9. März 2018

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Nutzfahrzeuge mit Null Emissionen

NFZ-StudiePolitische Maßnahmen zur Dekarbonisierung des Verkehrs konzentrieren sich bislang vor allem auf Pkw, Busse und Lieferwagen. Es gibt jedoch eine Vielzahl von Nutzfahrzeugen wie leichte und schwere Lkw, Baumaschinen, land- und forstwirtschaftliche Maschinen sowie unterschiedlichste Spezialfahrzeuge, die fast ausschließlich dieselbetrieben sind und daher wesentlich zu den Verkehrsemissionen beitragen. In der vorliegenden Studie wurden zunächst die emissionsbezogenen Vorschriften für Nutzfahrzeuge sowie die ökonomische und ökologische Relevanz der verschiedenen Segmente untersucht. Für fünf ausgewählte Anwendungsfälle in verschiedenen Nutzfahrzeugsegmenten wurden zudem die Lebenszykluskosten (TCO) sowie die Treibhausgasemissionen von Nullemissionsantrieben im Vergleich zu konventionellen Dieselantrieben analysiert.
Nutzfahrzeuge (Nfz) sind für mehr als ein Drittel der Treibhausgasemissionen (THG) des Straßenverkehrs verantwortlich [1]. In vielen Städten erweisen sich zudem überhöhte Belastungen durch Stickstoffoxide und Feinstaub u. a. durch Verbrennungsmotoremissionen zunehmend als problematisch. Während Lkw und Sattelzüge aufgrund ihrer sehr hohen Fahrleistung den überwiegenden Anteil der Emissionen von Nfz verursachen, führt der oft kontinuierliche Betrieb beispielsweise von Baumaschinen vor allem in deren unmittelbarem Einsatzbereich zu einer erheblichen Belastung. Dadurch sind sie insbesondere in Ballungsräumen oder beim Einsatz in geschlossenen Räumen von hoher Relevanz: So werden 25 % der innerstädtischen verkehrsbedingten Rußemissionen auf Baumaschinen zurückgeführt [2].
Ziel dieser Studie war es daher, für die verschiedenen Nfz-Segmente die Potenziale zum Ersatz von Dieselantrieben zugunsten (lokal) emissionsfreier Antriebe aufzuzeigen. Entsprechend wurden ausschließlich brennstoffzellen- (Fuel Cell Electric Vehicles, FCEV) und batterieelektrische Fahrzeuge (Battery Electric Vehicles, BEV) hinsichtlich ihrer Einsatzmöglichkeiten, Kosten und THG-Emissionen untersucht.
Emissionsbezogene Regelungen
Nfz stellen einen äußerst heterogenen Sektor von hoher ökonomischer Bedeutung dar. Alleine in der direkten Fahrzeugproduktion sind in Baden-Württemberg fast 12.000 Arbeitsplätze verortet. Die bedeutendsten Segmente sind dabei neben Lkw auch Landmaschinen und Busse. Trotz dieser großen wirtschafts- und umweltpolitischen Relevanz ist die aktuelle Durchdringung von alternativen Antrieben bei Nfz praktisch gleich null. Einzig Flurförderzeuge sind größtenteils elektrisch betrieben, während ansonsten nahezu ausschließlich Dieselantriebe verwendet werden. Auch wenn verschiedene regulatorische Instrumente (wie Maut, Kfz-Steuer, Einfahrtbeschränkungen in Form von Umweltzonen) nach Fahrzeugemissionen differenzieren, unterliegen BEV und FCEV außer bei der Steuer häufig denselben Bedingungen wie EURO-VI-Dieselfahrzeuge.
Die regulatorischen Anreize zum Einsatz von Nullemissionsantrieben sind daher gering. Lediglich Arbeitsschutzvorschriften, die für Arbeitsbereiche deutlich strengere Anforderungen an die Reduzierung der Abgasemissionen von Fahrzeugen und Maschinen stellen als das Umweltrecht, fordern in geschlossenen Räumen explizit den Ersatz dieselbetriebener durch schadstofffreie Antriebstechniken und/oder die kostspielige Erfassung und Absaugung der Abgase [5]. Die weite Verbreitung elektrischer Flurförderzeuge zeigt, dass die Arbeitsschutzregelungen ein treibender Faktor für den Umstieg auf Nullemissionsantriebe sind.
Eignung von Nullemissionsantrieben
Bei den Nullemissionsantrieben sind insbesondere die erforderlichen großen Volumina und Gewichte der Traktionsbatterien beziehungsweise des H2-Tanks zu berücksichtigen. Bei FCEV fällt dieser Nachteil aufgrund der höheren Energiedichte von Wasserstoff weniger ins Gewicht. So beträgt für eine vergleichbare Reichweite das Volumen des Batteriesystems etwa das 15-fache des Dieseltanks, das des H2-Tanks (700 bar) mehr als das 5-fache. Das entsprechende Gewicht beläuft sich auf rund das 20-fache für die Batterien und das 3-fache für den H2-Behälter [4]. Dies schränkt die Nutzung insbesondere der batterieelektrischen Antriebe bei einigen Nfz-Anwendungen für größere Entfernungen (> 200 km) oder durchgehenden Betrieb deutlich ein.
Weiterhin zu berücksichtigen sind die notwendigen Ladezeiten bei BEV und die erforderliche Infrastruktur zum Laden beziehungsweise Tanken. Da die Infrastruktur öffentlich bislang nur unzureichend verfügbar ist, sind Unternehmen hier häufig auf Eigenlösungen angewiesen. Abgesehen von den Kosten stellen auch die damit verbundenen organisatorischen Anpassungen nicht zu unterschätzende Herausforderungen an die Betriebe dar.

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Die Studie erfolgte im Auftrag der e-mobil BW und ist online unter http://bit.ly/2ygS5U3 verfügbar.
Autoren:
Dr. Stefan Eckert, Dr. Michael Faltenbacher, Dr. Benjamin Reuter, alle drei von thinkstep AG, Leinfelden-Echterdingen
Alex Auf der Maur, Sven Altenburg, Alexander Labinsky, alle drei von Prognos AG, Berlin

2 Kommentare

  1. Joe Schmidt

    Jetzt habe ich mir die Studie einmal (kurz) angeschaut und bin schon nach kurzem Überfliegen erschüttert:
    In Abb.3 (S.23) ist bei der Darstellung des BSZ-Antriebes plötzlich die Traktionsbatterie entfallen – wobei in Tabelle 10 (S.61) bzw. Tabelle 11 (S.67) richtigerweise bei den Antriebsvarianten immer die BSZ mit einer Traktionsbatterie + el. Hochvoltantrieb zusammenarbeitet, denn nur so ist bspw. die Rekuperation möglich …
    Für Akkuwerte Abb.4 (S.24) werden Daten aus 2010 verwendet und damit die steile Entwicklungskurve bei den Zellen in den letzten Jahren ausgeblendet!
    Im Kapitel zu den TCO (ab S.66) werden neben sinkenden Kosten für Bleibatterien (?) stark sinkende BSZ-Kosten unterstellt – unter anderem mit Hinweis auf eine Skalierung von BSZ-Stacks aus dem PKW-Bereich. Dagegen werden die Akkukosten ausdrücklich nicht aus dem PKW-Segment skaliert, obwohl hier (bspw. Tesla Model3 mit weniger als 75$/kWh) deutliche Senkungen vorhanden sind und auch eine Skalierung keine wirkliche Herausforderung darstellt (siehe Projekt Tesla Semi-Truck).
    Eine Senkung der H2-Kosten wie in Tabelle 13 (S.68) von 9,50€/kg auf 5,09€/kg bis 2030 erschein trotz den Texthinweises auf die schwere Abschätzbarkeit als unseriös, wenn gelichzeitig eine Technologieumstellung von Erdgas-Dampfreformation auf (EE-Strom-)Elektrolyseure vorgenommen werden soll.
    Interessant finde ich, das der Wasserverbrauch der Elektrolyse von ca. 7-8Liter/kg H2 nie thematisiert wird, obwohl er einen deutlichen Kostenfaktor darstellt …
    Ebenfalls unlogisch ist es, für die Elektrolyse mit “günstigem Strom” (S.70) erfolgt, während gleichzeitig für batterieelektrische Antriebe (S.71) steigende Energiepreise angesetzt werden. Zumindest werden ehrlicherweise die TCO beim BSZ-Fahrzeug heute auf ca. das Doppelte der herkömmlichen (Diesel-)Antriebe angesetzt. Sicher werden sich die Verhältnisse verschieben, aber davon profitiert der batterieelektrische Antrieb (BEV) noch deutlich stärker. Dies wird ebenso wenig thematisiert wie die Kosten für Wartung und Unterhalt der BEV-Variante, die allenfalls nebenbei wie bei der schon als BEV real existenten Radlader-Variante (6.10, S.74f) angesprochen werden.
    Beim Ressourcen und Energieverbrauch finde ich es bemerkenswert, dass der Platinvebrbrauch auf 10%/kW der heutigen Werte (S.93) gesenkt werden soll und damit in den Bereich heutiger Katalysatortechnik beim PKW rückt. Eine Grundlage für diese Annahme finde ich leider nicht. Realistisch ist der Ansatz des dreifachen Promärenergiebedarfes gegenüber einem BEV im Betrieb (7.2 Energieeffizienz der Antriebssänge, S. 94ff), nur der Ansatz der 100% EE-Strom-Elektrolyse erscheint sehr optimistisch (S.98) bei derzeit mehr als 95% Dampfreformation aus Erdgas.
    Warum die BEV-Antriebsveariante in den Anwendungsbeispielen willkürlich ausgeblendet wird, obwohl jeweils am Beispiel des BEV-Radladers (bspw. 7.8, S.95) die Überlegenheit (trotz Blei-Säure-Akkumulator) eingeräumt wird, ist nicht nachzuvollziehen.
    Dass die Handlungsempfehlungen auch das emissionsfreie BEV begünstigen, sollte jedem Leser einleuchten.

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  2. Joe Schmidt

    Zwei “Schlagwörter” fallen mir auf:
    – Null Emissionen
    – Lebenszykluskosten (TCO)
    In dem Moment, wo die Emissionen sinnvollerweise “Well-to-Wheel” betrachtet werden – also inkl. Herstellung, Transport und Verteilung, hat mobiles H2 verloren, denn es wird zu >95% aus Erdgas über Dampfreformation hergestellt. Damit ist “Null Emissionen” eine inhaltslose Werbephrase!
    Natürlich kann jetzt argumentiert werden, dass H2 natürlich auch aus EE hergestellt werden kann. Aber abgesehen davon, dass EE nicht rechtfertigt, Energie zu verschwenden (doppelter Verbrauch gegenüber reinem E-Antrieb), liegt der Preis für 1kg H2 an der Druckgastankstelle (350-700bar) heute bei etwa 9,50€! Damit fährt ein H2-BSZ-PKW gemächlich etwa 100km weit. Nutzfahrzeuge verbrauchen entsprechend mehr.
    H2 im Verbrennungsmotor ist erst recht Irrsinn bei realen Motorwirkungsgraden um 20%.
    Die Energiesteuer (früher Mineralölsteuer) wird auf H2 bisher nicht erhoben und die Herstellung des H2 aus EE würde den Preis gegenüber der Dampfreformation mehr als verdoppeln. Damit sind die TCO für den Betreiber jenseits von Gut und Böse, wenn der Betrieb nicht massiv subventioniert wird – was keine Dauerlösung sein kann …

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