Hzwei Blogbeitrag

Beitrag von Sven Geitmann

14. Februar 2018

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Großes Interesse an Brennstoffzellenzügen

Nikutta

Neuer Deutschland-Chef von Alstom Dr. Jörg Nikutta


Das Interesse an Brennstoffzellenzügen ist groß – sowohl seitens des öffentlichen Nahverkehrs als auch der Medien: Während die Anzahl der Regionen, in denen über Wasserstoffloks auf der Schiene debattiert wird, weiter wächst, veranstaltete der bislang europaweit einzige Anbieter Alstom S.A. am 9. November 2017 eine Pressekonferenz in Wolfsburg, um die Nachfrage noch stärker anzukurbeln.
Ausgerechnet direkt vor der Tür des größten europäischen Automobilherstellers ließ das französische Staatsunternehmen Alstom seine Werbeveranstaltung für wasserstoffbetriebene Regionalzüge, die zukünftig dieselbetriebene Loks ersetzen sollen, stattfinden. In Steinwurfentfernung zum VW-Werk, wo nur die Aller den Hauptbahnhof vom Volkswagen-Betriebsgelände trennt, fanden sich vergangenen Herbst neben dem niedersächsischen Landeswirtschafts‐ und -verkehrsminister Olaf Lies und diversen Unternehmensvertretern zahlreiche Reporter ein, um den BZ-Zug Coradia iLint in Augenschein zu nehmen.
Anlass war die Vertragsunterzeichnung der versammelten Firmenlenker über die Bestellung von vierzehn Brennstoffzellenzügen sowie eine auf dreißig Jahre ausgelegte Instandhaltungs- und Energieversorgungsvereinbarung. Auftraggeber war in diesem Fall die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG), Auftragnehmer war Alstom für die Produktion der Schienenfahrzeuge beziehungsweise Linde für deren Wasserstoffversorgung.

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Außerdem überreichte Minister Lies den Bewilligungsbescheid über die Zuwendung von 81,3 Mio. Euro Fördergeldern aus der Landeskasse an die LNVG. Das Landesunternehmen kauft die Loks und vermietet sie anschließend an das Bahnunternehmen. Die Instandhaltung erfolgt in der Werkstatt der Elbe‐Weser‐Verkehrsbetriebe (evb) in Bremervörde durch Alstom. Zusätzlich zur Landesförderung wird dieses Vorhaben mit 8,4 Mio. Euro aus dem NIP 2.0 unterstützt.
Besondere Aufmerksamkeit erhielt dieser Termin, weil er quasi den Auftakt zur Verkehrsministerkonferenz bildete, die am 9. und 10. November ebenfalls in Wolfsburg abgehalten wurde. Deswegen nannte Lies diese Vertragsunterzeichnung auch ein „großartiges Signal“. Weiter erklärte der Minister stolz: „Wir sehen einen Zug, der eingesetzt wird, und nicht Technik, die zur Anwendung kommen könnte. […] Diese Entwicklung macht nicht Halt auf der Schiene.“

Von grauem zu grünem Kraftstoff
Geplant ist, dass zwei Prototypen der in Salzgitter gefertigten Züge ab Dezember 2021 Reisende zwischen Cuxhaven und Buxtehude befördern (s. auch HZwei-Heft Juli 2017). Bislang verkehren dort Dieseltriebwagen der evb. Anstatt diese Strecke jedoch für viel Geld per Oberleitung zu elektrifizieren, soll die Stromversorgung nun quasi intern mit Hilfe von Wasserstoff erfolgen.
Zunächst wird dafür eine mobile Betankungsanlage von Linde zum Einsatz kommen, in der grauer Wasserstoff aus der chemischen Industrie vertankt wird, bevor dann in zwei Jahren ein Elektrolyseur am Endbahnhof in Bremervörde installiert sein soll, der mit Hilfe von Ökostrom grünen Wasserstoff bereitstellt. Eine Tankfüllung mit diesem Kraftstoff soll dann ausreichen, um rund 1.000 Kilometer zurückzulegen (zuvor war die Rede von 800 km).

Nach Angaben von Alstom sind derzeit rund 20.000 km Schienenstrecke deutschlandweit nicht elektrifiziert. Wie Hans‐Joachim Menn, Sprecher der LNVG-Geschäftsführung, hierzu mitteilte, seien Dieselfahrzeuge auf diesen Verbindungen mittelfristig nicht wirtschaftlich, weshalb sie seiner Meinung nach im Eisenbahnverkehr mehr und mehr vom Markt verdrängt würden. Deswegen habe sich sein Unternehmen bereits Optionen für weitere BZ-Züge gesichert.
Damit angesichts solch langfristiger Kundenverträge auch bei der Fertigung alles problemlos läuft, hat der Schienenfahrzeughersteller entsprechende Rahmenverträge mit Zulieferern wie Hydrogenics und xperion abgeschlossen, bestätigte Dr. Jens Sprotte von Alstom Transport Deutschland gegenüber HZwei. Gian Luca Erbacci, Senior Vice President für Europa bei Alstom, zeigte sich zuversichtlich, diese Technik auch nach Norwegen und Nordamerika exportieren zu können.
„Wir hatten bisher immer ein Henne-Ei-Problem. […] Diese Entwicklung wird den Aufbau einer H2‐Gesellschaft vorantreiben und neue Lösungen für das Speichern und Transportieren von Energie hervorbringen. […] Damit sind wir jetzt in der Lage, das Thema Infrastruktur anders zu entwickeln. […] Das ist ein Wirtschaftsmodell, das sich trägt.“
Bernd Eulitz, Vorstandsmitglied der Linde AG

Heidekrautbahn mit Wasserstoff
Über fehlende Nachfrage kann sich Alstom nicht beschweren: Bereits 2015 hatten vier Bundesländer ihre Absicht erklärt, bei diesem Technologiewechsel mitzuziehen, und Anfang Oktober 2017 kam mit Brandenburg eine weitere Region hinzu. Dort könnte die sogenannte „Heidekrautbahn“ RB27 ebenfalls auf Wasserstoff umsatteln. Grüner Strom steht in der Uckermark dank Windkraft reichlich zur Verfügung. Alstom beabsichtigt, gemeinsam mit Enertrag, der Niederbarnimer Eisenbahn sowie der Barnimer Energiegesellschaft (BEG) einen Förderantrag für ein Pilotprojekt zu stellen. Das Gesamtinvestitionsvolumen dafür würde bei rund 35 Mio. Euro liegen. Sollte die Beantragung und Genehmigung rasch erfolgen, könnte Brandenburg sogar noch Niedersachsen die Show stehlen, denn liefern könnte der Zughersteller noch vor Ende dieses Jahrzehnts, wie Dr. Nikutta gegenüber HZwei zusicherte.

Fusion
Was im Luftfahrtsektor mit Airbus seit Jahren funktioniert – eine Kooperation zum Bau von Flugzeugen zwischen Deutschland und Frankreich – könnte auch im Schienenverkehr klappen. …
Ballard kooperiert mit Siemens
Als Mitbewerber unter den BZ-Herstellern bringt sich gerade auch Ballard Power Systems in Stellung. Mitte November 2017 unterzeichnete das kanadische Unternehmen mit Siemens eine Kooperationsvereinbarung für die Entwicklung eines Zero-Emission-Brennstoffzellensystems für den Antrieb der Mireo-Nahverkehrsbahn. Als Teil der Vereinbarung, die einen finanziellen Umfang in Höhe von 9 Mio. US-$ vorsieht, will Ballard ein 200-kW-Brennstoffzellensystem konstruieren, mit dem die Bahn dann bis zu 160 Stundenkilometer schaffen soll. Dank Leichtbautechnik und intelligentem Bordnetz-Management soll der Energieverbrauch um 25 Prozent niedriger liegen als bei anderen Bahnen bei gleicher Passagierzahl. Ab 2021 könnte dieses Modell einsatzbereit sein und bisherige Dieseltechnik ersetzen.
Randy MacEwen, Ballard-Präsident, erklärte: „Wir sehen einen rapiden Nachfrageanstieg nach sauberer BZ-Technik im Schwerlastbereich (Züge, Trams, Busse, Trucks). In dieser Anwendung ermöglichen Brennstoffzellen eine Elektrifizierung mit Reichweite, ohne dass eine kostspielige Oberleitungsinfrastruktur erforderlich ist.“

Die nächste International Hydrail Conference findet vom 6. bis 8. Juni 2018 in Rom statt.

1 Kommentar

  1. Artur Braun

    Die Brennstoffzellenhersteller werden sich darüber freuen.
    Die Wasserstoffhersteller auch.
    Wahrscheinlich soagr noch die Hersteller von Batterien und Supercaps.
    Ich freue mich auf jeden Fall.

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