Hzwei Blogbeitrag

Beitrag von Sven Geitmann

9. August 2017

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Vorstoß in den Elektrolyse-Megawatt-Sektor

ArevaH2Gen

Französischer 1-MW-Stack


Im April-Heft 2017 veröffentlichte die HZwei-Redaktion eine große Übersicht mit zahlreichen Elektrolyseuren und ausführlichen Berichten über verschiedene Hersteller sowie deren Produkte. Das ist aber längst noch nicht alles. Natürlich gibt es noch sehr viel mehr Unternehmen, die in diesem Bereich aktiv sind. Etliche davon waren auf der Hannover Messe als Aussteller präsent und zeigten dort ihre neusten Errungenschaften. Aufgrund des großen Interesses an diesem Thema fasst HZwei quasi als Weiterführung der vorausgegangenen Berichterstattung im Folgenden wesentliche Neuigkeiten zusammen.
Sowohl die Nachfrage als auch das Angebot im Elektrolyseursektor werden immer größer. Dies betrifft nicht nur die Anzahl der Hersteller, sondern auch das Leistungsspektrum der Geräte. HydrogenPro AS präsentierte beispielsweise in Hannover erstmals das Konzept einer Großanlage, die auf der alkalischen Elektrolyse beruht und die Bereitstellung von 800 Normkubikmetern Wasserstoff pro Stunde mit einem Ausgangsdruck von 30 bar ermöglichen soll. Ihr Energiebedarf liegt mit 4,4 kWh pro Normkubikmeter aufgrund ihrer Größe vergleichsweise niedrig (zum Vergleich siehe Marktübersicht HZwei-Heft Apr. 2017).
Nach Aussage von Dr. Hans Jörg Fell, seit Anfang 2017 technischer Geschäftsführer von HydrogenPro, sollen mit diesem „weltweit größten Elektrolyseur“ auch 1.000 Nm3/h möglich sein. Die Vorteile solch einer großen Anlage seien ein vergleichsweise hoher Wirkungsgrad bei relativ niedrigen Kosten: laut Fell rund 20 % günstiger als bei der PEM-Elektrolyse. Je nach Konfiguration sei mit Investitionskosten in Höhe von etwa 2 Mio. US-Dollar zu rechnen – halb so viel wie für die Installation entsprechend großer PEM-Systeme, so Fell.
Das erst vor vier Jahren in Norwegen gegründete Unternehmen verwendet Systeme des chinesischen Herstellers von Hochdruckelektrolyseuren Tianjin Hydrogen Equipment (THE), der bislang über 300 Anlagen ins Feld gebracht hat. Ein weiterer wichtiger Partner ist Mitsubishi Hitachi Power Systems Europe. MHPSE ist insbesondere in der Methanolsynthese involviert, bei der aus Kohlenstoffdioxid und Wasserstoff verschiedene Kraftstoffe hergestellt werden können (Power-to-Fuel).
Internationale Akteure
Ebenfalls aus dem hohen Norden war GreenHydrogen angereist. Das 2007 in Dänemark gegründete Unternehmen startete damals mit einem H2-System für eine Kleinbahn auf der Insel Samsø. Heute liefern seine HyProvideTM-Systeme der A-Serie, an deren Entwicklung sich auch Siemens beteiligte, wahlweise 20, 40 oder 60 Nm3 Wasserstoff pro Stunde mit über 30 bar und einer H2-Reinheit von 99,998 %. Zusammengeschaltet sollen mehrere dieser alkalischen Aggregate bis zu 1.200 Nm3/h (5 MW) erbringen können. Der Geschäftsführer Niels-Arne Baden berichtete HZwei: „Ein wesentlicher und sehr wichtiger Teil des neuen Designs war die Entwicklung von hocheffizienten, aktivierten Elektroden mit sehr hoher Stromdichte und langer Haltbarkeit. Bei den beschleunigten Spannungs- und Lebensdauerversuchen an den Elektroden stellte Siemens auch nach 10.000 Stunden keine Degradation unter Elektronenmikroskop fest.“ Weiter sagte er: „HyProvide wird ab Anfang 2018 kommerziell erhältlich sein.“
Areva H2Gen präsentierte auf seinem Messestand ein 60-MW-Konzept, das auf einem 10-MW-Modul mit einem 2-MW-Stack basiert. Mit diesen Leistungsdaten belegte das Unternehmen, dessen Systeme aus dem Werk des französischen Mutterkonzerns nahe Paris kommen, dass es vorrangig an großen Systemen mit viel H2-Umsatz – insbesondere an Standorten mit Bustankstellen – interessiert ist.
Giner entwickelt sich währenddessen zunehmend vom reinen Stack-Hersteller zum Systemintegrator. Anlässlich der Hannover Messe verkündete die Giner Inc. im April 2017 die Ausgründung von Giner ELX, einem Spin-off, das sich auf große Wasserstoffgeneratoren (5-MW-Module) für erneuerbare Energiespeicherung und andere industrielle Anwendungen spezialisiert hat. Bislang kommen Giner-Stacks unter anderem bei Projekten in den USA, in Indien, Spanien und Frankreich sowie bei Audi in Deutschland zum Einsatz.
Geschäftsführer Andy Belt erklärte: „Die Entstehung von Giner ELX baut auf Giners erfolgreichem kommerziellen PEM-Elektrolyse-Geschäft auf. Wir konzentrieren jetzt das ELX-Team auf die Entwicklung der kostengünstigsten und leistungsstärksten Energiespeicherlösungen auf dem Markt.“ In diesem Zusammenhang kündigte Hector Maza, Vice President Business Development, in Hannover an, Giner werde Wasserstoff für einen Preis von 4 US-$ pro Kilogramm bis zum Jahr 2020 anbieten können. Eine entsprechende Vereinbarung mit dem DOE liege bereits vor. Zudem erklärte Maza, der auf seinem Stand den Prototyp eines 5-MW-PEM-Elektrolyse-Stacks präsentierte, sein Unternehmen habe bereits Drücke von 350 bar direkt im Elektrolyseur realisiert und strebe eine weitere Komprimierung bis auf 900 bar an.
Darüber hinaus vermeldete Giner ELX, dass H2B2 Electrolysis Technologies SL eine strategische Investition vorgenommen habe. H2B2 ist ein spanischer Systemanbieter von PEM-Elektrolyseuren, der sich mit dem spanischen Wasserstoffverband in Hannover einen Stand teilte. Javier Brey, Geschäftsführer von H2B2 und Vorsitzender der Asociación Española del Hidrógeno (AeH2), sagte zu der Kooperation: „Nach unserer direkten Erfahrung ist die PEM-Elektrolyse-Technologie von Giner ELX die fortschrittlichste in der Welt.“
ITM drängt auf den Kontinent
Auch ITM Power, das sich in den vergangenen Jahren zumindest in Großbritannien als aufstrebendes Energieversorgungsunternehmen und Elektrolyseurhersteller etabliert hat, peilt eine ähnliche Leistungsklasse an. Zudem versucht das Unternehmen aus Sheffield seit Jahren auf dem europäischen Kontinent Fuß zu fassen, fühlt sich aber immer wieder von bürokratischen Hürden ausgebremst. Phil Doran bemühte sich jahrelang für die in Hessen gegründete ITM Power GmbH, Projekte für die britische Mutterfirma an Land zu ziehen, aber außer einer 360-kW-Power-to-Gas-Anlage bei der Thüga in Frankfurt am Main ist bislang nicht viel passiert. Seit Herbst 2016 führt Calum McConnell diese Bestrebungen weiter, aber H2 Mobility machte bereits deutlich, dass es beim Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland keinerlei Anlagen mit Elektrolyseuren berücksichtigen, sondern vorrangig auf die Systeme der eigenen Stakeholder Air Liquide und Linde zugreifen wird.
Auf der Messe präsentierten die Engländer zwei komplette Container voll mit Elektrolyseurtechnik auf ihrem Stand. Mit diesen Produkten reagiert ITM Power nach Aussage von Geschäftsführer Dr. Graham Cooley „auf eine drastisch gestiegene Anzahl von Anfragen“ aus der Industrie, die große H2-Anlagen für Bus- und Lkw-Tankstellen (1 bis 10 MW) sowie für PtG-Projekte, Raffinerien und Stahlbau (10 bis 100 MW) benötigt. Auch der Projektpartner Shell Hydrogen, der in Hannover gemeinsam mit BMW einen Stand belegte, präsentierte eines der Vorhaben, bei denen ITM Power involviert ist. Und zwar errichteten beide Unternehmen zusammen eine H2-Station direkt an der Autobahn in Cobham südwestlich von London, an der vor Ort per Elektrolyse hergestellter grüner Wasserstoff bereitgestellt wird. An dieser ersten von Shell in Großbritannien errichten Wasserstofftankstelle könnten über 100 BZ-Fahrzeuge täglich befüllt werden (wenn es dort so viele gäbe, s. ITM Power: Neu an Bord).
Nel Hydrogen, das in Hannover seinen 90. Geburtstag feierte, und Proton OnSite hatten zwei getrennte Stände, obwohl die Norweger Anfang dieses Jahres das US-Unternehmen aufgekauft haben (Elektrolyseur-Hersteller bringen sich in Stellung). Nel berichtete über die geplante 400-MW-Anlage, die die Norweger derzeit gemeinsam mit einem Industriekunden konzipieren. Im Rahmen eines derart großen Vorhabens sänken die Investitionskosten bis auf 450 US-Dollar pro Kilowatt, so Nel.
Hansjörg Vock vom schweizerischen Proton-Tochterunternehmen Diamond Lite berichtete demgegenüber, dass die bisherige europäische Schwesterfirma, die in Schleswig-Holstein angesiedelte BeBa H2 Speichersysteme GmbH, mittlerweile aufgelöst wurde. 2013 war diese Gesellschaft innerhalb der BeBa Energie GmbH & Co. KG eingegliedert worden, ursprünglich um als norddeutscher Stützpunkt fungieren zu können.
Kanadier zeigen 3-MW-Stack
Hydrogenics präsentierte am zweiten Veranstaltungstag erstmals seinen neuen, in Kanada entwickelten 3-MW-PEM-Stack Hylyzer 600. Dieser Block stellt die nächste Entwicklungsgeneration dar, die auf das vor einigen Jahren vorgestellte 1,5-MW-Modul folgt. Dr. Bernd Pitschak, Geschäftsführer der Hydrogenics GmbH, betonte in seiner kurzen Rede, dass dieses Aggregat deutlich kompakter sei (620 Nm3/h bei über 30 bar), was für größere Anlagen durchaus ein wichtiges Kriterium darstellt. Er erklärte, der Fußabdruck (Footprint: 55 cm x 88 cm x 115 cm) sei generell „wirklich ein Problem“, da größere Anlagen meist auch mit höheren Kosten verbunden seien. So konnten beispielsweise Busunternehmen in Kalifornien bislang nur ein, zwei oder drei Fahrzeuge betanken. Mit dem neuen Stack sei nun an gleicher Stelle auch die Versorgung von 20 bis 30 Bussen oder 280 Pkw am Tag realisierbar.
McPhy Web

Neu entwickelte SimpleFuel-Anlage von McPhy


McPhy zeigte All-in-One-Lösung
McPhy präsentierte ebenfalls etwas Neues, und zwar eine komplette Betankungseinheit: SimpleFuelTM. Die Anlage, die über einen integrierten Elektrolyseur nebst Pufferspeicher verfügt und sowohl mit 350 als auch mit 700 bar betanken kann, wurde in den USA gemeinsam mit den Partnern Ivys Energy Solutions und PDC Machines zunächst für den dortigen Markt entwickelt und wird derzeit an europäische Standards adaptiert. Sie ist mit einer Fördermenge von 5 bis 10 kg pro Tag nicht unbedingt für die Schnellbetankung konzipiert, sondern nach Herstelleraussage eher als „kostengünstige Einstiegsvariante“ gedacht, die „nur einen Wasser- und einen Stromanschluss“ benötigt. Sie gilt als „All-in-One-System“, das von der H2-Erzeugung (Reinheit: 99,999 %) über die Kompression auch die Zwischenspeicherung sowie die Wiederabgabe in einem Gerät vereint.
Gefertigt wird sie im McPhy-Werk in San Miniato in Italien und soll Ende des Jahres lieferbar sein. Die preisliche Größenordnung wird dann im niedrigen sechsstelligen Bereich liegen. Pascal Mauberger, Geschäftsführer von McPhy, bezeichnete das Gerät als „einfach zu installieren, alles-in-einem und benutzerfreundlich, das den Aufbau der H2-Infrastrukturen beschleunigen wird“. Gleichzeitig betonte Tristan Kretschmer von McPhy Energy Deutschland gegenüber HZwei, dass mit diesem Aggregat „keine Konkurrenz“ aufgebaut werden soll, sondern dass es ergänzend zu fest installierten Stationen gedacht sei, um durch die flexible Einsatzmöglichkeit „der Marktbeschleunigung zu dienen und die Individualmobilität zu fördern“.

2 Kommentare

    • Reiner Kraa

      In Europa arbeiten die Profiteure von “fossil und atomar” intensiv daran, dass hier möglichst kein Markt entsteht, bzw. die Entstehung eines Marktes so intensiv wie möglich behindert wird. Nicht umsonst ist Gerhard Schröder in Russland jüngst zu höchsten Ehren gekommen. Er soll in Westeuropa die fossilen russischen Fäden spinnen. Aber auch SPD auch CDU sind i. A. der “Nichterneuerbaren” unterwegs. Siehe z. B. Hannelore Kohle-Kraft aus NRW. So sieht es leider aus. Die Frage ist, wie lange sich die Deutschen das gefallen lassen.

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