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Beitrag von Sven Geitmann

13. Februar 2017

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WES: Wir brauchen den Markt

Hermann

Landesverkehrsminister W. Hermann


Vom 10. bis 12. Oktober 2016 hat auf dem Stuttgarter Messegelände die 16. World of Energy Solutions stattgefunden – eine gute Nachricht, denn sowohl die Landesmesse Stuttgart als auch die e-mobil BW hatten sich im Vorfeld nicht beziehungsweise nicht sonderlich stark für eine Durchführung in 2016 ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund sind die Rückgänge bei den Aussteller- und Kongressteilnehmerzahlen zweitrangig und verschmerzbar. Dementsprechend hob sich – nach anfänglich etlichen langen Gesichtern – am zweiten Veranstaltungstag dank zunehmender Resonanz dann doch die Stimmung.
Großartige Produktpräsentationen stehen bei der WES traditionsgemäß nicht so sehr im Mittelpunkt. Wichtiger sind in Stuttgart die Gespräche mit Fachleuten und Kollegen in den Konferenzpausen – wahlweise an den Messeständen, in den Gängen des Ausstellungsbereichs oder am Tresen der Kaffeebar. Hier war gerade in diesem Jahr immer wieder zu hören, dass man es bedauere, wenn weniger Teilnehmer ins Internationale Congresscenter Stuttgart kämen. Gleichzeitig waren sich jedoch fast alle darüber einig, dass schon ein oder zwei Fachgespräche den teils erheblichen Aufwand der Anreise beziehungsweise des Messestandbaus rechtfertigen können.
Auch die zentrale Bedeutung eines internationalen Brennstoffzellenkongresses in Deutschland stellte niemand ernsthaft infrage. Ganz im Gegenteil: Als Branchentreffpunkt hat die f-cell jeden Herbst in Stuttgart eine derart lange Tradition, dass sie kaum einer missen möchte. Nicht ohne Grund gab es auch in diesem Jahr wieder über 125 Vorträge.
Warnung vor „overpromising“
Ein ganz zentrales Thema während der WES war die kurz vor der Veranstaltung auf politischer Ebene verlautbarte Idee, ab dem Jahr 2030 keine Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen. Darauf ging auch Winfried Hermann, Landesminister für Verkehr und Infrastruktur in Baden-Württemberg, während der Pressekonferenz ein, indem er sagte: „Ich nehme das als Weckruf, dass wir jetzt mehr tun müssen.“ Gleichzeitig gestand er jedoch ein, dass sich sein Bundesland bei dem entsprechenden Votum im Bundesrat der Stimme enthalten hatte. Er verwies darauf, dass auch Verbrenner mit biogenen Kraftstoffen oder regenerativ erzeugtem Methan Zukunftspotential aufweisen würden, erklärte aber ebenso, dass auf der WES „die Technologien von heute für morgen“ vorgestellt würden.
Auch Franz Untersteller, Landesminister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, beteuerte in seiner Begrüßungsrede zum Kongressauftakt: „Wir haben bei der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie einen klaren Vorsprung und müssen den nutzen.“ Demgegenüber mahnte e-mobil-BW-Geschäftsführer Franz Loogen, zukünftig achtsamer bei der Kommunikation vorzugehen. Er warnte vor „overpromising“ (zu viel Versprechen), da dadurch zu hohe Erwartungen geweckt würden. So könne seiner Meinung nach von „Marktreife“ wirklich erst dann gesprochen werden, wenn eine nahezu 100%ige Verfügbarkeit sichergestellt sei, ansonsten komme es zu einem Ernüchterungseffekt beim Verbraucher, der sich negativ auf das Image und auch das Kaufverhalten anderer Interessenten auswirke.
„Momentan sind wir nicht auf dem Pfad, das Klima zu retten. Deswegen werbe ich für die Energie- und Verkehrswende. […] Wir können, aber die Frage ist, wie schnell wir es wollen. […] Am Ende entscheiden aber die Bürgerinnen und Bürger als Autokäufer, Verbraucher und Verkehrsteilnehmer über die neuen Angebote.“ Zitat Minister W. Hermann (s. Foto)

Deutsch-amerikanische Zusammenarbeit
Sehr viel optimistischer ging es beim Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) zu. Während der World of Energy Solutions unterzeichnete Dr. Christopher Hebling, Leiter der Wasserstofftechnologien, eine Kooperationsvereinbarung mit dem National Renewable Energy Laboratory (NREL) aus den USA. Inhalt dieser deutsch-amerikanischen Zusammenarbeit ist eine Intensivierung der gemeinsamen Forschungsaktivitäten im H2– und BZ-Sektor, die zu einer merklichen Entwicklungsbeschleunigung insbesondere in den Bereichen Elektrolyse, H2-Infrastruktur, Integration von H2-Systemen in die Energienetze sowie Stack-Entwicklung führen soll.
Ähnlich zuversichtlich zeigte man sich am Stand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, wo Prof. Josef Kallo vom Erstflug seines viersitzigen Passagierflugzeugs mit Brennstoffzellenantrieb HY4 berichtete (s. Beitrag auf S. 34). Auch Norbert Witteczek von der Smart Testsolutions GmbH freute sich, eine Neuentwicklung vorstellen zu können. Der Stuttgarter Messtechnikspezialist zeigte erstmals ein HiL-System (Hardware in the Loop), mit dem sich Steuerungen von Brennstoffzellensystemen virtuell testen lassen, indem seit Neustem neben relevanten Umgebungsparametern auch Einzelzellspannungen eines BZ-Stacks simuliert werden können. Außerdem, so erklärte Witteczek, könnten jetzt im laufenden Test manuelle Eingriffe durch den Bediener in Form von Fehlereinprägungen vorgenommen werden. Der Geschäftsleiter Testsysteme von Smart sagte, dass dies ein wichtiger Schritt sei, da „die Automatisierung von Fehlereinprägungen für unterschiedliche Testszenarien vergleichsweise aufwändig ist“.
f-cell award
Neu und bemerkenswert bei der diesjährigen Verleihung des f-cell awards war der hohe Anteil ausländischer Bewerbungen: die Hälfte der 24 Einreichungen kam nicht aus Deutschland. Nicht verwunderlich also, dass mit Solaris Bus & Coach S.A. ein polnisches Unternehmen den ersten Preis in der Kategorie products & market erhielt. Ausgezeichnet wurde der erste in Europa gebaute elektrische Niederflur-Gelenkbus Urbino 18.75 electric, der über eine Brennstoffzelle (101 kW; Hersteller: Ballard) als Range Extender verfügt. Zwei Exemplare sind bereits seit Dezember 2014 auf der Innovationslinie 109 der Hamburger Hochbahn im Einsatz (s. HZwei-Heft Jan. 2015). Während der IAA 2016 für Nutzfahrzeuge in Hannover wurde dieses Modell zudem zum Bus of the Year 2017 gekürt. Im Oktober 2016 unterzeichnete Solaris darüber hinaus einen Vertrag, der die Lieferung von zehn niederflurigen Trollino-18,75-Oberleitungsbussen, die mit einer Brennstoffzelle als Range Extender ausgestattet werden, vorsieht.
Jurymitglied Matthias Altmann erklärte: „Die Elektrifizierung der Fuhrparke der großen städtischen Verkehrsbetriebe wird im Moment noch gebremst durch die wenigen kommerziell zur Verfügung stehenden Null-Emissions-Modelle von Stadtbussen. Hamburg und Berlin wollen ab 2020 gemeinsam pro Jahr bis zu 200 emissionsfreie Busse beschaffen – hier bieten sich für alle Hersteller große Chancen.“
Der erste Platz in der Kategorie research & development ging indes ans Forschungszentrum Jülich. Im Rahmen des Projekts PRECORS wurden dort die Grundlagen dafür gelegt, das Volumen von Brennstoffzellen um 60 % und das Gewicht um bis zu 80 % zu reduzieren. Vitali Weißbecker, einer der Preisträger, erklärte diesem Magazin: „Wir arbeiten in einem sechsköpfigen Team am Institut für Energie- und Klimaforschung (IEK-3) an einem neuartigen Beschichtungskonzept für metallische Bipolarplatten für NT-PEFCs. Dabei geht es um eine modifizierte Kohlenstoffschutzschicht und ein vakuumfreies und skalierbares Aufbringungsverfahren.“ In der ersten Jahreshälfte 2017 wollen Klaus Wedlich und Vitali Weißbecker ein eigenes Unternehmen als Spin-off des FZ Jülich gründen, um diese Idee weiter verfolgen zu können. Entsprechende Gespräche mit potentiellen Partnern und Investoren finden bereits statt.
EVS30
Die nächste World of Energy Solutions findet gemeinsam mit dem 30. International Electric Vehicle Symposium (EVS30) vom 9. bis 11. Oktober 2017 in Stuttgart statt. Der Call-for-Papers für die EVS30 wurde bereits gestartet und läuft noch bis zum 20. Januar 2017.
www.evs30.org

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