Hzwei Blogbeitrag

14. Juni 2016

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TU Berlin erforscht nasse Verbrennung

Prof. Paschereit, © TU Berlin

Prof. Paschereit, © TU Berlin


Blue Step heißt die Hoffnung für künftige Kraftwerke. Ein Prototyp an der Technischen Universität Berlin verbrennt Wasserstoff und Sauerstoff mit Hilfe von nasser Luft oder, anders ausgedrückt, von heißem Dampf. Schon das Vorgängerprojekt Greenest, bei dem es ebenfalls um die Weiterentwicklung emissionsarmer Kraftwerke ging, düste Wasserdampf in die Brennkammer einer Gasturbine ein. Eine derartige „nasse Verbrennung“ vermag den Wirkungsgrad von Gasturbinen um bis zu 15 Prozentpunkte zu erhöhen. Zudem werden die Emissionen des Kraftwerks durch den Einsatz erneuerbaren Wasserstoffs stark gesenkt.
Panagiotis Stathopoulos arbeitet an der Zukunft der Gasturbine. Er leitet die Projekte Blue Step und Greenest am Lehrstuhl für Strömungsmechanik der TU Berlin. Eine sehr schmale, steile Treppe führt in den dritten Stock. Oben in seinem Büro angekommen, belohnt einen die wärmende Sonne, die durch die großen Fenster scheint. Hier tüftelt Stathopoulos an dem Prozess, der es möglich macht, überschüssigen und als Wasserstoff gespeicherten Ökostrom in einer Gasturbine oder einem Dampfkraftwerk zu verwerten, wobei kaum Spuren, kaum Emissionen hinterlassen werden. So erklärt sich auch der Name des Projekts: Blue Step steht für „Blue Combustion for the Storage of Green Electrical Power“.
„Die Wasserstoffflamme ist theoretisch unsichtbar“, erklärt Stathopoulos bei einem Rundgang durch die Labore. Der gebürtige Athener arbeitet seit zwei Jahren in Berlin und promovierte zuvor an der ETH Zürich. Das erklärt seinen leichten Schweizer Dialekt. In der Praxis kommen neben Wasserstoff aber meist noch andere Gase mit vor, so dass die Flamme eben doch zu erkennen sei, führt er weiter aus. Und gerade an der genauen Zusammensetzung des Gasgemischs arbeitet er mit anderen Forschern.
Neue Blue-Step-Technologie
Die Verbrennung von Wasserstoff mit Sauerstoff ist noch immer eine technische Herausforderung. Grund sind die auftretenden Extremtemperaturen, die von keinem bislang verfügbaren Material toleriert werden. Der neue Ansatz sieht eine erhebliche Verdünnung des Gemisches mit Wasserdampf vor. Dieser steht als Nebenprodukt der Verbrennung, als Turbinenabgas, ohnehin in jedem Dampfkraftwerk zur Verfügung. Er soll nun in den Dampfkreislauf des Kraftwerkes rückgeführt werden, um dessen Leistung zu erhöhen. Stathopoulos und seine Wissenschaftskollegen untersuchen hierfür unterschiedliche Strategien und Zufuhrmengen.
In einer herkömmlichen Dampfturbine herrschen 600 °C. Ohne den hinzugefügten Wasserdampf erhöht sich die Verbrennungstemperatur auf bis zu rund 3.500 °C. Die Forscher wissen, gemäß dem Carnot-Wirkungsgrad liefert eine höhere Temperatur höhere Effizienz. Für die verwendeten Materialien und Metalle bedeutet dies aber eine stärkere Beanspruchung. Zumal in einem Kraftwerk 300 bar herrschen. „Bei Blue Step arbeiten wir hingegen nur mit Temperaturen von 500 bis 700 °C und einem Druck von 10 bar“, berichtet Stathopoulos.
Um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen, müssen Gasturbinen jedoch endlich für die Verbrennung von Biogas oder Wasserstoff fit werden. Die neue Blue-Step-Technologie lässt den Wirkungsgrad einer Gasturbine mit 50 MW elektrischer Leistung um rund zehn Prozentpunkte auf 45 bis 50 Prozent klettern. Diese Steigerung ist für die Betreiber von Gasturbinen relevant und bedeutet bares Geld, zumal auch laufende Turbinen nachgerüstet und noch effizienter betrieben werden könnten.
Der Markt für Gaskraftwerke ist allerdings derzeit schwierig. Neue Anlagen kommen aufgrund ihrer vergleichsweise hohen Kosten nicht auf ausreichend Betriebsstunden, um sich zu refinanzieren. In so einer Situation meiden die Versorger Investitionen in ihre Anlagen, obwohl die flexiblen Kraftwerke für den Erfolg der Energiewende sinnvoll wären.
Theoretisch bewiesen und ausgezeichnet
Das Thema hat bereits eine kleine Erfolgsgeschichte an der TU Berlin. In einer Diplomarbeit von 2008 wurde das nun erprobte Vorgehen bereits theoretisch bewiesen. Zudem war früh auch das Interesse der Industrie geweckt. So erhielt die Abschlussarbeit unter anderem den Zukunftspreis von RWE. Später wiesen die Forscher in Versuchen nach, dass Wasserdampf dem Verbrennungsprozess zugefügt werden kann, ohne dass die Flamme erlischt. Die Emissionen verringerten sich deutlich. Diese Erkenntnisse markierten einen Meilenstein für die Nutzung von Gasturbinen. Denn bis heute suchen Kraftwerksbauer nach einer effizienten und wirtschaftlichen Methode, entstehende CO2-Emissionen aus Kohlekraftwerken zu reduzieren oder abzufangen. Zwei der großen Energiekonzerne, Vattenfall und RWE, setzten bis Mitte 2014 hauptsächlich auf CCS-Technik, bei der Kohlendioxid aufwendig abgeschieden, verflüssigt, zusammengepresst und gespeichert wird, bevor sie aufgrund mangelnder Akzeptanz aus der Technologie ausstiegen. (Nun sind neue Optionen gefragt.)
Nur ein Jahr später zeichnete der Europäische Forschungsrat ERC das mittlerweile zum Projekt avancierte Greenest mit dem ERC Advanced Grant 2009 aus, einem renommierten Titel, den nur rund neun Prozent der eingereichten Anträge erhalten. Der Lehrstuhl von Prof. Christian Oliver Paschereit erhielt dadurch 3,2 Mio. Euro. Mit diesen Forschungsmitteln baute die Arbeitsgruppe um den Professor innerhalb von sechs Jahren den Prototyp für eine neuartige Gasturbinenbrennkammer. Im Sommer 2016 wird das Projekt offiziell enden.
Die technischen Fronten, an denen Forscher weltweit arbeiten, um Gasturbinen effizienter zu machen, reichen von komplexen Kühlsystemen bis zur Materialforschung. Zudem vermögen herkömmliche Turbinen am Markt nicht, wasserstoffreiche Brennstoffe aus Biomasse oder Kohlevergasung sauber zu verbrennen. Nach wie vor belasten die hohen Stickoxidemissionen die Umweltbilanz. Die TU-Forscher wollten das ändern:
Mehr Dampf im Prozess
Greenest bedeutet „Gas Turbine Combustion with Reduced Emissions Employing Extreme Steam Injection“. Der Name beschreibt die effektive, schadstoffarme Eindüsung von Wasserdampf in den Verbrennungsprozess. Diese Methode ist zwar bekannt, allerdings wurde sie bislang kaum genutzt, weil die Flamme trotz des zusätzlichen Wasserstoffes nicht ausgehen darf. „Gemessen an der Luftmasse in Gasturbinen ist deshalb eine Dampfrate von nicht mehr als zehn Prozent üblich“, erläutert Stathopoulos.
Die neue TU-Technologie umgeht nun einige Probleme herkömmlicher Gasturbinen: Im Prozess der so genannten „ultranassen Verbrennung“ bei Greenest sind höhere Dampfraten möglich. Aufgrund der hohen Wärmekapazität des Dampfes kann die Effizienz der Gasturbine gesteigert werden, ohne dass die Verbrennungstemperatur erhöht werden muss. Zusätzlich eignet sich der Dampf für die Kühlung der Turbine.
Um die Dampfrate in dieser Weise zu steigern, musste bisher ein deutlich größerer und komplexerer Dampfkreislauf gebaut werden, so wie er in Gas- und Dampfkraftwerken zu finden ist. „Bei der ultranassen Verbrennung sind diese beiden Prozesse in einer Maschine integriert, die einfacher zu bauen und zu betreiben ist“, frohlockt der Forscher. So wird die Effizienz der Turbine um bis zu 15 Prozent erhöht und der Ressourcenverbrauch stark reduziert. Darüber hinaus hat der Wasserdampf einen erfreulichen Effekt: Er unterdrückt die Bildung von Stickoxidemissionen.
Konventionelle Gasturbinen verwenden nur etwa die Hälfte der komprimierten Luft für die Verbrennung, da andernfalls die Emissionen zu stark steigen würden. In der neuen, an der TU entwickelten Gasturbine wird hingegen fast die gesamte Luft genutzt. Das erhöht nicht nur ihren Wirkungsgrad, sondern erleichtert auch die Abscheidung des Treibhausgases CO2. Die Tests am Institut haben erstmals auch praktisch nachgewiesen, dass eine Flamme im Verbrennungsprozess stabil brennt.
Kombination mit Elektrolyse-Wasserstoff
Blue Step geht sogar noch einen Schritt weiter: Die TU-Forscher demonstrieren die nasse Verbrennung von Greenest nun auch für die Speicherung von regenerativ hergestelltem Strom. Überschüssiger Strom spaltet Wasser via Elektrolyse in Sauer- und Wasserstoff. Das H2-Gas könnte wiederum in der Turbine unter Zugabe von Wasserdampf effizient verbrennen. Die Europäische Union fördert das marktnahe ERC-Projekt mit seinem Programm Proof of Concept. Seit März 2015 läuft die 18-monatige Testphase, dafür fließen zusätzlich 150.000 Euro an die TU.
Trotz der kontinuierlichen Erfolge wartet auf das Forscherteam weitere Arbeit: Zum einen gebe es relativ strenge Reinheitsgebote für den Dampf eines Dampfkraftwerkes. „Es dürfen fast keine Restgase verbleiben, damit die Materialien der Dampfturbine und des Kondensators nicht angegriffen werden“, sagt Stathopoulos. Zudem könne das Gas, anders als beim typischen Gasbrenner, nicht vollständig verbrennen. Das Ziel: „Bis zum Ende des Projekts soll das richtige Verhältnis für die Eindüsung von Wasser- und Sauerstoff stehen.“
Was allerdings auf Blue Step folgt oder im Anschluss kommt, steht noch nicht fest. Aber Pläne gebe es schon, so Stathopoulos. Ziel sei es, mit einem Partnerunternehmen oder auch allein ein kleines Kraftwerksmodell aufzubauen. Aufgrund ihrer schnellen Zündung können Gaskraftwerke nämlich problemlos die Anforderungen für die Primärregelenergie erfüllen. Aus dem bisherigen Modell könnte so ein wichtiger Prototyp werden.
Energielabor der TU Berlin
Das Laborgebäude am Fachbereich Experimentelle Strömungsmechanik wurde im Spätherbst 2013 eröffnet. Der graue Massivbau wurde auf fünf entkoppelten Fundamenten errichtet, um die Übertragung von Schwingungen zu dämpfen. Auf einer Fläche von insgesamt 125 m² sind vier Labore untergebracht, in denen sich vier Verbrennungsprüfstände befinden. Für die Automatisierung der Prüfstandstechnik wurden allein knapp zehn Kilometer Mess- und Steuerleitungen verbaut, die in einem Datentechnikraum zusammenfließen.
Innerhalb des Laborgebäudes befinden sich zwei Prüfstände für Thermoakustik. Erforscht werden dort Schwingungen bei Verbrennungen, so genannte thermoakustische Instabilitäten, welche in Gasturbinen zu einer erhöhten Schadstoffemission oder gar zu einer Zerstörung der Brennkammer führen können.
Die Gesamtverbrennungsleistung aller Labore liegt bei rund einem Megawatt. Die durch die Mikrogasturbine erzeugte elektrische Energie wird in das Stromnetz der Universität eingespeist und versorgt Teile des Campus.
Autor: Niels Hendrik Petersen

2 Kommentare

  1. Kay Golze

    Das ist aus meiner Sicht der richtige Weg. Keiner beantwortet bisher die Frage, wie nach der Speicherung großer Mengen an grüner Energie – und der anschließend saisonal verschobenen Nutzung dieser Energie – diese gespeicherte Energie im Industriemaßstab rückgewandelt werden soll. Hier geht es um einen mehrstelligen Megawattbereich. Sollten Brennstoffzellen zukünftig diese Arbeit übernehmen können, wären Wirkungsgrade um die 50% bereits ein Spitzenwert. Mit der hier vorgestellten Lösung könnten Wirkungsgrade weit oberhalb dieser Marke erreichbar werden. Das Institute leistet aus meiner Sicht exzellente Pionierarbeit. Weiter so…

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  2. Bruno Tremel

    Ihren Fahrbericht mit einem Tesla Model S habe ich gelesen. Die Erfahrungen die Sie gemacht haben kann ich voll bestätigen.
    Tesla wird die Auto-Welt verändern, ob die deutschen Auto-Hersteller wollen oder nicht !
    Bei Appl war es so ähnlich !

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