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Beitrag von Sven Geitmann

20. April 2016

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Abschlusskonferenz Schaufenster: Einmal elektrisch – immer elektrisch

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Hendricks forderte Kaufanreize, blieb aber unverbindlich


Seit vier Jahren laufen die vier Schaufenster Elektromobilität. 2012 bildeten sie quasi die Fortsetzung der acht Modellregionen Elektromobilität, in denen zuvor elektrische Antriebe erforscht und entwickelt worden waren. Bevor diese Demonstrations- und Marktvorbereitungsphase aber nun Ende 2016 endgültig auslaufen wird, fand am 14. und 15. April 2016 in Leipzig die offizielle Abschlusskonferenz statt. Gemeinsam zogen dort die vier Bundesministerien, die vier regionalen Leitstellen sowie die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) ihr Resümee.
Es begann damals im Jahr 2011 mit einem Aufruf, dass sich einzelne Regionen dafür bewerben konnten, in Deutschland Schaufenster Elektromobilität und damit staatlich gefördertes Testfeld für Elektroautos zu werden. Nachdem zuvor in acht Modellregionen über vier Jahre lang erste Erfahrungen mit diesem Thema gesammelt worden waren, war das Interesse weiterer Städte und Gemeindeverbünde groß, ebenfalls an diesem Zukunftsprojekt mitzuwirken, so dass insgesamt 23 Bewerbungen eingingen.
Nachdem es zunächst geheißen hatte, die 13-köpfige Jury würde fünf Schaufenster auswählen, waren es allerdings schließlich nur vier, weil die Einnahmen der Bundesregierung aus dem Energie- und Klimafonds geringer waren und somit weniger Geld zur Verfügung stand als ursprünglich angenommen.
Insgesamt war damals mit 230 Einzelprojekten gerechnet worden. Tatsächlich herausgekommen sind 145 separate Vorhaben, in denen 500 Partner mit den eingeplanten 180 Mio. Euro von vier Bundesministerien gefördert wurden und 3.600 Elektrofahrzeuge zum Einsatz brachten. Zusammen mit weiteren Geldern aus den beteiligten Bundesländern sowie anderen Investitionen flossen insgesamt über 400 Mio. Euro in die Schaufenster.
Vier statt fünf Schaufenster
Metropolregion Hannover, Braunschweig, Göttingen, Wolfsburg – Unsere Pferdestärken werden elektrisch
Hauptstadtregion Berlin/Brandenburg – Internationales Schaufenster der Elektromobilität
Bayern/Sachsen – Elektromobilität verbindet
Baden-Württemberg – Living Lab BW E-Mobil
Um trotz der Vielzahl an Einzelmaßnahmen einen möglichst umfassenden Überblick über all die verschiedenen Projekte zu ermöglichen und auch E-Mobile erproben zu können, trafen sich zahlreiche Akteure und Interessenten Mitte April auf dem Leipziger Messegelände. Eigentlich sollte dort zeitgleich die Auto Mobil International (AMI) stattfinden, so dass die Abschlusskonferenz eingebettet gewesen wäre in ein großes thematisch passendes Umfeld. Aber da im Vorfeld mehr als ein Dutzend große Automobilhersteller die AMI-Teilnahme zurückgezogen hatten, entschied sich die Messeleitung für die Absage.
Umso bemerkenswerter war, dass trotzdem rund 800 Teilnehmer zur Schaufenster-Konferenz erschienen – deutlich mehr als ursprünglich erwartet.
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Bomba: Tesla zeigt, wie es geht


Positive Bilanz
Zum Auftakt verwies Bundesumweltministerin Barbara Hendricks zunächst auf die Klimakonferenz COP 21 sowie den deutschen Klimaschutzplan 2050 und stellte fest, dass die Entwicklung im Verkehrsbereich derzeit stagniert: Vorhandene Energieeinsparungen werden von mehr Autos beziehungsweise von mehr Fahrkilometern aufgefressen. Deswegen erklärte sie: „Nach der Energiewende brauchen wir jetzt eine Verkehrswende. Wir müssen Verkehr vermeiden, verlagern und effizienter gestalten.“
Am Potential der Elektromobilität ließ sie indes keinerlei Zweifel erkennen: „Die Zukunft wird elektrisch sein. […] Elektromobilität ist schon heute alltagstauglich und in vielen Bereichen auch wirtschaftlich.“ Ihre Äußerung „Die Schaufenster sind hell erleuchtet“ führte allerdings zu einigen Schmunzlern im Raum, da zur Projekthalbzeit noch bemängelt worden war, dass in den Schaufenstern viel zu wenig zu sehen gewesen sei. Über das erklärte Ziel der Bundesregierung, 1 Mio. Elektrofahrzeuge bis zum Jahr 2020 auf die Straße zu bringen, sagte die Ministerin, dass ab jetzt jedes fünfte neu zugelassene Fahrzeug ein E-Auto sein müsste, damit das erreicht würde, was rechnerisch durchaus möglich sei. Ob dies allerdings auch realistisch ist, ließ sie offen.
Ihr ebenfalls eingeladener Kollege, Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, war indes nicht erschienen. Er wurde vertreten von Staatssekretär Rainer Bomba, der nach eigener Aussage rein elektrisch von Berlin nach Leipzig gekommen war. In seiner gewohnt deutlichen Art räumte er ein, dass es „natürlich erschreckend“ sei, dass derzeit erst 54.000 E-Fahrzeuge (Plug-in-Hybride & rein elektrische) in der Bundesrepublik angemeldet sind. Bomba forderte daher: „Wir müssen die Menschen sensibilisieren und mitnehmen. Der Kunde muss überzeugt werden.“ Er verwies auf Tesla und stellte fest: „Es geht, und es geht auch schnell.“ Einigermaßen versöhnlich lobt er jedoch auch das bislang Erreichte: „Die vier Schaufensterprojekte haben echt gute Arbeit geleistet.“
Kagermann prophezeit Riesen-Run
Prof. Henning Kagermann, der Vorsitzende der NPE, gab anschließend einen kompletten Abriss über die vergangenen Jahre, über die damaligen Ziele sowie das bislang Erreichte. Das primäre Ziel, die Netzwerkbildung, ist seiner Meinung nach gut erreicht worden, ebenso wie die Erstellung einer Roadmap. Einen Haken machte er auch hinter die Marktvorbereitung, die nach NPE-Planung bis 2014 erfolgt ist. Dazu sagte er: „Wir haben die erste Phase gut abgeschlossen.“
Schwieriger sieht es demgegenüber mit dem Markthochlauf aus, der eigentlich bis 2017 stattfinden soll, aber bislang noch nicht so recht in Gang gekommen ist („54.000 – das ist zu wenig“, so Kagermann). Auch hinsichtlich der Standardisierung räumte der NPE-Chef Verzögerungen ein. Speziell beim Thema Einheitsstecker stöhnte er: „Das war ein Akt.“ Gleichzeitig hob er aber hervor, dass es wichtig gewesen sei, dass die Schaufenster hier Druck gemacht hätten. Er bedankte sich zudem ausdrücklich für den stetigen Informationsrückfluss sowie die vielen hilfreichen Rückmeldungen.
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Kagermann: NPE spricht nur Empfehlungen aus


Ebenso wie zuvor Barbara Hendricks zeigte sich der Präsident von acatech optimistisch, dass sich „Elektromobilität bis 2025 durchsetzen wird, weil E-Autos dann billiger sein werden als konventionelle“. Dies sei „so sicher wie das Amen in der Kirche“, so Kagermann. Weiter prophezeite er: „Es wird einen Riesen-Run geben. […] Die Frage ist bloß, welche Rolle Deutschland spielt.“
Im weiteren Verlauf der Konferenz wurde außerdem deutlich, dass die Schaufenster auch mit erheblichen Problemen zu kämpfen hatten. So standen insbesondere in den Anfangsmonaten kaum E-Autos zur Verfügung, weshalb jetzt im Nachhinein darüber spekuliert wurde, ob es besser gewesen wäre, wenn die Vorhaben noch später gestartet worden wären. Auch beim Aufbau der Schnellladesäulen entlang der A9 wurde eingeräumt, dass hier Lehrgeld gezahlt werden musste, da anfangs die Verfügbarkeit und die Verknüpfung nicht wie erhofft funktionierte.
Als positiv darf darüber hinaus bewertet werden, dass zumindest einige der Projektleitstellen erhalten bleiben sollen. Johann Schwenk von Bayern Innovativ erklärte beispielsweise: „Es wäre eine Schande, die Netzwerke nicht mehr zu nutzen.“ Insgesamt waren sich die Teilnehmer dahingehend einig, dass „die Bilanz nicht schlecht ist“ und dass nach wie vor das Motto gilt: „Einmal elektrisch – immer elektrisch“.
Handlungsempfehlungen
Im Anschluss an die politischen Statements überreichte Dr. Bertram Harendt vom Deutschen Dialog Institut insgesamt 22 Handlungsempfehlungen an die Ministeriumsvertreter sowie die NPE. Das Frankfurter Institut hatte im Rahmen umfangreicher Begleit- und Wirkungsforschungsarbeiten die Erkenntnisse und Erfahrungen aus den Schaufenster-Projekten zusammengefasst. In dem Papier werden beispielsweise die Automobilbauer aufgefordert, „wesentlich höhere Reichweiten“ zu ermöglichen. Außerdem wird „eine Erweiterung der Angebotspalette dringend empfohlen“. Infrastrukturseitig werden Förderung und Aufbau öffentlich zugänglicher und barrierefreier Ladesäulen angeraten. Und es wird empfohlen, Elektrofahrzeuge vermehrt in Flottenpools (Fahrschulen, Taxibetrieben, Pflege- und Handwerksbereich) einzubinden.
Kaufanreize – ja oder nein
Ursprünglich sollte schon längst Gewissheit darüber herrschen, wie der Elektromobilitätssektor fortan gefördert werden soll. Im Februar 2016 hatte die Bundesregierung allerdings nochmals um Aufschub gebeten, da sie sich auf Ministerebene nicht einigen konnte. Prof. Kagermann hatte daraufhin gefordert, dass noch im März 2016 eine Entscheidung fallen müsse. Inzwischen heißt es allerdings, Klarheit solle der Autogipfel bei Bundeskanzlerin Angela Merkel am 26. April 2016 bringen. In Leipzig relativierte Kagermann daraufhin seine vorherige Aussage, indem er erklärte, dass er wegen eines einzelnen Monats kein Problem habe. Er stellte jedoch klar: „Wenn keine weitere Förderung kommt, werden wir bei 400.000 bis 450.000 Fahrzeugen landen. Es läuft uns jetzt schlichtweg die Zeit weg.“
Der NPE-Vorsitzende sagte zudem: „Wir werden das Ziel nicht erreichen, wenn wir keine direkten Kaufanreize erhalten.“ Dabei räumte er ein, dass er selbst 2010 eine Kaufprämie noch abgelehnt hatte. Jetzt sieht Kagermann allerdings allein aus Zeitgründen nur noch zwei Möglichkeiten: „Wir tun etwas und justieren dann etwas nach oder wir tun nichts und müssen dann überlegen, wie wir Leitmarkt ohne 1 Mio. E-Fahrzeuge werden.“
Bundesministerin Hendricks erklärte dazu in Leipzig: „Ich setze mich für zeitlich befristete Kaufanreize ein.“ Sie betonte jedoch auch, dass „sich die Automobilbauer beteiligen müssen“. Weiter sagte sie: „Ob das Ziel erreicht wird, ist offen.“

4 Kommentare

  1. Günter B

    Gute Arbeit der Autolobby.
    Für so einen Karren, wie Herr Hedrich es beschrieben hat, gibt es in Zukunft noch 1500 € Zuschuss vom Staat. Und der größte Teil des Fördertopfs geht wohl an Käufer von Hybrid-Fahrzeugen. Ist ja nicht das Geld der Politiker, das verteilt wird.
    Bin jetzt nicht generell gegen einen Kaufanreiz. Aber dann nur für reine Elektro-PKWs. Irgendwie muss man auf höhere Stückzahlen, bis zur Massenfertigung der Akkus kommen, damit sie kostengünstiger werden. Mit nur 1 Cent mehr auf den Spritpreis könnten übrigens auch gut 0,5 Mrd. € im Jahr eingenommen werden. Fahrer von Spritschlucker würden so mehr zahlen.

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  2. Hedrich, Peter

    Der Spruch “einmal elektrisch – immer elektrisch” ist Nonsence.
    Ich fahre jetzt meinen zweiten elektrischen Mercedes. Erst den E300 Hybrid. Das war der absolute Flop mit 20 kW elektrisch. Jetzt den C350e-PLug in-Hybrid. Das ist ein kleiner Fortschritt. Aber warum nur 6,4 kWh? Und warum nur 31 km elektrisch, wenn die in Wirklichkeit nur 15 km sind? Das macht keinen echten Spaß. Es muss noch viel entwickelt werden, wenn die elektrischen Autos wirklich überzeugen sollen!
    Im Moment gehe ich wieder zurück auf meinen alten E200d.
    Gruss
    Peter Hedrich

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    • Hydrogeit

      Sehr geehrter Herr Hedrich,
      damit bestätigen Sie im Prinzip genau das, was zum Ausdruck gebracht werden soll. “Einmal elektrisch – immer elektrisch” bezieht sich nämlich auf “wirkliche” Elektrofahrzeuge und nicht die Hybrid-Notlösungen. Natürlich macht es keinen Spaß, große Limousinen nur wenige Kilometer elektrisch zu fahren. Interessant wird es erst, wenn der Verbrenner komplett außen vor bleibt, wodurch sehr viel weniger Gewicht befördert werden muss und dann natürlich mehr Spritzigkeit möglich ist.
      Vielleicht überdenken Sie ja noch mal Ihren Wechsel und testen einfach mal ein rein batteriebetriebenes Fahrzeug, bevor Sie wieder zum Diesel zurückgehen.
      Und falls Ihnen die Reichweite wichtig ist, dann testen Sie mal einen Tesla – der macht richtig Spaß.

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  3. Arno A. Evers

    Schade um die verloren Zeit, das verlorene Geld und den verloren “Good will”!

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  1. electrive.net » Michael Steiner, Henning Kagermann, Oliver Krischer. - […] Henning Kagermann, Chef der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE), sieht aus Zeitgründen nur noch diese beiden Optionen. Wenn jedoch das…

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