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Beitrag von Sven Geitmann

7. August 2015

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Roland-Berger-Studie fordert Investitionsanreize für Brennstoffzellen-Endkunden

Roland-Berger-Cover„Stationäre Brennstoffzellen stehen in Europa an der Schwelle zur kommerziellen Markteinführung.“ Diese Feststellung aus der Studie von Roland Berger Strategy Consultants verdeutlicht im Umkehrschluss, dass europaweit der Markteintritt von BZ-Heizgeräten immer noch nicht stattgefunden hat. Damit hier aber eine Kommerzialisierung erfolgen kann, ist gemäß der Analyse zum Stand der stationären Brennstoffzellentechnologie in Europa „in der Anfangsphase die Förderung durch die öffentliche Hand notwendig“.
Die Autoren der von der Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking (FCH JU) in Auftrag gegebenen Studie betrachteten verschiedene Arten von stationären Brennstoffzellen in unterschiedlichen Leistungsbereichen sowie Anwendungsgebieten und stellen dazu fest, dass in Europa „einige fertig für die Markteinführung im Großserienmaßstab sind, während sich andere auf Forschung und Entwicklung sowie Demonstrationsprojekte konzentrieren“. Sie stellten Brennstoffzellen zahlreichen anderen Verfahren der dezentralen Energieerzeugung gegenüber und verglichen diese über einen Zeithorizont von 35 Jahren in drei verschiedenen Szenarien (niedriger, moderater und hoher Grad der Dezentralisierung). Der Fokus lag dabei auf den Märkten in Deutschland, Großbritannien, Italien und Polen. Eine zentrale Rolle als Energieträger nahm in der Analyse Erdgas ein, es wurden aber auch Biogas und Wasserstoff berücksichtigt. Des Weiteren wurde ein Fokus auf die in Europa angestrebte Effizienzsteigerung sowie die Emissionsreduzierung gelegt.
Die meisten Aussagen auf den 185 Seiten sind allerdings nicht wirklich neu, wie z. B. „Stationäre Brennstoffzellen können den Energieverbrauch und die Emissionen senken“ oder „Brennstoffzellen können aber nur wettbewerbsfähig werden, wenn die Produktionskosten sinken“ oder „Brennstoffzellen können nicht nur angemessen homogen die Kundenanforderungen an Hausenergieversorgungssysteme erfüllen, auch die Industrie liefert maßgeschneiderte Lösungen in der Größenordnung von mehreren Megawatt für spezielle Industrieanwendungen so wie bei Brauereien oder Abwasseraufbereitungsanlagen.“ Mit zahlreichen Aussagen wie dieser versuchen die Studienautoren sehr ausführlich zu erklären, dass aus ihrer Sicht Brennstoffzellen durchaus über das Potential verfügen, „Europas Übergang in ein neues Energiezeitalter ermöglichen zu können“.
Interessant ist dabei, dass das größte Marktpotential beim Um- und Neubau von Heizsystemen im Hausenergiesektor in Großbritannien liegt. Für 2030 werden für UK etwa 904 MWel im Neubau erwartet, während Deutschland knapp 500 MWel benötigen wird. Bei Gewerbeimmobilien liegt Deutschland auf Platz drei hinter Großbritannien und Italien – sowohl 2012 als auch 2030. Lediglich bei industriellen Anwendungen könnte die Bundesrepublik seine Spitzenposition behaupten. Mit Blick auf den globalen Wettbewerb bei Mikro-KWK-Anlagen und ausgewählte Industrielösungen stellte Studienautor Heiko Ammermann fest: „In Japan, Südkorea und den USA sind solche Systeme schon seit mehreren Jahren im Markt. Die europäische Industrie muss nun aufschließen.“
Wesentliche Aussagen der Studie decken sich weitestgehend mit den Forderungen deutscher und europäischer Brennstoffzellenunternehmen. Neben neuartigen Finanzierungsmodellen wie Contracting-Angeboten werden Marktaktivierungsmaßnahmen gefordert, da „stationäre Brennstoffzellen momentan aus Perspektive der Total-Costs-of-Ownership nicht konkurrenzfähig sind“. Insbesondere die erforderlichen Anfangsinvestitionen (30.000 bis 40.000 Euro pro Mikro-KWK-Einheit) gelte es zu reduzieren (z. B. durch Investitionsanreize für Endkunden), so dass rasch größere Stückzahlen produziert werden, wofür wiederum mehr Automatisierung sowie mehr Standardisierung erforderlich seien.
Teure Erkenntnisse
Während anderswo bereits eine sechsstellige Zahl an Brennstoffzellengeräten verkauft wird, bedarf es hierzulande einer umfassenden neuen und teuren Studie, um feststellen zu können, dass für diese Technologie ein „hohes Marktpotential vorliegt“. FCH-JU-Geschäftsführer Bert De Colvenaer teilte dazu HZwei mit: „Die Studie dauerte ein Jahr (März 2014 bis März 2015), und wir zahlten dafür – einer formalen Ausschreibungsprozedur folgend –1 Mio. Euro.“
Konkret empfehlen die Autoren eine Förderung für die Markteinführung ab 2015 in Höhe von 8.000 bis 12.000 Euro pro kWel für 5.000 bis 10.000 BZ-Heizgeräte. In einer zweiten Industrialisierungsphase sollten von 2017 bis 2020 nochmals 2.000 bis 4.000 Euro pro kWel für weitere 5.000 bis 10.000 Stück investiert werden, was insgesamt einem Fördervolumen von 50 bis 160 Mio. Euro entspräche. Ergänzt durch Fördermaßnahmen für Gewerbeimmobilien (5 bis 22 Mio. Euro) sowie industrielle Anwendungen (15 bis 60 Mio. Euro) käme ein Fördervolumen in Höhe von 70 bis 242 Mio. Euro zusammen.
Bert de Colvenaer, Executive Director des Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking, erklärte: „Stationäre Brennstoffzellen haben in Europa einen entscheidenden Punkt erreicht, so dass nun eine echte Chance zur Kommerzialisierung besteht. Die Industrie sollte jetzt ihre technologischen und wirtschaftlichen Versprechen einlösen – mit anfänglicher Förderung durch die öffentliche Hand.“
Leichte Irritation erzeugte die Feststellung von Heiko Ammermann, Partner von Roland Berger Strategy Consultants („Die Versorgung mit Wasserstoff stellt kein Problem da.“), denn dadurch wird der Eindruck vermittelt, dass BZ-Heizgeräte mittelfristig auf reinen Wasserstoffbetrieb umgerüstet würden, was derzeit jedoch nicht beabsichtigt ist.
Advancing Europe’s energy system: stationary fuel cells in distributed generation, FCH JU, März 2015
An der Studie Advancing Europe’s energy system: stationary fuel cells in distributed generation haben über 30 Akteure aus der Industrie mitgewirkt, die in einer „Studienkoalition“ – wie es im Impressum heißt – Inhalte beigesteuert haben. Anders als bei wissenschaftlichen Studien unabhängiger Autoren handelt es sich folglich bei diesem Papier nicht um eine neutrale Marktanalyse, sondern um eine Darstellung der BZ-Industrie, wie sie die heutige und perspektivisch auch die künftige Situation im Bereich stationärer Brennstoffzellen einschätzt und welche Schritte ihrer Meinung nach wünschenswert wären, um baldmöglichst wirtschaftlich arbeiten zu können.

2 Kommentare

  1. Carl

    Ja, ja, die Roland Bergers, ebenso gerne “Prediger für den freien Markt” wie die Industrielobbyisten wittern Kohle und versuchen zu klappern.
    Nicht wirklich ernst zu nehmen, so eine Studie in Studienkoalition.

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  2. Katrin Meyer

    Ich frage mich was mit dem Wort Markteinführung überhaupt noch gemeint ist? Etwa zu teuer und nicht standardisiert? Dann ist das Produkt doch nicht fertig für die Markteinführung.

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