Hzwei Blogbeitrag

Beitrag von Sven Geitmann

4. Mai 2015

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HZwei-Interview mit Gernot Lobenberg, eMO Berlin

Gernot-Lobenberg-emo

Für Gernot Lobenberg ist „Berlin um eine Attraktion reicher“.

Die Schaufenster Elektromobilität mussten schon einiges an Kritik einstecken: Das dauere viel zu lange, heißt es immer wieder, und richtig was zu sehen gebe es auch nicht. Selbst der ehemalige regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, kritisierte vor zwei Jahren während der Hauptstadtkonferenz, dass sich „der Start etwas verzögert hat – vorsichtig ausgedrückt“. Zeitweise war sogar die Rede davon, dass „nichts so langweilig ist wie ein leeres Schaufenster“. Über den aktuellen Stand in Berlin-Brandenburg und die neuste Entwicklung beim Ausbau der Ladeinfrastruktur in der Hauptstadt sprach HZwei mit Gernot Lobenberg, dem Leiter der Berliner Agentur für Elektromobilität eMO.
HZwei: Sehr geehrter Herr Lobenberg, am 25. März 2015 fand in Berlin die „3. Hauptstadtkonferenz Elektromobilität“ in Berlin statt. In den vergangenen beiden Jahren war das Rote Rathaus bei diesem Event stets gut besucht. Ich erinnere mich aber gut, dass sich insbesondere 2013 etliche Gesprächspartner über die träge Anlaufphase beschwert haben. Läuft denn jetzt alles wie geplant?
Lobenberg: Naja, wissen Sie, mit der Einführung von Innovationen ist das so eine Sache. Viele Menschen sind begeistert von einer neuen Technologie, zumal wenn sie so viele Vorteile verspricht wie die Elektromobilität: Leise, klimafreundlich, mit großem Spaßfaktor. Da geht es natürlich oft nicht schnell genug. Auch ich wünschte mir manchmal, dass es viel schneller vorwärts geht. Gleichzeitig brauchen solche Entwicklungen natürlich Zeit. Zunächst müssen technische Lösungen gefunden werden, dann muss das Machbare um- und das politisch Gewollte durchgesetzt werden. Da sind viele Akteure im Spiel und zahllose Interessen. Dass das nicht ohne Haken und Ösen ablaufen würde, musste jedem vorher klar sein. Und das Ganze unter permanenter Bobachtung der Öffentlichkeit. Andere Technologien, wie zum Beispiel die Wasserstofftechnologie, haben es da einfacher. Das interessiert nur eine eingeschworene Community.
HZwei: Gemäß den neuen Zulassungszahlen wurden im Jahr 2014 in Berlin 237 Elektroautos angemeldet. Im Jahr zuvor waren es noch 338. Wie kommt es, dass die Zahlen rückläufig sind? Ist dies nicht insbesondere für ein Schaufenster Elektromobilität eine ernüchternde oder gar erschreckende Entwicklung?
Lobenberg: Das Schaufenster ist ein Forschung- und Entwicklungsvorhaben, vor allem im Bereich der Anwendung. Das heißt, hier wird erprobt und gezeigt, ob und wie Elektromobilität alltagstauglich ist. Wir bereiten das Thema hier in Berlin also vor, machen Demonstrationsprojekte in allen Bereichen, auch in der Logistik und bei smart grids. Autos in Privatbesitz spielen nur eine Rolle unter vielen. Im Übrigen sind wir kein Autohaus und schon gar kein Hersteller von Elektrofahrzeugen. Für den Verkauf müssen die Hersteller trommeln. Hinzu kommt: In Berlin besitzen im bundesweiten Vergleich nur sehr wenige Menschen ein eigenes Auto, und die Neuzulassungen nehmen insgesamt ab. Gerade hier wird das Motto „teilen statt besitzen“ immer wichtiger.
HZwei: Und wie sieht es mit der induktiven Ladung von Elektrobussen bei der BVG aus? Bombardier berichtete vor zwei Jahren in einem HZwei-Interview (s. April-Heft 2013), dass ihre Primove-Technik auf der Linie 147 eingesetzt würde. Dann war die Linie 192 im Gespräch, mittlerweile ist es die 204. Was gilt jetzt?
Lobenberg: Definitiv steht fest: Es ist die Linie 204 vom Bahnhof Zoologischer Garten zum Südkreuz. Die Linie wird ab Sommer dieses Jahres mit vier Elektrobussen betrieben, und Berlin ist um eine Attraktion reicher. Die induktiven Ladestationen werden an den Endhaltestellen für die notwendige Energie sorgen.
HZwei: Hamburg hat Ende 2014 die „Innovationslinie 109“ gestartet (s. HZwei-Heft Jan. 2015), auf der drei innovative Busantriebskonzepte getestet werden. Warum ist in der Hauptstadt die Umsetzung eines Busprojekts mit nur einem Antriebskonzept so kompliziert?
Lobenberg: Das Ziel in Berlin ist es weniger, unterschiedliche Technologien einzelner Hersteller zu erproben, sondern Erfahrungen beim Regelbetrieb einer vollelektrischen Omnibuslinie zu sammeln, bis hin zu den Werkstattprozessen. Das können Sie sinnvoll nur mit mehreren Fahrzeugen desselben Typs machen. Mit der Linie 204 ist ein guter Kompromiss zwischen den Rahmenbedingungen, die für einen stabilen Linienbetrieb nötig sind, und dem Wunsch nach einer guten innerstädtischen Sichtbarkeit gefunden worden. Das Finden der optimalen Linie hat zwar länger gedauert als geplant, aber dafür verbinden wir auch zwei verkehrliche Hot Spots: den Bahnhof Zoo mit dem Zukunftsbahnhof Südkreuz, bei dem weitere Schaufensterprojekte laufen.
HZwei: Können Sie denn bestätigen, dass hier Anspruch und Realität derzeit noch weit auseinanderklaffen? Cornelia Yzer, die Berliner Senatorin für Wirtschaft, Technologie und Forschung, hat Berlin Ende 2014 als „Hauptstadt der Elektromobilität“ bezeichnet, die „schon heute Vorreiter für eine der zentralen Mobilitätslösungen der Zukunft“ ist. Sind derartige Äußerungen nicht doch etwas übertrieben?
Lobenberg: Wir sehen das Thema Elektromobilität ganzheitlich und nicht nur als einen Austausch des einen durch ein anderes Antriebskonzept. Es geht um mehr als nur um Elektroautos. Die Mobilität der Zukunft ist geprägt durch das Zusammenspiel verschiedenster nachhaltiger Verkehrsmittel, die Integration in die Energiewende und ihre intelligente Verknüpfung. Die Frage wird nicht mehr sein: Welches Fortbewegungsmittel kaufe ich mir und bewege mich fast ausschließlich damit fort, sondern: Wie komme ich am schnellsten, bequemsten und günstigsten mit welchen Verkehrsmitteln von A nach B. Smartphones, Apps und Internetdienste werden dabei immer mehr helfen. Elektromobilität passt hervorragend in diese Art der Fortbewegung.
Und ja, auch bei den konkreten Zahlen stehen wir hervorragend da: 2.000 Elektrofahrzeuge sind in der Hauptstadtregion unterwegs, wir haben eine jetzt schon gut ausgebaute Ladeinfrastruktur, die weiter ausgebaut wird, und eines der besten Nahverkehrssysteme der Welt und vor allem eine Bevölkerung, die für eine multimodale Fortbewegung höchst aufgeschlossen ist.
HZwei: Kommen wir jetzt vielleicht zu den erfreulicheren Projekten: Sie haben die „Initiative Berlin-Brandenburg“, bei der 500 E-Fahrzeuge kostengünstig verleast werden sollen, ins Leben gerufen. Wie läuft dieses Vorhaben an?
Lobenberg: Einige Dutzend Fahrzeuge sind auf Berliner und Brandenburger Straßen aus dem Projekt schon unterwegs. Wir erhalten sehr viele Anfragen, aber bis zur Kaufentscheidung ist es dann noch ein langer Weg mit viel Überzeugungsarbeit. Elektroautos sind nach wie vor auch mit Förderung kein Selbstläufer. Außerdem konkurriert die Förderung mit den zum Teil satten Rabatten bei den Verbrennern und natürlich den derzeitigen Ölpreisen.
HZwei: Im Januar-Heft der HZwei berichteten wir über die beiden Berliner Anbieter ubitricity und ebee, die Laternen zu Ladesäulen umfunktionieren wollen. Wie geht es hier voran?
Lobenberg: Beide Projekte sind angelaufen und einige Laternen sind ausgestattet. An diesen wollen wir lernen, wie Genehmigungsprozesse laufen und wie die Einbindung in Betreibermodelle funktioniert. Ich finde, dass das eine charmante technische Entwicklung ist, die eine, aber nicht die einzige, zukunftsfähige Lösung bietet.
HZwei: Ein zentrales Thema in der Bundeshauptstadt war zuletzt die Ausschreibung der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt für die Erweiterung und den Betrieb der Ladeinfrastruktur. Hier ist am 9. Januar 2015 eine Entscheidung gefallen. Wie lautet diese?
Lobenberg: Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt erteilte den Zuschlag für die Erweiterung und den Betrieb der Ladeinfrastruktur dem niederländisch-deutschen Konsortium Alliander-TheNewMotion-Allego. In der ersten Phase bis Mitte 2016 sollen 400 Wechselstrom-Ladepunkte und 20 Gleichstrom-Schnellladepunkte in Berlin in Betrieb gehen. Insgesamt haben wir dann rund 800 Ladepunkte in der Stadt. In einem zweiten Schritt wird dann geschaut, welcher weitere Bedarf an welchen Stellen und mit welcher Technik nachgewiesen wird und bei Bedarf weiter ausgebaut wird.
HZwei: Was wird sich denn dadurch konkret für die Fahrer von Elektroautos in der Stadt ändern?
Lobenberg: Berlin baut als erste Stadt in Deutschland eine Ladeinfrastruktur mit einheitlicher Benutzeroberfläche auf. Die Benutzeroberfläche umfasst mehrere Elemente wie die anbieterneutrale Information über die verfügbare Ladeinfrastruktur und deren aktuellen Status. Der Zugang zu allen Ladeeinrichtungen wird mit zahlreichen RFID-Ladekarten der Mobilitätsanbieter möglich sein, an allen Ladepunkten ist eine einheitliche Tarifstruktur vorgesehen. Auch die Rollenmodelle sind neu: Neben dem Vertragspartner Alliander-TheNewMotion-Allego sind auch die vertraglichen Grundlagen für weitere Anbieter von Ladekarten geregelt. Und schließlich sind alle derzeit am Markt verfügbaren Ladetechniken vom langsamen Laden mit Wechselstrom bis zum Gleichstrom-Schnellladen eingeschlossen. Wir sind gespannt, ob wir die viel benutzte Metapher vom Henne-Ei-Problem in ein bis zwei Jahren bestätigen können. Die Zahl der Anrufe von Bürgern, die vom Ausbau gelesen haben und nun überlegen, sich ein Elektroauto anzuschaffen, wenn die Ladeinfrastruktur erweitert wird, hat deutlich zugenommen.
… (Das gesamte Interview können Sie nachlesen in der HZwei April-Ausgabe 2015)
HZwei: Herr Lobenberg, herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen.

2 Kommentare

  1. Arno A. Evers

    Darüber hat der Pressesprecher von Lobenberg sicher lange nachgedacht:
    Zitat:
    “….Zunächst müssen technische Lösungen gefunden werden,
    dann muss das Machbare um- und das politisch Gewollte durchgesetzt werden …”
    Zitat-Ende.
    SOLCHE Leute brauchen wir! Davon bitte mehr!

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    • Achim Behrenwaldt

      Solche Leute haben wir genug – leider nur keine, die es dann auch machen !

      Antworten

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