Hzwei Blogbeitrag

Beitrag von Sven Geitmann

13. Mai 2014

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Von A wie Ameisensäure bis U wie Urin

Bio-Zelle-Bielefeld

Bielefelder Bio-Stack (Foto: IGEM)

Die Natur macht es uns vor: In vielen Bereichen, in denen der Mensch nach technischen Lösungen sucht, gibt es Pflanzen oder Tiere, die vergleichbare Herausforderungen bereits auf ganz natürliche Weise gemeistert haben. Diese Erkenntnis gilt auch für den Wasserstoff- und Brennstoffzellensektor: Sowohl bei der Wasserstoffherstellung als auch bei der Stromerzeugung lohnt daher ein Blick in die Flora und Fauna als Inspiration.
Auf der ganzen Welt wird seit Jahren an innovativen Technologien geforscht, die es möglich machen, sowohl die Energiespeicherung als auch die -wandlung nachhaltig und effizient zu gestalten. Eine wesentliche Rolle nehmen hierbei Einzeller ein: Mikroorganismen könnten in Zukunft nicht nur bei einer biologischen Wasserstofferzeugung behilflich sein, sie könnten auch bei einer ökologischen Stromerzeugung mitwirken.
Im Bereich der Wasserstoffherstellung liegt nach wie vor die Hoffnung auf einzelligen Lebewesen. So arbeiten Biologen und Chemiker mittlerweile schon seit Jahren daran, in diesem Bereich Enzyme industriell nutzbar zu machen. In den USA fanden Forscher der Technischen Universität von Virginia Anfang 2013 einen Weg, Wasserstoff mikrobiologisch aus Bioabfällen herzustellen. Gegenüber anderen biologischen Techniken war die Ergiebigkeit dreimal höher. Dafür veränderte Prof. Percival Zhang mit seinem Entwicklerteam Mikroorganismen gentechnisch so, dass sie Appetit auf Xylose bekamen. Normalerweise bevorzugen sie Glukose, eine Zuckerart, die in Lebensmitteln enthalten ist. Xylose, eine Pentose (Zuckermolekül aus fünf Kohlenstoffatomen), ist hingegen in Bioabfällen, Stroh sowie Grünschnitt enthalten und wird daher auch als Holzzucker bezeichnet. Zusätzlich entwickelte Zhang aus 13 katalytisch wirkenden Enzymen ein Gemisch, das die Wasserstoffproduktion dauerhaft hoch hielt, gleichzeitig aber die ungewollte Vermehrung der Mikroorganismen einschränkte. Mit Hilfe dieses Enzymgemisches sind moderate Temperaturen von 50 °C und gleichzeitig eine Ausbeute von über 95 % möglich. Percival Zhang erklärte: „Wir denken, dass diese Entdeckung ein Impulsgeber in der Welt der alternativen Energien ist.“
Kurz darauf glückte auch Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Chemische Energiekonversion (MPI CEC) und der Ruhr-Universität Bochum (RUB, s. auch HZwei-Heft Apr. 2012) ein Durchbruch: Ihnen gelang es im Herbst 2013, durch die Kombination von Biologie und Chemie halbsynthetische Eisen-Eisen-Hydrogenasen herzustellen. Ein einziges dieser Hydrogenase-Enzyme kann in einer Sekunde rund 9.000 H2-Moleküle erzeugen. Die Forscher um MPI-Gruppenleiter Edward J. Reijerse nahmen dafür eine biologische Vorstufe des Enzyms und gaben ein chemisches Imitat seines aktiven Zentrums hinzu, woraufhin nach wenigen Minuten eine starke H2-Bildung einsetzte.
Fortschritte gibt es auch bei der Wasserstoffspeicherung zu verzeichnen: Hier trat Ameisensäure Ende 2013 zum wiederholten Male in den Fokus der Betrachtung. Der Hintergrund ist, dass Ameisensäure relativ viel Wasserstoff aufnehmen und vergleichsweise effizient wieder abgeben kann. Dies funktioniert über das Enzym eines Bakteriums, das gasförmigen Wasserstoff und gasförmiges Kohlendioxid zu flüssiger Ameisensäure umsetzt, wodurch die gravimetrische Energiedichte deutlich höher ist als die von reinem Wasserstoffgas. Der wesentliche Vorteil dabei ist, dass anders als bei bisherigen chemischen Katalysatoren die Reaktionsgeschwindigkeit trotz geringer Drücke und niedriger Temperaturen relativ hoch ist. Diese biologische H2-Herstellungsalternative ermöglicht nun die Reaktion mit hoher Geschwindigkeit unter milden Bedingungen. Kai Schuchmann, Biowissenschaftler an der Frankfurter Goethe-Universität, rechnet vor: „Ein Auto mit Brennstoffzelle benötigt circa 45.000 Liter Wasserstoff für 400 Kilometer. Diese Menge ließe sich in circa 75 l flüssiger Ameisensäure speichern.“ Prof. Volker Müller, Leiter der Abteilung für Molekulare Mikrobiologie, erklärte: „Attraktiv ist das Enzym nicht nur deshalb, weil es sowohl die Speicherung als auch die Freisetzung von Wasserstoff mit hoher Effizienz ermöglicht. Sogar die Verwertung von Kohlenmonoxid ist über einen alternativen Weg möglich.“
In den Niederlanden haben Wissenschaftler eine mikrobielle Brennstoffzelle gebaut, die Pflanzen und Mikroorganismen im Boden zur Stromerzeugung nutzt. Marjolein Helder von der Universität in Wageningen konstruierte eine Versuchsanlage, die mit Pflanzenausscheidungen und Bakterien funktioniert: Dabei gibt eine Pflanze über ihre Wurzeln Kohlendioxid in Form von Kohlenhydraten ab, die dann von Mikroorganismen aufgenommen werden. Letztere setzen wiederum Elektronen, Kohlendioxid und Protonen frei. Die Elektronen wandern anschließend zu einer Anode im Erdreich und gelangen von dort durch einen Stromkreis zur Kathode. Gleichzeitig wandern Protonen durch eine Membran zur Kathode, wo sie mit Sauerstoff und Elektronen reagieren und Wasser erzeugen. Bisher konnte auf diese Weise eine Leistung von 0,44 Watt pro Quadratmeter erreicht werden. Durch die Optimierung der Anlage könnten nach Meinung der Forscher aber bis zu 3 Watt pro Quadratmeter erzielt werden. Potentielle Einsatzgebiete könnten Sensoren in der Umwelttechnik sein. Außerdem erlaubt die Spannungshöhe aber auch Rückschlüsse über die Zustandsänderungen von Pflanzen und Böden.
Weiterhin gelang es in Großbritannien vergangenen Sommer, Urin als Energieträger für mikrobielle Brennstoffzellen nutzbar zu machen. Forscher des Bristol Robotics Laboratory erzeugten aus natürlichen Ausscheidungsprodukten ausreichend Elektrizität, um ein Mobiltelefon zu betreiben, also Textnachrichten zu verschicken und ein Telefonat zu führen. Projektleiter Ioannis Ieropoulos von der University of the West of England erklärte gegenüber dem britischen Telegraph: „Wir sind begeistert. Noch nie hat jemand Energie aus Urin gewonnen, um damit ein Handy zu betreiben. Das ist eine unglaublich aufregende Entdeckung. Die Verwendung des ultimativen Abfallprodukts als Energiequelle zur Produktion von Elektrizität ist das Ökologischste, das es gibt.“
Auch in Deutschland wird an der mikrobiellen Brennstoffzelle geforscht. Studenten der Universität Bielefeld griffen dafür auf das Bakterium Escherichia coli zurück. Dabei kümmerte sich das Forscherteam im Rahmen des Projekts „Ecolectricity – currently available“ sowohl um den Aufbau einer geeigneten Brennstoffzelle als auch um die genetische Optimierung des Bakterienstammes. So verbesserten die Studierenden den Elektronentransport zwischen Bakterien und Anode, indem sie Mediatoren einsetzten, die als „Elektronenshuttle“ dienten. Bei der International Genetically Engineered Machine competition (iGEM) am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston belegten sie damit den zweiten Platz.
Allen diesen Forschungsarbeiten gemeinsam ist, dass hier von Laborversuchen die Rede ist, die noch einige Jahre optimiert und weiterentwickelt werden müssen, bevor sie zu marktreifen Produkten führen.

2 Kommentare

    • Achim Behrenwaldt

      Neu ist immerhin, dass man zukünftig nur noch in den Tank pinkeln muss ;-))

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