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Beitrag von Sven Geitmann

16. August 2013

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Werden Wasserstoff und Brennstoffzellen überfördert?

Bundestagswahl entscheidet auch über ein NIP 2.0

Bundestagswahl entscheidet auch über ein NIP 2.0


Der deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Szene geht es wahrlich nicht schlecht, zumindest finanziell betrachtet nicht. Insgesamt stehen ihr 700.000.000 Euro an Fördergeldern zur Verfügung. Das ist nicht wenig. Dies gilt umso mehr, da ja im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) die gleiche Geldmenge – also nochmals 700.000.000 Euro – auch seitens der Industrie in diese Technologie investiert wird. Damit sollte sich im Zeitraum von zehn Jahren so einiges bewerkstelligen lassen. Trotzdem werden jetzt vor der im September 2013 anstehenden Bundestagswahl Rufe nach weiteren Fördermaßnahmen laut. Obwohl noch Finanzmittel im NIP vorhanden und die Programmlaufzeit noch gar nicht um ist, fordern Branchenvertreter ein Markt- beziehungsweise Technologieeinführungsprogramm, das weiteres Geld kostet. Da stellt sich die berechtigte Frage, ob das angemessen ist.
Schaut man sich dazu an, wo denn seit 2008 die im NIP bereitgestellten Gelder hingeflossen sind, muss konstatiert werden, dass hierbei nicht alles optimal gelaufen ist: Zunächst war der Programmstart etwas holprig. So dauerte beispielsweise die Gründung der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW) aufgrund bürokratischer Hemmnisse zu lange. Zudem gab es und gibt es bis heute im laufenden Betrieb immer wieder Verzögerungen bei der Projektgenehmigung sowie der Finanzmittelfreigabe. Dazu muss man wissen, dass die NOW ursprünglich als unbürokratische Agentur zur Markteinführung von Brennstoffzellen gedacht gewesen ist. Nach zahlreichen Modifikationen ist daraus allerdings ein administrativ aufgeblähtes Förderkonstrukt mit nachgeschaltetem Projektträger geworden, was Zeit und Geld kostete – typisch deutsch eben. Außerdem wurde die Zielrichtung abgewandelt, indem die Fördergelder reinen Forschungs- und Demonstrationszwecken vorbehalten wurden.
Über die Hälfte dieses Geldes floss (und fließt immer noch) in den Mobilitätssektor (Leuchtturm: CEP). Die Hauptzuwendungsempfänger waren also die Automobilhersteller, die gleichzeitig seit Jahren Gewinne einfahren. Kritiker bemängeln daher, dass sich die Autokonzerne ihre Entwicklungsarbeiten vom Steuerzahler finanzieren lassen, dafür aber bisher keine angemessene Gegenleistung erbracht haben: So verschob beispielsweise Daimler die Pläne zur Kommerzialisierung seiner BZ-Modelle um weitere drei Jahre, Opel stellte hierzulande die Arbeiten an der Brennstoffzelle ein, BMW verbündete sich nach Jahren der Fehlinvestition in H2-Verbrennungsmotoren mit einem asiatischen Konkurrenten, von Ford, Volkswagen oder Audi war kaum noch was zu hören.
13 Prozent der Gelder flossen zu den Hausenergieversorgern, die allerdings viel Häme wegen der mageren Ausbeute von bisher nur rund 300 Brennstoffzellenheizgeräten im callux-Feldtest über sich ergehen lassen mussten. Selbst Staatssekretär Rainer Bomba kritisierte wiederholt, dass er mehr Installationen erwartet hatte (s. HZwei-Hefte Jul. 2012 & Apr. 2013). Auch der dritte Leuchtturm (e4ships) hatte mit Problemen zu kämpfen. Nach der feierlichen Programmeröffnung auf dem Kreuzfahrtschiff AIDA in Rostock-Warnemünde war kaum noch etwas von diesem Vorhaben zu hören, nachdem sich Tognum „auf das Kerngeschäft konzentrierte“ und die Arbeiten am HotModule einstellte.
Dem gegenüber stehen die vielen erfolgreichen Vorhaben, die alle während der NIP-Vollversammlung am 17. und 18. Juni 2013 in Berlin vorgestellt wurden. Sie belegen, dass die Grundlagenforschung in den vergangenen Jahren gut vorangekommen ist und Deutschland seinen Ruf, eine Hochburg für Forschung und Entwicklung zu sein, wieder einmal bestätigt hat. Zahlreiche Demonstrationsvorhaben beweisen zudem die vielen Einsatzmöglichkeiten der Brennstoffzellentechnik.
Auch wenn also nicht alles optimal gelaufen ist, dürfte doch feststehen, dass das NIP insgesamt dazu beigetragen hat, Deutschland als potentiellen Leitmarkt für Brennstoffzellen zu positionieren. Kein anderes Land verfügt heute im H2- und BZ-Bereich über vergleichbares Know-how. Jetzt kommt es darauf an, basierend auf diesem Wissen innovative Produkte zu kreieren. Dafür bedarf es geeigneter politischer Rahmenbedingungen, die dabei helfen, die bereits technisch marktreifen Systeme in den Markt einzuführen – sei es im Heizungssektor oder im Mobilitätsbereich.
Die anstehende Bundestagswahl mit den anschließenden Koalitionsverhandlungen ist die perfekte Gelegenheit, im gemeinsamen Dialog zwischen Politik, Industrie, Wissenschaft sowie Interessen- und Umweltverbänden über geeignete Markteinführungsmaßnahmen zu diskutieren. Hierbei muss insbesondere auf kurze Entscheidungsprozesse, also die Reduzierung des administrativen Aufwands bei gleichzeitig höchstmöglicher Transparenz geachtet werden. Besonders berücksichtigt werden sollten dabei die klein- und mittelständischen Unternehmen, weil diese einen Großteil der Wertschöpfung vornehmen, gleichzeitig aber am meisten unter der Bürokratie sowie etwaigen Verzögerungen leiden. Zudem sollte im Rahmen dieser Diskussion einmal herausgearbeitet werden, wie viele Gelder direkt zu den Großkonzernen fließen und wie viele weitergereicht werden an Subunternehmen und Zulieferer.
Auf diese Weise können die bisherigen Erfahrungen aus dem NIP und auch aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz mit seiner Solar-Überförderung dazu beitragen, ein effizientes Instrument zur Kommerzialisierung innovativer Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnik – ein NIP 2.0 – zu schaffen.
Autor: S. Geitmann

8 Kommentare

  1. Reinhard Gutzeit

    Das Problem liegt nicht in der Technik sondern in der Organisation: 90 Prozent unserer Manager sind prall aber ahnungslos; kann nicht sein, ist aber so !

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  2. Katrin Meyer

    Mir scheint es als hätten wir die Lösung für das Problem gefunden, jetzt brauchen wir nur noch jemanden, der uns das Problem bringt.

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  3. Maximilian Fichtner

    Hallo Herr Müller,
    leider habe ich Ihren letzten Satz nicht ganz verstanden. Könnten Sie das “…ob wir mit unserer Technikfixierung zur Problemlösung nicht vielleicht einer gigantischen Fehleinschätzung aufsitzen.” etwas näher erläutern?

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    • Carl Müller

      Hallo Herr Fichtner,
      mit dem Begriff “Technikfixierung” möchte ich meinen Zweifel zum Ausdruck bringen, ob es gesellschaftlich/global wirklich gelingen kann, nachhaltig(er) zu leben.
      Direkte und indirekte Rebound-Effekte, soziale und kulturelle Mechanismen (Belohnung von schneller, höher, weiter, mehr, mehr, mehr…) sowie insbesondere ökonomische Rahmenbedingungen (Wachstumszwang) und viele mit diesen Kategorien zusammen hängende (unerwünschte) Effekte lassen doch erhebliche Zweifel.
      Gerade eine wachsende Systemeffizienz befördert diesen Zwang zum Mehr doch sehr stark (Beispiel Luftfahrt, effiziente Motortechnologie für KFZ, Fleischproduktion…).
      Vor diesem Hintergrund wirken eben viele (FuE-)Förderprogramme eher als Wirtschaftsförderung, indirekte Subventionen, statt Entwicklung von Nachhaltigkeit.
      Dabei wissen wir doch, dass (Alltags-)Kultur menschliches Verhalten unglaublich stark beeinflussen kann. Immerhin lassen sich Menschen beispielweise operieren, tätowieren, mit Botox vollspritzen etc. um “schön” zu sein, andere geben ihr letztes Geld für Alufelgen, Spoiler und Co. aus…
      Es gäbe also durchaus gute Gründe, Energiesparen und Nachhaltigkeit viel stärker sozialwissenschaftlich anzugehen. Doch diese Ansätze tragen eben nicht zum Bruttosozialprodukt und Gewinnsteigerung von Untnernehmen bei.
      Soweit in aller Kürze. Für eine intensivere Beschäftigung empfehle ich z.B. den Schlussbericht der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft“ oder den wunderbaren Band “Wirtschaft ohne Wachstum” des Institut für Forstökonomie der Uni Freiburg.

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  4. Carl Müller

    Vielen Dank für den guten, zusammenfassenden Artikel. Einigermaßen offene Worte sind neben dem NIP-, Hersteller- und Politik-Geschwurbel dríngend notwendig.
    Für halbwegs Außenstehende ist es schon erstaunlich, wie viel Geld da so verbrannt wird – vor allem von unseren allseits geliebten und gehätschelten Blechkistenherstellern – und wie wenig bisher erreicht wurde.
    Das Thema “indirekte Subventionen” gehört m.E. ebenso dringend auf die politische Agenda, wie die Frage, ob wir mit unserer Technikfixierung zur Problemlösung nicht vielleicht einer gigantischen Fehleinschätzung aufsitzen.

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  5. Maximilian Fichtner

    Zitat oben: “…Kein anderes Land verfügt heute im H2- und BZ-Bereich über vergleichbares Know-how. ”
    Starke Worte, sehr selbstbewusst würde ich mal sagen.
    Vor allem, wenn man bedenkt, dass unsere BZ Großmeister im Ausland kaum bekannt sind, da die wirklich entscheidenden Neuerungen in der Regel in Japan oder USA gemacht wurden und werden. Ich würde mal sagen wir sind “irgendwo mit dabei”, eine Führungsrolle kann ich nicht erkennen.

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  6. Achim Behrenwaldt

    Warum sind bisher nur 7000 Elektroautos und 300 Brennstoffzellenheizgeräte verkauft worden ? Weil sie zu teuer sind ! Warum sind sie zu teuer ? Weil es bisher kein Hersteller gewagt hat, mit einem “Großserienpreis” in den Markt zu gehen !
    Beim Elektroauto kommt hinzu, dass es wegen seiner geringen Reichweite und langen Ladezeit nur für den Nahverkehr taugt ! Deshalb ist das wasserstoffbetriebene Auto mit Brennstoffzelle eine sehr sinnvolle Ergänzung oder sogar Alternative !
    Wenn man Wasserstoff in flüssiger LOHC an jeder Tankstelle kaufen kann, die auch Flüssiggas verkauft, wäre sogar eine Umrüstung von Verbrennungsmotoren (Bausatz von BMW?) interessant ! Das wäre auch für die Autohersteller das Startsignal für die Einführung ihrer (längst fertigen) BZ-Modelle, denn die hätten unter diesen Voraussetzungen beste Verkaufschancen, wenn die Hersteller beim Start einen Serienpreis zugrunde legen (und nicht Einzelfertigung wie bisher).

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  1. electrive.net » Stefan Bratzel, Sven Geitmann. - […] Sven Geitmann diskutiert, ob Brennstoffzellen-Technologien überfördert werden. Trotz der bereits bewilligten 1,4 Mrd Euro würden Rufe nach weiteren Mitteln…

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