Aufwind für Wind-Wasserstoff-Systeme

Aufwind für Wind-Wasserstoff-Systeme

Die Aufregung rund um Wind-Wasserstoff und Methanisierung geht weiter. So sprach sich auch Dr. Klaus Töpfer, ehemaliger Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) und Bundesumweltminister a.D., für die Umsetzung dieser Technologien aus und nannte sie „extrem bedeutsam“, um die geplante Energiewende umsetzen zu können. Wie Töpfer outen sich immer mehr Unternehmen als Anhänger dieser Idee, Überkapazitäten der Windkraft zur Wasserstofferzeugung zu nutzen. Nachdem es bereits seit einigen Wochen Mutmaßungen über ein Engagement von E.ON in Nord-Deutschland gegeben hatte, verkündete der Energiekonzern Mitte November 2011 offiziell: E.ON will ab 2013 Windstrom zur Wasserstofferzeugung nord-westlich von Berlin am Autobahndreieck Wittstock einsetzen.
Die neue Pilotanlage des Energieversorgers soll ab Frühjahr 2012 in der Prignitz entstehen. Konkret geht es dabei um die Errichtung einer Forschungsstation in Falkenhagen. Die Voraussetzungen dafür sind in dem brandenburgischen Städtchen optimal: Zunächst einmal gibt es in der Region jede Menge Windkraftanlagen. Außerdem läuft ganz in der Nähe eine Ferngasleitung entlang. Zusätzlich betreibt edis, ein Tochterunternehmen von E.ON, in Falkenhagen ein 110-/20-kV-Umspannwerk. Dort will das Essener Unternehmen den Strom für die Elektrolyse abzweigen. Mit zwei Megawatt elektrischer Energie sollen stündlich rund 360 Kubikmeter Wasserstoff erzeugt werden, die dann direkt in das Gasnetz eingespeist werden. Ziel ist zunächst einmal, grundsätzlich zu prüfen, ob diese Technik auch für die Wasserstofferzeugung in größerem Maßstab geeignet ist. Dabei steht ein wirtschaftlicher Betrieb ganz oben auf der Prioritätenliste. Bei positiven Ergebnissen, könnte ein zweiter Bauabschnitt für die Umwandlung von Wasserstoff in Methan folgen.
Die Basis eines solchen Verfahrens ist der Sabatier-Prozess, bei dem Wasserstoff gemeinsam mit Kohlendioxid in Methan und Wasser umgewandelt wird. Der Wasserstoff wird dem Elektrolyseur entnommen, das Kohlendioxid kann beispielsweise aus Biogasanlagen kommen. Somit überrascht es nicht, dass auch der Biogasspezialist MT-Energie Interesse an diesem Verfahren gefunden und sich mit fünf Prozent an der SolarFuel GmbH beteiligt hat. Karsten Wünsche, der am 1. Juli 2011 zum Geschäftsführer der Zevener Firma bestellt worden ist, erklärte gleich am ersten Tag in seiner neuen Funktion: „Zwischen den beiden Unternehmen existieren zahlreiche Synergiepotenziale für die Zukunft.“ Konkret arbeitet MT-Energie bereits im Rahmen des E-Gas-projects von Audi (s. HZwei-Heft Juli 2011) mit dem Stuttgarter Unternehmen SolarFuel zusammen.
Ein weiterer Mitbewerber in diesem Zusammenhang ist die SunFire GmbH. Das Bremer Unternehmen baut auf ähnliche Verfahrensschritte, beabsichtigt in seinem Prozess aber synthetische Kraftstoffe (Benzin, Diesel, Kerosin) anstelle von synthetischem Erdgas herzustellen. Hier gab es allerdings Komplikationen, weil die Choren Industrie GmbH im Juli 2011 Insolvenz anmelden musste. Choren war aus der im Jahr 1990 von Dr. Bodo Wolf gegründeten UET Umwelt- und Energietechnik Freiberg GmbH hervorgegangen. Wolf wirkte entscheidend an der Entwicklung des so genannten CarboV®-Verfahrens mit und ist auch bei SunFire der Know-how-Träger und Initiator. Wegen dieser personellen Verknüpfungen und des damit verbundenen medialen Interesses sah sich SunFire im September 2011 zu einer Stellungnahme genötigt und erklärte: „Es besteht keine gesellschaftsrechtliche oder operative Verbindung zwischen Choren Industries GmbH und SunFire GmbH bzw. staxera GmbH.“ SunFire hatte erst im Frühjahr 2011 den Brennstoffzellenhersteller staxera übernommen (s. HZwei-Heft Juli 2011) und befindet sich momentan auf der Suche nach einem passenden Standort, wo ab 2013 eine Testanlage entstehen soll, damit diese dann bis 2016 ihren Betrieb aufnehmen kann.
Ein Pionier im Bereich der Wind-Wasserstoff-Systeme ist die Enertrag AG. Das Brandenburgische Unternehmen startete mit dieser Technik bereits vor mehreren Jahren, somit war es am 25. Oktober 2011 schon dort, wo andere noch hinwollen. Und zwar nahm das Prenzlauer Unternehmen zu diesem Termin sein lange geplantes Wasserstoff-Hybridkraftwerk in der Uckermark nördlich von Berlin in Betrieb. Das Ziel dieses 21-Mio.-Euro-Vorhabens ist, die „Machbarkeit einer sicheren und nachhaltigen Energieversorgung und Energiespeicherung mit einem Mix aus rein erneuerbaren Energiequellen im Praxistest nachzuweisen.“ Dafür wurden in den vergangenen Jahren zunächst drei Windkraftanlagen sowie eine Biogasanlage vor Ort installiert. Zu der Biogasanlage gehört ein Wasserstoff-Biogas-Blockheizkraftwerk, in dem Gemische aus Wasserstoff und Biogas verbrannt werden und somit Strom sowie Wärme erzeugen. Darüber hinaus wurde in den vergangenen Monaten ein zusätzliches Gebäude für den Elektrolyseur gebaut. Der dort erzeugte Wasserstoff wird an H2-Stationen in Berlin und Hamburg vertankt. Der Brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck erklärte bei der Inbetriebnahme: „Der heutige Tag gibt richtig Aufwind. Mit dieser weltweit ersten Anlage gelingt es, die schwankende Windenergie in eine verlässliche Größe umzuwandeln, damit sie langfristig als planbare Energie für Strom, Wärme und Mobilität eingesetzt werden kann.“

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